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Die Deckungsmittel der deutschen bAV 2019:

Zwischen 653 und 1.000 Milliarden Euro

Die Winterpause ist vorbei, und LEITERbAV ist zurück. Im Jahr 2022 startet der redaktionelle Ernst des Lebens für das deutsche Pensions-Parkett mit einem quantitativen Überblick über die deutsche bAV – im engeren und im weiteren Sinne. Denn bAV, das ist in Deutschland ein dehnbarer Begriff.

 

 

Uwe Schätzlein, WTW.

Wer nicht gerade erst seit kurzem auf dem Pensions-Parkett unterwegs ist, wird sich erinnern: Ex-HöchsterPenka-Chef Joachim Schwind unternahm jährlich die Aufgabe, die Größenordnung der deutschen bAV zu ermitteln – letztmalig gecovert von LEITERbAV Mitte 2018 (für das Jahr 2016).

 

Seit Schwinds Ruhestand hat diese Aufgabe Ralf Klein von der Höchster Penka übernommen, der regelmäßig im August auf Seiten der aba seine Erhebung publiziert.

 

Nun liegen erneut aggregierte Daten für das Jahr 2019 vor. Unternommen hat dies Uwe Schätzlein, bis Ende November Wissenschaftler an der Universität Würzburg im Lehrstuhl von Prof. Dirk Kiesewetter und seitdem als Associate Retirement bei Willis Towers Watson tätig.

 

Die Übersicht, die Schätzlein noch im Rahmen seiner Tätigkeit an der Universität ermittelt hat und bei der er sich auf die fünf klassischen Durchführungswege der bAV im engeren Sinne beschränkt (vgl. unten), wurden im Dezember in der aba-Zeitschrift BetrAV 8-/21 publiziert. LEITERbAV gibt die Ergebnisse hier gerafft wieder. Die Deckungsmittel 2019 nach Durchführungswegen im Einzelnen:

 

Direktzusagen/Pensionsrückstellungen: 311,4 Mrd. Euro (nach § 6a EStG auf Basis PSV)

 

Pensionskassen: 183,0 Mrd. Euro

 

Unterstützungskassen: 37,4 Mrd. Euro

 

Direktversicherungen: 71,8 Mrd. Euro

 

Pensionsfonds: 49,3 Mrd. Euro

 

Summe: 652,9 Mrd. Euro

 

Zu den Pensionsfonds sei angemerkt, dass hier bereits die BaFin-Zahlen 2020 vorliegen. Demnach liegt der DFW mittlerweile bei ca. 55 Mrd. Euro.

 

Im Zeitverlauf stellt Schätzlein folgende Trends fest:

 

Direktzusagen/Pensionsrückstellungen (annualisierter Zuwachs: +3,49%) nehmen zu, zuletzt nahmen die Wachstumsraten jedoch ab.

 

Pensionskassen (annualisierter Zuwachs: +5,17%) erfreuen sich an Wachstum, das seit einigen Jahren stärker wird.

 

U-Kassen (annualisierter Zuwachs: +2,92%) wuchsen vor allem bis in die Mitte der Nullerjahre, seitdem stagnieren sie.

 

Direktversicherungen (annualisierter Zuwachs: +5,11%) verzeichnen konstantes hohes Wachstum.

 

Pensionsfonds (annualisierter Zuwachs seit 2007: +10,93%) brauchten nach der Einführung 2002 fünf Jahre, um populär zu werden, seither weisen sie die stärksten Wachstumsraten aller fünf DFW auf.

 

Die Summe aller Deckungsmittel (annualisierter Zuwachs: +4,31%) steigt ordentlich und über den betrachteten Zeitraum hinweg relativ gleichmäßig an (Anm. der Red: Wie sich die bAV in der Breite entwickelt, dazu beachte man die Untersuchungen bspw. der Union Investment und der MetallRente sowie die Erhebungen des BMAS, zum internationalen Vergleich bspw. Mercers CFA Institute Global Pension Index MCGPI).

 

In der aktuellen BetrAV findet sich auch eine Tabelle, welche die Entwicklung im Zeitablauf illustriert:

Quelle: aba. Grafik zur Volldarstellung anklicken.

 

Als einen möglichen Grund, warum Direktzusagen jüngst etwas zurückfielen, nennt Schätzlein den monierte Reformstau, allen voran der 6%ige Rechnungszinsfdes § 6a EStG, der die Direktzusage womöglich zuletzt weniger attraktiv für Arbeitgeber machte.

 

Zur Entwicklung der Deckungsmittel der U-Kassen merkt der Wissenschaftler an, dass sie die wahre Bedeutung des Durchführungsweges etwas marginaler darstellen als zutreffend. Grund: Relativ zum Verpflichtungsumfang fallen die Deckungsmittel bei Abwicklung über die U-Kasse verhältnismäßig niedriger aus.

 

Pensionsfonds sieht Schätzlein durchaus als die ihnen zugedachte Erfolgsgeschichte, v.a. infolge ihrer Funktion als Instrument des Outside Funding. In der absoluten Bedeutung haben sie bereits die U-Kassenüberholt (man beachte obige Einschränkung). Das Kampfgewicht der Direktversicherung rücke in greifbare Nähe.

 

Positiv, doch ohne Durchbruch, dafür mit Potential

 

Schätzleins Fazit ist zwiegespalten:

 

Zusammenfassend nimmt die bAV in Deutschland eine erfreuliche Entwicklung. Sie prosperiert, weist trotz diverser ökonomischer Krisen in den letzten Jahrzehnten einen konstanten positiven Trend auf.“

 

Gleichwohl:

 

Die Konstanz in der Wachstumsrate lässt jedoch auch den Schluss zu, dass ein ‚Durchbruch‘, der sich in einem sprunghaften Anstieg der Deckungsmittel abgezeichnet hätte, bislang ausgeblieben ist. Im Lichte der Tatsache, dass laut jüngster Studie des BMAS vom Dezember 2020 immer noch 46% der zwischen 25- und 64-jährigen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ohne bAV sind, besteht also noch durchaus erhebliches Potential für weitere beträchtliche Steigerungen.“

 

Im engen und im weiten Sinne

 

Soweit zur bAV im klassischen, eng ausgelegten Sinne. Doch bekanntlich hat Deutschland ein besonders vielfältiges System der Altersvorsorge, so dass man je nach Sichtweise – und LEITERbAV hat redaktionell eben eine solche – zusätzliche Erscheinungsformen der Altersvorsorge unter den Begriff einer bAV im weiteren Sinne erfassen kann. Das gilt namentlich für berufsständische Versorgungswerke (auch wenn diese bei den Berechtigten die erste Säule ersetzen) sowie für kirchliche und kommunale ZVK und weitere Vehikel des öffentlich-rechtlichen Raums. Insofern kann man der deutschen bAV auch weiteres Kampfgewicht zubilligen:

 

Berufsständische Versorgungswerke, wie sie in der ABV organisiert sind, dürften zusammen ca. 231 Mrd. Euro auf die Waage bringen (s. Tactical Advantage Vol. 8). Hinzu kommen ca. 145 Mrd. Euro der kirchlichen und kommunalen ZVK sowie 30 Mrd. Euro VBL. Addieren könnte man genaugenommen auch die (wenn auch im kleinen Rahmen) teilgefundeten Beamtenpensionen (und ggf. je nach Gusto auch Teile der Riester- und Rürup-Renten). Hinzu kommt, dass auch Book Reserves der Direktzusage selbst ein dehnbarer Begriff ist. Die Daten Schätzleins beruhen hier auf dem 6a. Nach 253 HGB und IAS 19 sind die Werte sichtlich höher, hier ermittelte WTW allein für den DAX 2020 eine DBO von ca. 409 Mrd. Euro.

 

Hält man also für die Deckungsmittel der deutschen bAV im engeren Sinne Schätzleins 653 Mrd. Euro undim weiteren Sinne grob ca. einer Billion Euro fest, dürfte man der Wahrheit nahe kommen

 

Am Rande sei bemerkt, dass vor allem internationale Studien mit meist ohnehin viel zu breiten Ansätzen bei der Vielfalt der deutschen bAV oft an ihre fachlichen Grenzen stoßen und deshalb auf dieser Plattform redaktionell nur noch kurz behandelt werden (sei es bspw. Studie des Thinking Ahead Institute von 2017, der OECD von 2020 oder der ALFI ebenfalls von 2020).

 

 

 

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