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BGH zum GGF-Bezugsrecht:

Widerruf bei Leitungsmacht

 

 

Ein GGF mit Leitungsmacht hat im Insolvenzfall unter Umständen kein Aussonderungsrecht gegenüber dem Insolvenzverwalter bezüglich seiner arbeitgeberfinanzierten bAV-Rentenversicherung, da er in aller Regel nicht unter den Schutzbereich des BetrAVG fällt. Das hat der BGH rechtskräftig entschieden und dabei die Vorinstanzen bestätigt.

 

 

Zum Tatbestand: Ein Insolvenzverwalter machte Ansprüche auf Auszahlung der Rückkaufswerte aus mehreren von dem insolventen Unternehmen zugunsten von früheren Arbeitnehmern im Rahmen eines Gruppenversicherungsvertrages bei der beklagten Versicherung abgeschlossenen Rentenversicherungen geltend. Einer der versicherten Mitarbeiter war Mitgesellschafter, der einen Gesellschaftsanteil von 40 Prozent hielt; zugleich war er auch Mitgeschäftsführer, später Alleingeschäftsführer.

 

Der Insolvenzverwalter beanspruchte nun von der Versicherung bezüglich des Geschäftsführers und zahlreicher weiterer Mitarbeiter die Auszahlung der Rückkaufswerte aus den zu ihren Gunsten geschlossenen Versicherungen, nachdem er den Widerruf des Bezugsrechts und die Kündigung des Gruppenversicherungsvertrages erklärt hat. Damit hatte er in der Erstinstanz teilweise Erfolg, beide Parteien gingen in Berufung, sind dort gescheitert, haben Revision eingelegt, und beide Revisionen hat der BGH nun zurückgewiesen.

 

Bei den Mitarbeitern sei zu unterscheiden, so der BGH unter Bestätigung der Argumentation des Berufungsgericht. Dieses habe dem Insolvenzverwalter zu Recht die Rückkaufswerte der Versicherungen derjenigen Arbeitnehmer, die zu einem andern Unternehmen des Konzerns gewechselt haben oder vor Beginn der vorläufigen Insolvenzverwaltung ausgeschieden waren, und eines durch Eigenkündigung ausgeschiedenen Arbeitnehmers zugesprochen.

 

In andern Fällen gelte das nicht, bestätigt der BGH die Berufungsinstanz weiter:

 

Hinsichtlich der Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis aufgrund einer Vereinbarung des Klägers mit dem Betriebsübernehmer bei Letzterem fortgesetzt haben, sei der Kläger nicht zur Ausübung des Widerrufs berechtigt, weil es aufgrund des Betriebsübergangs an einer Beendigung der Arbeitsverhältnisse im Sinne von § 7 Abs. 1 des Versicherungsvertrages fehle.

 

Hinsichtlich der Arbeitnehmer, denen der Kläger nach Bestellung zum vorläufigen Insolvenzverwalter gekündigt habe, und der Arbeitnehmer, mit denen er nach Insolvenzeröffnung Aufhebungsverträge geschlossen habe, habe er das Bezugsrecht nicht widerrufen können, weil § 7 Abs. 1 des Versicherungsvertrages einschränkend dahin auszulegen sei, dass die Bezugsberechtigung bei insolvenzbedingter Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht widerruflich sei.“

 

Auch in Bezug auf den GGF bestätigt der BGH das „rechtlich nicht zu beanstandende“ Urteil des Berufungsgerichts:

 

Der Kläger habe das Bezugsrecht des Geschäftsführers als versicherter Person widerrufen können. Dieser sei nicht nur Geschäftsführer und mit einem Anteil von 40 Prozent an der Gesellschaft beteiligt gewesen, sondern habe zusammen mit einem weiteren Geschäftsführer, der ebenfalls zu 40 Prozent an der Gesellschaft beteiligt war, Leitungsmacht in der Gesellschaft ausüben können. Der personale Anwendungsbereich zur Widerruflichkeit des Bezugsrechts sei entsprechend den Wertungen des § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG parallel zur Bestimmung des von der Insolvenzsicherung von Betriebsrentenansprüchen begünstigten Personenkreises auszurichten. Insoweit komme es darauf an, ob die fraglichen Personen vermögens- und einflussmäßig so stark mit dem Unternehmen verbunden seien, dass sie es wirtschaftlich als ihr eigenes betrachten könnten. Nach diesem Maßstab habe kein Schutz für den Geschäftsführer bestanden.“

 

Im weiteren Verlauf der Entscheidung führt der BGH seine Argumentation detailliert aus, Auszug:

 

Eine Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern einerseits und Unternehmern andererseits ist zudem bereits im BetrAVG angelegt. Ein GGF einer GmbH ist kein Arbeitnehmer i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG. Handelt es sich jedoch um einen Minderheitsgesellschafter, so gilt er als – einem Arbeitnehmer versorgungsrechtlich gleichzustellender – sogenannter Nichtarbeitnehmer i.S. des Satzes 2 dieser Vorschrift […] . Dagegen fallen in einer Kapitalgesellschaft geschäftsführende Gesellschafter mit einer nicht unbedeutenden Beteiligung, sofern sie entweder allein oder zusammen mit anderen Geschäftsführern oder Vorstandsmitgliedern über die Mehrheit verfügen, in aller Regel nicht unter den Schutzbereich des Gesetzes.“

 

Das BGH-Urteil vom 24. Juni 2015 – IV ZR 411/13 – findet sich hier.

 

Vorinstanz war der 9. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg mit Urteil vom 28. November 2013.

 

 

 

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