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Kassandra – Die kommentierte Presseschau zur bAV:

Was von der Aktienrente übrig blieb …

Unregelmäßig freitags bringt LEITERbAV eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: Reine Beitragszusage bei den Freien Berufen, wie Geringverdienerinnen in Berlin um ihre bAV kämpfen, was die Asset-Klasse Real Estate so ambivalent macht, wieso Kassandra zu pessimistisch ist – und mehr …

Heute wieder eine kommentierte Presseschau auf LEITERbAV – mit teils neuen Beiträgen, aber auch teils mit Bezug zu älteren, die bereits auf LEITERbAV Dynamics gepostet worden sind, wo Kassandra in diesen Monaten bevorzugt ihr Unwesen treibt.

FachkräfteRente (im Februar): Das neue Modell der betrieblichen Altersversorgung in den Freien Berufen.“

Ob und wie die Mitarbeiter bei Freien Berufen in den Genuss der bAV des Sozialpartnermodells kommen können, wird schon seit längerem diskutiert. Nun kommt weiter Bewegung in die Sache:

Immerhin haben relevante Stakeholder aus der Sphäre der Freiberuflichen nun schon eine gemeinsame Internetpräsenz, die bereits relativ weit gediehen ist – was wiederum bedeutet, dass man sich sektorübergreifend schon recht einig sein muss; angesichts unterschiedlicher Verbände aus unterschiedlichen Welten ist das keine Kleinigkeit. Die Sache scheint von dieser Seite her aufs Gleis gesetzt.

Doch wie dem auch sei, ohne die Politik und ihren Dialog geht nichts, denn noch hemmt das Einschlägigkeitserfordernis des Tarifvorbehalts den Einbezug der Mitarbeiter von Anwälten, Ärzten & Co. Übrigens gab es diese Woche eine erste Anhörung im BMAS, bei der auch dieses Thema auf der Tagesordnung stand. Und wenn die Politik das tatsächlich schnell über die Bühne bekommen sollte, braucht es immer noch einen Tarifvertrag, auf den alle aufsatteln können. Jedenfalls kann man angesichts der geringen Verbreitung der bAV in diesem Bereich die Initiative nur begrüßen.

 

BILD (23. Februar): „Bürgermeister-Poker in Berlin: Giffey kämpft auch um Pensions-Millionen.“

Dauerthema Geringverdiener-bAV zum ersten. Hier ein prominenter Fall:

Wie die BILD nachvollzieht, geht es im Aftermath der neulichen Berlin-Wahl auch für Franziska Giffey am Ende um sehr, sehr viel Geld (und es kommt laut Artikel am Ende vielleicht sogar auf ihre Verhältnis zur Berliner CDU an).

Giffey (die früher ja sogar einen Dr.-Titel geführt hat, jetzt aber nicht mehr, und deshalb vor der Zeit ihr Amt als Bundesministerin niederlegen musste) könnte die Millionen, von denen hier berichtet wird, vermutlich gut brauchen. Denn ihr Ehemann, der sich wegen Betruges vor Gericht verantworten musste, ist 2020 aus dem Beamtenverhältnis geflogen und musste auch noch 10.000 Euro Geldauflage zahlen, um das Strafverfahren abzuwenden, wie u.a. der Tagesspiegel seinerzeit berichtete.

Hier eine kassandrische Prognose, wie es in Berlin politisch weitergehen wird.

1.: Es wird keine CDU-geführte Regierung in Berlin geben, sondern die Wahlverlierer-Koalition R2G wird weiterregieren. Viel zu viele Parteigänger futtern seit viel zu vielen Jahren an viel zu vielen öffentlichen Trögen, als dass man dort die Segel streichen könnte.

2.: Da Grüne und SPD praktisch gleichauf liegen, wird man vermutlich eine Rotationslösung wählen: Giffey bleibt zwei Jahre Regierende, die Grünen-Chefin wird bspw. Innensenatorin. Nach zwei Jahren werden die Rollen getauscht.

3.: Schöner Nebeneffekt für Giffey: Die grüne Kollegin kann dann direkt über ihre Pension unter Anrechnung ihrer Zeit als Bundesministerin entscheiden, und sie muss hier nicht auf das Wohlwollen der CDU hoffen.

WinWin für alle. Außer für die CDU natürlich. Und für Berlin natürlich. Und die Steuerzahler natürlich.

Jedoch geht der Trend in die völlig andere Richtung: Zunehmend konkreter ist die Rede davon, dass Giffeys SPD mit der CDU koalieren wolle. Das glaubt Kassandra erst, wenn der Koalitionsvertrag unterschrieben ist. Bis dahin klingt das alles nach Alibi-Verhandlungen, die man bewusst scheitern lassen könnte. Denn spieltheoretisch liegt die dominante Strategie für Grüne und SPD auf der Hand: Miteinander können beide Seiten auf Augenhöhe regieren, v.a. mit den entsprechenden Posten im kassandrischen Rotationsmodell. Mit der Union wäre beide über die gesamte Legislatur nur Juniorpartner. Nun, man wird sehen.

 

Die Welt (24. Februar): Patricia Schlesinger klagt auf Ruhegeld: Ex-Intendantin will über 18.000 Euro pro Monat vom RBB.“

Dauerthema Geringverdiener-bAV zum zweiten. Hier ein weiterer prominenter Fall, ebenfalls aus Berlin:

Wie u.a. Die Welt berichtet, klagt die beim RBB fristlos entlassene Ex-Intendantin Patricia Schlesinger auf ein Ruhegeld in Höhe von gut 18.000 Euro. Pro Monat übrigens. Leider finden sich in der Presse keine Informationen, wie die beiden streitenden Parteien hier mit 16er, 15%-Zuschuss und Doppelverbeitragung umzugehen gedenken. Sicher: Der § 100 EStG dürfte hier nicht zur Anwendung kommen.

Man mag von dem Kampf der Geringverdienerin um ihre bAV halten, was man will, von angemessen bis unappetitlich ist in der LbAV-Leserschaft wohl alles dabei. Aus redaktioneller Sicht ist jedenfalls zu hoffen, dass der RBB hier hart bleibt. Denn beizeiten ein Fall „Patricia S. gegen die Anstalt R.“ vor dem Dritten Senat in Erfurt – das hätte doch was!

Doch aller Wahrscheinlichkeit wird das herauskommen, was dort immer herauskommt: kein Streit, keine ordentliche Auseinandersetzung – sondern ein generöser Vergleich. Die verantwortlichen Entscheider dort sitzen mittelbar oder unmittelbar alle am gleichen Trog. Oder wie man in Köln sagt: Ma kännt sisch, ma hillft sisch.

 

Focus (1. März): „Plätze für mehrfach traumatisierte Schutzbedürftige – Berliner Kirchenstift wirft 110 Senioren raus – und bringt dafür Geflüchtete unter.“

Real Estate ist die derzeit ambivalenteste und spannendste Asset-Klasse überhaupt:

Einerseits steigende Zinsen, angespannte Finanzierungslage, Kaufzurückhaltung und vor allem die strenger werdende Regulierung, namentlich in Bezug auf energetische Sanierungspflichten, aber absehbar auch beim Mieterschutz.

Andererseits mit dem dynamischen Bevölkerungswachstum eine jeden Tag enorm drängendere Knappheit besonders bei Wohnimmobilien, mittelbar aber auch bei der ohnehin veralteten Infrastruktur, einhergehend mit weniger Neubauten. Und in diesem Zusammenhang auch staatliche Förderung – im Sinne von Subventionen.

Kassandra wird seit Jahr und Tag nicht müde zu mahnen, dass die Wohnungsfrage für die deutsche Politik zu einem der dominanten Überthemen werden wird (weitere denkbare Kandidaten sind übrigens Inflation/Geldpolitik, Energieversorgung, De-Industrialisierung sowie möglicherweise gar Krieg und Frieden, alles auch in Wechselwirkung miteinander), hinter dem so kleine Politikfelder wie die bAV fast vergessen werden könnten.

Haupttreiber für die Zuspitzung der Wohnungsfrage ist wenig überraschend die Migration (Stichwort „90 Millionen“). Und erst vergangene Woche hatte Kassandra darauf hingewiesen, dass Migration immer und überall ein äußerst dynamisches und von sehr starken Motivationen getriebenes Phänomen ist – und damit auch politisch nur mit einem gerüttelt Maß an Konsequenz und Entschiedenheit gesteuert werden kann.

In Deutschland häufen sich dieser Tage alarmistische Artikel und Wortmeldungen der auf lokaler Ebene für den Umgang mit der Migration politisch verantwortlichen Landräte, ebenso häufen sich Nachrichten über immer knapper werdende Unterbringungsmöglichkeiten. Das heißt aber noch lange nicht, dass hier in Deutschland ein echter Wunsch bestünde, mäßigenden Einfluss auf die Migration zu nehmen, wie wir sie heute sehen. Ungeachtet dieser Meldungen sind Politik und Gesellschaft einig, an der Willkommenskultur keine Abstriche zu machen – anders als im übrigen Europa (und daher ist jedes Gerede von einer „europäischen Lösung“ seit Jahren nichts anderes als eine immerwiederkehrende Chimäre. Deutschland steht vor der Frage, wie es mit der Entwicklung umgehen will, allein).

Oben verlinkt nun in Zusammenhang mit dem Gesagten ein besonders pikanter Fall. Unverhohlen in dem Artikel dabei, dass bei der Entscheidung der frommen Immobilieneigentümer der Aspekt der staatlichen Förderung angeblich eine signifikante Rolle gespielt haben solle.

Man kann, je nach politischen Blick auf die Dinge, dieser Entwicklung und solchen damit einhergehenden Erscheinungen kritisch (wohl nur eine kleine Minderheit der Deutschen) oder positiv (wohl die große Mehrheit) gegenüberstehen; jeder ganz nach seinem Gusto. Doch klar ist für alle Investoren, dass die Entwicklung der Migration einer der wesentlichen Parameter ist, wie sich die ambivalente Asset-Klasse Real Estate weiter entwickelt. Und wie gesagt: Wir stehen erst am Anfang.

 

Die Welt (2. März): „Die Inflation ist gekommen um zu bleiben.“

Langsam aber sicher, nachdem sogar EZB-Schnabel vor der Inflation warnt, setzten sich in der deutschen Öffentlichkeit Erkenntnisprozesse durch. Reichlich spät. Wie heiß es bei Kassandra schon vor sechs Jahren, noch zu Draghis Zeiten:

Wer mit der Inflation flirtet, wird irgendwann von ihr geheiratet.“

(Und schon damals war die Raffinesse deutscher Industriepolitik der Kröte Lieblingsthema).

 

WiWo (27. Februar): Rettet die Aktienrente!“

Dass auf diesen Seiten der FDP-Plan einer echten Aktienrente-Komponente in der GRV nach schwedischem Vorbild im Deutschland des 21. Jahrhunderts als Lächerlichkeit ins Reich der irrationalen Chimären verweisen worden ist, dürfte der LbAV-Leserschaft bekannt sein. Doch ist Kassandra mit dieser Haltung weitestgehend allein? Es ist jedenfalls bemerkenswert, wie sehr in deutschen Medien hier offenbar immer noch angenommen wird, dass in Sachen Aktienrente etwas Substantielles entstehen könnte. Die WiWo schreibt:

Geht’s noch? Der Plan einer Kapitalkomponente in der gesetzlichen Rente droht vor dem Start zu scheitern.“

Ja, WiWo, geht’s noch?

 

N-tv (1 März): Schuldenberg von 2,1 Billionen – Bundesrechnungshof fürchtet Kontrollverlust.“

Hier ein schöner Beitrag für alle, die diese Presseschau samt ihrer steten Mahnung vor der erst am Anfang stehenden Multi-Problemlage Deutschlands der Entwicklung für zu pessimistisch halten.

Aber: 2,1 Bio Schulden? Deutschland? Dann wären unsere Probleme eher klein. Man sollte schon richtig rechnen, erst recht wenn Deutschland als einer der wenigen Staaten überhaupt seine QE-Schulden ernsthaft bezahlen will.

 

Merkur (16. Februar): „Überalterung in Japan: Yale-Professor schlägt Rentnern „‘Massen-Selbstmord’ vor.“

Das, was dieser „Wissenschaftler“ hier erzählt, ist natürlich dumm, geschmack – und pietätlos.

Aber: Es würde nicht überraschen, wenn es im Laufe der nächsten Jahre bzw. Jahrzehnte in den westlichen Gesellschaften, in denen die Menschen zunehmend versingeln, vereinsamen, vergreisen und in denen die Sozialsysteme, namentlich die Renten- und Krankenversicherungssysteme, unter immer stärkeren Druck von verschiedenen Seiten geraten, die Möglichkeiten für ältere Menschen, sich auch ohne harte medizinische Indikation für den Freitod zu entscheiden, zunehmend liberalisiert werden.

Das sei hier mal ganz ohne ethische Wertung nur schlicht prognostiziert.

 

OFF TOPIC – TO WHOM IT MAY CONCERN

Die Welt (1. März): „Auch das FBI geht jetzt von Laborunfall in China als Ursprung von Corona aus.“

Für Kassandra bestand nie ein Zweifel, dass die Laborthese – und zwar nicht nur in ihrer akzidentieller, sondern ausdrücklich auch ihrer intentionalen Variante – ein äußerst plausibles, ernstzunehmendes Szenario der SARS-CoV-Pathogenese ist. Nur war es bis vor wenigen Monaten regelrecht gefährlich, dies öffentlich zu äußern; schon im Privaten war es gewagt, und nicht selten erntete man regelrechte Aggression.

Unter anderem im Mai 2020 hat Kassandra es trotzdem gewagt, ein wenig defensiv zwar, aber für Denkende doch verständlich. Mehr Offenheit war damals nicht drin, wollte man nicht den ökonomischen Selbstmord riskieren.

Mehr zu dem zur heutigen Headline anregenden Kulturstück findet sich hier.

Kassandra bei der Arbeit.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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