Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Umsetzung der Pensionsfonds-Richtlinie (VI):

„Zu Lasten der Bereitschaft der Arbeitgeber“

Verbände, Industrie, Arbeitgeber: Praktisch kein relevanter bAV-Stakeholder spart mit Kritik an dem BMF-Entwurf zur Umsetzung der EbAV-II-RL in nationales Recht. Das gilt auch für den DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften – doch geht man weniger harsch zu Werke.

 

Neben der AKA und der aba sowie dem Industrieunternehmen Bosch sowie der BDA hat auch der Deutsche Gewerkschaftsbund die ungewöhnlich knapp bemessene Konsultationsfrist genutzt, zu dem BMF-Entwurf zur Anpassung des VAG Stellung zu nehmen.

 

 

Fundamental-Einstieg

 

Gleich eingangs seiner Stellungnahme betont auch der DGB eine der Kardinal-Fakten des deutschen Pensionswesens:

 

EbAV sind keine reinen Anbieter von Finanzdienstleistungen, sondern Einrichtungen zur Altersversorgung mit einem sozialen Zweck.“

 

Ihre soziale Funktion und die Dreiecksbeziehung zwischen Arbeitnehmern, -gebern und EbAV sollten in angemessener Weise erkannt und als grundlegende Prinzipien dieses Gesetzes gestärkt werden, heißt es dort weiter. Durch die neue Möglichkeit des Sozialpartnermodells werde die Dreiecksbeziehung um eine zusätzliche Rolle der Sozialpartner erweitert.

 

Entsprechend mahnen die Gewerkschafter, „die sozialpolitische Bedeutung der bAV ernst zu nehmen“. Außerdem sind sie durchaus in der Lage, die Wirkung einer Regulierung auf ihr tarifpolitisches Gegenüber abzusehen. Denn eine zu starke Belastung der Versorgungseinrichtungen ohne deutlich erhöhten Nutzen für die Versorgungsempfänger ginge nicht nur zu Lasten der Versorgungshöhe, sondern…

 

… insgesamt auch zu Lasten der Bereitschaft der Arbeitgeber, freiwillig von sich aus zusätzliche Betriebsrenten anzubieten.“

 

Ist man schonmal dabei, kann man gleich mal betonen:

 

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften bleiben bei ihrer Linie, dass für soziale Einrichtungen der EbAV aufgrund der Arbeitgeberzahlungen das Solvency I-Regime ausreichend ist.“

 

 

Ja zur eigenen Risikobeurteilung

 

Anders als die meisten Stakeholder haben der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften offenbar kein Problem mit dem Instrument der eigenen Risikobeurteilung, sondern…

 

…begrüßen ausdrücklich die Ausweitung der Vorschriften zur Geschäftsorganisation als richtig und wichtig, weil sie dem Schutz der Versorgungsanwärter/innen und Versorgungsempfänger/innen dienen.“

 

Die diesbezügliche Begründung im Referentenentwurf zur umfassenden eigenen Risikobeurteilung hält man entsprechend „für absolut richtig“.

 

 

ESG: Ja, aber…

 

Die grundsätzliche Bindung des verantwortungsbewussten Investments an ESG-Kriterien begrüßt die Stellungnahme ausdrücklich. Jedoch dürfe dies nicht zu weit gehen (und das betreffe just die eigene Risikobeurteilung):

 

Die Möglichkeit der angemessenen Rendite darf nicht durch unangemessene Anforderungen an das Risikomanagement nach § 234c VAG-E, an die eigene Risikobeurteilung nach § 234d VAG-E und die Erklärungen zur Anlagepolitik nach § 234i VAG-E behindert werden.“

 

 

Informationspflichten zu weit…

 

Wie die anderen Stakeholder übt auch der DGB Kritik an der in dem Entwurf vorgesehen Umsetzung der Informationspflichten:

 

Informationen, von denen weder die Leistung des Informationsempfängers abhängt, noch deren Kenntnis für eine Entscheidung des Informationsempfängers eine Relevanz hat, sind im Referentenentwurf nicht auf ein Minimum beschränkt worden.“

 

So sollten alle Hinweise auf Merkblätter, Dokumente o.ä., die eine papiergebundene Informationsübermittlung induzieren, durch eine medienneutrale Formulierung, die eine elektronische Übermittlung einschließt, ersetzt werden.

 

Grund sei, so der DGB, dass der Schutzbedarf für Anwärter in kollektivrechtlichen Versorgungswerken sich von Anforderungen des Konsumentenschutzes in der privaten Altersvorsorge wesentlich unterscheide. Gerade in den unter Beteiligung der Gewerkschaften organisierten Systemen der EbAV würden die Interessen der Arbeitnehmer in den Tarifverhandlungen bereits berücksichtigt und durch die Beteiligung der Vertreter an der Aufsicht mitbedacht, so die Stellungnahme.

 

Vor diesem Hintergrund des Verweises auf die Vorschriften für die Lebensversicherer…

 

…führen die angedachten Informationspflichten zur Intransparenz für Arbeitnehmer/innen und Arbeitgeber bezüglich der Anforderungen an die Versorgungsträger und somit zu einem weiteren Akzeptanzproblem der bAV.“

 

 

… und überhaupt: Die Verweise nerven

 

Die Informationspflichten sind ein guter Anlass für den DGB, nochmal grundsätzlich zu werden, auch mit Blick auf die bAV-Reform:

 

Das Hin- und Herverweisen erschwert zudem einen Vergleich der bAV, besonders im Hinblick auf das Sozialpartnermodell zwischen den durchführenden Einrichtungen im Hinblick auf die Steuerungsmöglichkeiten der Sozialpartner.“

 

 

Soft on EIOPA

 

Auch der DGB mahnt vor einer ausgreifenden Rolle der EIOPA, doch tut er das in verhältnismäßig sanften Worten. Mit Blick auf den § 43a Absatz 3 VAG-E (der es dem BMF ermöglichte, per Rechtsverordnung die beaufsichtigten Unternehmen gegenüber der EIOPA auskunftspflichtig zu machen) möchte der DGB berücksichtigt sehen, dass…

 

…nicht im Widerspruch zum Ansatz der Mindestharmonisierung der Richtlinie eine für viele EbAV nicht realisierbare Solvency-II-ähnliche Vollharmonisierung der Berichtspflichten angestrebt und geschaffen wird.“

 

Ohne hin sollte, so die Stellungnahme weiter, die Einführung neuer Berichtspflichten vorrangig nationalen Gesetzgebungsverfahren und Kompetenzen vorbehalten bleiben.

 

 

Das Wir-sind-wir fehlt

 

Im Fazit der Gewerkschaften findet sich abschließend erneut grundsätzliche Kritik, vor allem mit Blick auf die ihnen selbst künftig zugedachte Rolle. So vermisse man in dem Entwurf…

 

…die ausreichende Berücksichtigung der nationalen Besonderheiten der reinen Beitragszusage im Sozialpartnermodell nach § 21 Absatz 1 BetrAVG.“

 

Die in der Richtlinie vorhandenen Möglichkeiten, auf deren Spezifika einzugehen, hält man für unzureichend genutzt.

 

Die Stellungnahme des DGB findet sich hier.

 

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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