Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Das Parkett in Bewegung (XLIII):

Zwischen Rochaden, Weichen und Kreuzen

Zahlreiche Führungsspitzen im deutschen Pensionswesen sind dieser Tage neu besetzt worden. Bemerkenswert: Heute geht es (fast) nur um Frauen. Einmal ist am Rande sogar LEITERbAV tangiert. Die Anstalt ist auch wieder vollzählig. Ein Blauer kehrt vieles um – und behält seinen Humor.

 

 

Nach dem neulichen Führungswechsel bei dem Consultant Aon gibt es erneut Bewegung im Pensionswesen, die zu vermelden lohnt:

 

Multi-Rochade an der Königinstraße

 

LEITERbAV hatte bereits die Klage mehrerer US-Pensionsfonds, mit der die Allianz sich konfrontiert sieht, und ihren Umgang damit kassandrisch-wohlwollend gewürdigt. Das von dem kritisch anmutenden Vorgang ausgelöste Stühlerücken in der blauen Bilanzmaschine geht nun in die nächste Runde und wirbelt weite Teile der ersten Führungsebenen der ganzen Gruppe derart durcheinander, dass man kaum noch den Überblick behält. Beschränken wir uns auf die Bewegungen, welche die bAV tangieren:

 

Andreas Wimmer, Allianz.

Rückblick: Angefangen hatte das Rochaden-Manöver der Allianz Ende September damit, dass der auf unserem Parkett wohlbekannte Andreas Wimmer, erst seit Anfang 2020 CEO der Allianz Lebensversicherungs-AG, zum Vorstand der Mutter Allianz SE berufen worden war. Wimmers pikanter Auftrag: als Nachfolger von Jacqueline Hunt die Leitung der Bereiche Asset Management sowie Allianz Life in den USA übernehmen. Damit hatte die Allianz offenbar eine erste Konsequenz aus der milliardenschweren US-Causa gezogen.

 

Wimmer ist jung und kompetent. Wenn er die US-Operations des Konzerns in den Griff bekommen sollte – was nicht ohne weiteres ausgemachte Sache ist, denn unabhängig von den gegenwärtigen Gerichtsverfahren ist das selten eine leichte Aufgabe, und viele europäische Finanzdienstleister können davon viele, frustrierte, teure Lieder singen – dann ist er klar ein Zukunftskandidat für den CEO-Posten des Konzerns.

 

Wie dem auch sei, dieser Tage hat der Konzern jedenfalls auch Wimmers Nachfolge bei der Allianz Leben geregelt – und dabei nahezu einen Komplettumbau hingelegt:

 

Laura Gersch, Allianz.

Zunächst einmal verlässt wie Wimmer auch Firmen- und bAV-Vorstand Laura Gersch die Allianz Leben und übernimmt in der Allianz Versicherungs-AG das Vorstandsressort Finanzen. Sie rochiert mit der bisherigen Amtsinhaberin Katja de la Viña, die im Gegenzug Vorstandsvorsitzende der Allianz Leben wird (deren CFO sie derzeit ebenfalls – noch – ist).

 

Bei der Neubesetzung des demzufolge vakant werdenden Ressorts Firmenkunden/bAV in der Allianz Leben ging der Konzern dann keinerlei Risiko mehr ein, sondern machte Nägel mit Köpfen:

 

Zum 1. Januar wird Heinke Conrads das Amt übernehmen. Die 52jährige promovierte Mathematikerin, derzeit Head of Retirement Deutschland und Österreich und Geschäftsführerin bei Willis Towers Watson in München, ist im Pensionswesen bestens etabliert, hat 20 Jahre bAV-Erfahrung auf dem Buckel und ist häufig auf LEITERbAV präsent, auch als Autorin. Aktuarin Conrads ist seit 2008 für WTW tätig, hat dort also einige Merger mitgemacht, und war zuvor bei der HUK-Coburg und PwC.

 

Heinke Conrads, WTW.

Mit Conradsens Verpflichtung ist der Allianz zweifelsohne ein guter Zug gelungen, das betrifft insbesondere einen robusten Kompetenzzuwachs, den den man in München respektive Stuttgart sicher gut wird gebrauchen können. Ihre Nachfolge bei WTW ist bereits geregelt, und zwar in schlankestmöglicher Form: Thomas Jasper, der die Position bereits von 2011 bis 2017 inne hatte und seit 2018 Leiter Retirement Europa ist, übernimmt Conradsens Aufgabe umstandslos mit.

 

Gersch dürfte damit beizeiten auch ihren Platz im Vorstand der aba und deren Fachvereinigung Direktversicherungen räumen, wo dann wohl Conrads eintritt. Ob der anstehende Abschied von der bAV Gersch schwerfällt, kann man nur vermuten. Man konnte jedenfalls den Eindruck haben, als fremdele sie stets ein wenig mit der Pensions-Materie, in der sie – anders als auf dem Parkett üblich – beruflich nicht groß geworden ist. Nun denn, das kann man von Conrads nicht behaupten; und es sollte aba und der bAV insgesamt dienlich sein, dass der künftig in der bAV zuständige Kopf der Allianz das Pensionswesen in allen Facetten seiner Genese, seinen Erscheinungsformen, Stärken, Sorgen und Nöte kennt, namentlich auch die Welt der arbeitgebereigenen EbAV und Versorgungswerke.

 

Gute Laune in der Königinstraße.

 

Fest steht: Die Causa US-Pensionsfonds, wie auch immer sie weitergehen wird, lässt schon jetzt in der Allianz-Spitze wenig Steine aufeinander. Bleibt schließlich noch die Frage, was aus derjenigen Managerin wird, welche die ganze Multi-Rochade vermutlich erst ausgelöst hat: Jacqueline Hunt – die noch 2017 von der Allianz in unstandesgemäßer Diktion allen ernstes öffentlich als „Jackie, die Alleskönnerin“ geadelt und mit der Aussage zitiert wurde: „Kunden interessieren sich nicht für das Produkt, sie interessieren sich für das Ergebnis“ – ein Statement, mit dem sie die nun klagenden US-Pensionsfonds offenbar richtig eingeschätzt hat, immerhin.

 

Nun, wie die Allianz mitteilt, bleibt Alleskönnerin Hunt dem Haus als „strategische Beraterin“ erhalten – eine in der höheren HR-Welt übliche Floskel nach Abgängen. Lustig aber, wen Hunt nun, nachdem das in den USA also mit der AGI alles „strategisch“ so gut geklappt hat, „strategisch beraten“ soll – nämlich ausgerechnet niemand anderen als CEO Oliver Bäte selbst.

 

Das kann man auch positiv sehen, zeigt es doch, dass man in der Münchner Königinstraße den Sinn für Selbstironie und Humor offenbar nicht verloren hat. Alaaf.

 

Intern frühes Weichenstellen in Hannover

 

Ralf Kielmann, Hannoversche Kassen.

Der Aufsichtsrat der Hannoverschen Kassen hat Ralf Kielmann zum 1. Januar 2022 zum Vorstand der Hannoverschen Alterskasse und der Hannoverschen Pensionskasse bestellt. Er tritt die Nachfolge von Regine Breusing an, die nach mehr als 13 Jahren im Vorstand zum 31. Dezember 2021 in den Ruhestand geht.

 

Kielmann kam bereits 2012 als bAV-Spezialist zu den Hannoverschen Kassen und wurde 2013 stellvertretender und 2014 Abteilungsleiter Versicherungen. Ein Jahr später übernahm er zudem die Leitung der IT-Abteilung.

 

Vor seiner Zeit bei der EbAV arbeitete Kielmann über 20 Jahre bei der Sparkasse Hannover bzw. Volksbank Braunschweig/Wolfsburg, zuletzt als Vertriebs- bzw. Bereichsleiter im Privatkundensektor.

 

Kielmann bildet künftig gemeinsam mit Silke Stremlau das Vorstandsteam der Hannoverschen Kassen und wird die Bereiche Versicherung, IT, Rechnungswesen, Versicherungsmathematik und Controlling verantworten.

 

Die Hannoverschen Kassen – diesjähriger ESG-Preisträger der Pensions-Akademie – sind ein Verbund von sechs Einrichtungen, der arbeitgeber- und arbeitnehmerfinanzierte bAV anbietet und sich insb. der Nachhaltigkeit und „modernen Solidarformen“ verschrieben hat. Vor mehr als 30 Jahren als Selbsthilfe-Einrichtung gegründet, sieht man sich heute mit mehr als 600 Mitgliedseinrichtungen als einen „ethisch-sozial orientierten Unternehmensverbund mit einer Vielzahl von Angeboten, Projekten und Dienstleistungen rund um die nachhaltige, betriebliche Altersversorgung“.

 

Frauen für Frauen in Bonn

 

Karin Germann, PK vom Deutschen Roten Kreuz VVaG.

Karin Germann ist zum ersten Juli 2021 in den Vorstand der Pensionskasse vom Deutschen Roten Kreuz VVaG eingetreten. Dort verantwortet sie das Ressort Finanzen.

 

Germann ist gelernte Versicherungskauffrau sowie studierte Diplomkauffrau und hat seit 1984 in verschiedenen Positionen und unterschiedlichen Unternehmen (Signal Iduna, Aon) langjährige Erfahrung in den Bereichen Finanz-/Rechnungswesen und Kapitalanlagen gesammelt.

 

Die 55-jährige Hamburgerin war ab 2004 für 14 Jahre als CFO im Vorstand der Prudentia Pensionskasse und Unitas Altersversorgungswerk in Düsseldorf und danach für zwei Jahre verantwortlich für die Bereiche Finance & Controlling, Kapitalanlagen und Rückversicherung bei dem Versicherungsstart-up mailo AG in Köln.

 

Susanne Jungblut, Leiter-bAV.

Außerdem gibt es Veränderungen im Aufsichtsrat der Bonner EbAV: Am 17. Juli ist Susanne Jungblut in den Aufsichtsrat der Kasse gewählt worden. Die 61jährige Jungblut, aus West-Berlin stammend, trat als Mathematikerin in den 80er Jahren in die Funk-Gruppe ein (als Gutachten nach Heubeck-Richttafeln noch ohne IT mit Papier und Stift gerechnet wurden). Parallel unternahm sie dort die Ausbildung zur Aktuarin (damals noch unter Prof. Edgar Neuburger).

 

1993 ging es für Jungblut von Berlin nach München zur damaligen Wyatt Bode Grabner (Chef dort damals Alf Gohdes), später Watson Wyatt. Von 2008 bis 2021 betreute sie dann für KPMG Merger, zuletzt als Director Deal Advisory Pensions. Seit 2021 ist Jungblut im Ruhestand, weiterhin begeisterte Triathletin und – hoffentlich genauso begeistert – Autorin für LEITERbAV und die Tactical Advantage.

 

Die Anfänge der DRK-Pensionskasse reichen zurück in die Zeit kurz nach dem ersten Weltkrieg. Mit der Neuordnung der Sozialgesetzgebung entschieden sich 1919 DRK-Schwesternschaften, eine eigene Versicherungskasse zu gründen. Zweck: den Schwestern des Deutschen Roten Kreuzes eine Zusatzversorgung für ihre „Altersruhe“ und bei Invalidität sicher zu stellen. Als Gründungstag gilt der 1. Oktober 1921.

 

Die Pensionskasse war zunächst als „Schwestern-Versicherungsverein vom Roten Kreuz (SVV)“ im Sinne des VAG ein „kleinerer VVaG” und wurde aufsichtsrechtlich als Pensionskasse behandelt. 1995 wurde der SVV von einer Pensionskasse in ein LVU aG umgewandelt. Im Sinne einer klaren Positionierung als EbAV für einen geschlossenen Personenkreis wird Anfang 2012 aus dem Lebensversicherer SVV die regulierte Pensionskasse vom Deutschen Roten Kreuz VVaG. Heute betreut sie fast 28.000 Versicherte und bringt hierfür gute 777 Mio. Euro auf die Waage. Sprecherin des Vorstandes ist seit 2010 Sabine Peters.

 

Nochmal Bonn: die Frau für die Abwicklungen

 

Birigt Rodolphe, BaFin. Foto: Pavel Becker, Commerzbank AG.

Ihr Kernthema steht im Pensionswesen hoffentlich nicht auf der allgemeinen Tagesordnung, doch soll die Meldung über ihren Amtsantritt gleichwohl nicht fehlen:

 

Birgit Rodolphe hat am 1. November in Berlin ihre Ernennungsurkunde entgegengenommen und ist nun BaFin-Exekutivdirektorin des Geschäftsbereichs Abwicklung. Das Direktorium der Anstaltjüngst erst an der Spitze ambitioniert neu besetzt – ist damit wieder vollzählig.

 

Zu Rodolphes Ressort gehören auch die Abteilungen Geldwäscheprävention und Integrität des Finanzsystems. Die 56jährige Rodolphe, die zuletzt Bereichsvorstand Corporate Clients Non-Financial Risk bei der Commerzbank war, übernimmt ihr Amt von Thorsten Pötzsch, der seit Anfang September Exekutivdirektor des Bereichs Wertpapieraufsicht und Asset-Management ist.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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