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Wiesbadener Gespräche zur bAV 2018:

„Was nicht auf der Kapitalanlagenseite verdient wird…

…kann auf der Leistungsseite nicht ausgegeben werden.“ Am 7. Februar trafen sich Rechtsexperten in Wiesbaden und sprachen – über das BRSG, über das Sozialpartnermodell, über höchstrichterliche Entscheidungen und mehr. Nils Börner war dabei.

 

 

Des Weiteren gilt: „Was nicht als Provision für Vertrieb, Dividende für Aktionäre und Kosten für die Verwaltung ausgegeben wird, landet in der Rente.“ Ausgehend von diesen Grundsätzen stellte Marco Herrmann, Abteilungsleiter für Strategie, Recht und Kommunikation beim BVV Versicherungsverein des Bankgewerbes a.G., die Überlegungen der gemessen am verwalteten Vermögen größten deutschen Pensionskasse zum Betriebsrentenstärkungsgesetz im Rahmen der Wiesbadener Gespräche zur bAV 2018 dar – dazu später mehr.

 

Die Wiesbadener Gespräche zur bAV, ausgerichtet von der auf Fragen des Rechts der bAV sowie des Arbeitsrechts spezialisierten Kanzlei Förster & Cisch, fanden wieder vor den Toren Wiesbadens im pittoresken Anwesen der Domäne Mechtildshausen statt. Unter dem Thema „Umbruchjahr 2018 – Chancen und Entwicklungen in der bAV“ tauschten sich Referenten und Teilnehmer zu den ersten Erfahrungen mit dem BRSG genauso aus wie mit weiteren aktuellen Entwicklungen in der einschlägigen betriebsrentenrechtlichen Rechtsprechung.

 

 

VW: Derzeit keine Notwendigkeit für die Einführung einer rBZ

 

Johannes Teslau, Leiter Grundsätze bAV und Zeit-Wertpapier bei der Volkswagen AG, gab den Teilnehmern einen Einblick in die Sichtweise eines großen Industriearbeitgebers auf das BRSG. Er betonte dabei, dass es sich hierbei nicht um die Sicht der Volkswagen AG handele, sondern Überlegungen eingeflossen seien, wie unterschiedlichste Arbeitgeber mit mehr oder weniger typischen Ausrichtungen in der bAV sich zum BRSG und den darin enthaltenen Neuregelungen positionieren könnten. Nichtsdestotrotz gewährte Teslau immer wieder Einblicke und Überlegungen der VW AG im Hinblick auf das BRSG. Er erklärte insoweit, dass die im Rahmen der derzeit auch bei der VW AG vorherrschenden Direktzusage übernommenen Risiken beherrschbar seien und auch daher derzeit keine Notwendigkeit dafür gesehen werde, eine reine Beitragszusage einzuführen. Gleichwohl beobachte man das Marktumfeld aufmerksam und gespannt.

 

Johannes Teslau, VW, auf der Tagung der Förster & Cisch am 7. Februar in Wiesbaden.

Insofern habe die VW AG sich zunächst für ein „weiter wie bisher“ entschieden und lediglich Optimierungen beispielsweise im Bereich der Entgeltumwandlung beschlossen. Dies läge auch daran, dass die gegenwärtige Versorgung durch Entgeltumwandlung im Wege der Direktzusage nach wie vor höher sei als eine Entgeltumwandlung im Sinne des BRSG mit einem 15%-Zuschuss des Arbeitgebers.

 

Zu dem von Teslau angeschnittenen Thema „automatische Entgeltumwandlung“ blieb offen, ob trotz des Abschlusses eines (Haus-)Tarifvertrags zwischen Arbeitgeberverband bzw. Arbeitgeber einerseits und Gewerkschaft andererseits es dennoch notwendigerweise zum (ggf. fingierten) Abschluss einer Entgeltumwandlungsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kommen müsse.

 

 

SPM: Sicherheits- oder chancenorientiert

 

Zur Umsetzung des BRSG aus der Perspektive einer Versorgungseinrichtung sprach wie oben erwähnt Marco Herrmann. Dabei stellte er nicht nur die Grundzüge eines überraschend knappen Entwurfs eines Mustertarifvertrags für das Sozialpartnermodell vor, sondern führte auch gleich zwei Varianten an, wie ein mögliches Produkt zur reinen Beitragszusage aus Sicht des BVV ausgestaltet sein könnte.

 

Eine eher sicherheitsorientierte Ausgestaltung im Durchführungsweg des Pensionsfonds könnte sich beispielsweise einer Rückdeckung gegen laufenden Beitrag durch eine Pensionskasse bedienen, um hierdurch die Änderungen zur „bewährten Welt“ gering zu halten, einen Sicherungsbeitrag ggf. überflüssig zu machen und dennoch die Möglichkeit der Enthaftung für den Arbeitgeber zu schaffen.

 

Ein chancenorientiertes Produkt könnte hingegen ein Sondervermögen vorsehen, um mit diesem dann aufgrund der für den Pensionsfonds weniger reglementierten Anlagemöglichkeiten höhere Renditechancen fruchtbar zu machen.

 

 

Garantieanpassung auch für den Altbestand möglich

 

Theodor B. Cisch, Förster & Cisch.

Mit dem Vortrag von Philipp A. Lämpe, Rechtsanwalt bei Förster & Cisch, verließ die Veranstaltung den Themenbereich des BRSG und widmete sich der nicht minder spannenden Frage, ob die Einführung einer Garantieanpassung i.S.v. § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG auch für den Bestand zulässig ist.

 

In diesem Zusammenhang stellte Lämpe zunächst Entscheidungen des BAG aus dem Jahr 2011 (3 AZR 282/09 u.a.) vor, in denen die Rechtsprechung der Einführung einer 1% Anpassung durch eine Neuordnung, deren einziger Regelungsgegenstand die Veränderung des Anpassungsregimes war, eine Absage erteilte. Hinsichtlich der Fragestellung, ob diese Rechtsprechung auch dann gelte, wenn die Umstellung der Anpassung von § 16 Abs. 1 auf § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG nur Teil einer Neuordnung sei, welche im Übrigen auch die Rentenformel und somit Grund und Höhe der Leistung verändere, trug er gleich mehrere Gründe vor, welche gegen die Übertragbarkeit der BAG-Rechtsprechung streiten. Er verwies in diesem Zusammenhang auch auf eine Entscheidung des LAG Baden-Württemberg vom 12.05.2017 – 7 Sa 9/16, welches sich der von Förster & Cisch vertretenen Auffassung angeschlossen und die Einführung einer Garantieanpassung im Bestand für rechtmäßig erachtet hat. Die hiergegen eingelegte Revision wird voraussichtlich im Jahr 2019 zu einer Entscheidung des BAG zu dieser u.U. äußerst praxisrelevanten Frage führen.

 

 

Spannende Entscheidungen des BAG im 1. Halbjahr 2018 erwartet

 

Zum Abschluss der Veranstaltung gab RA Cisch den Teilnehmern einen Ausblick auf die im 1. Halbjahr 2018 anstehenden Entscheidungen des BAG, welche z.B. möglicherweise hinsichtlich immer noch gebräuchlicher Altersabstandsklauseln eine Positionierung von grundsätzlicher Bedeutung für diese Thematik und damit die bisher für zulässig erachteten Grenzen verschieben könnte (BAG Verhandlung am 20.02.2018 – 3 AZR 43/17)

 

Darüber hinaus erwähnenswert seien Entscheidungen zu Fragen der gesetzlichen Insolvenzsicherung hinsichtlich der Einstandsverpflichtung des Arbeitgebers bei Pensionskassenzusagen einerseits (BAG 3 AZR 142/16) und der Reichweite des Missbrauchstatbestandes des § 7 Abs. 5 S. 3 BetrAVG im Hinblick auf rechtskräftige arbeitsgerichtliche Entscheidungen über die Anpassungsverpflichtung von Versorgungsschuldnern andererseits.

 

 

2019: Wiesbadener Gespräche wieder am Mittwoch vor Weiberfastnacht

 

Auch im Jahr 2019 werden die Wiesbadener Gespräche wie üblich am Mittwoch vor Weiberfastnacht, mithin am Mittwoch, den 27. Februar 2019, stattfinden und dann gut ein Jahr nach Einführung des BRSG die ersten Erfahrungen aus der Praxis zu beleuchten.

 

 

Der Autor ist Rechtsanwalt und Gesellschafter der Förster & Cisch Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.

 

Von ihm bzw. anderen Autoren der Förster & Cisch erschienen zwischenzeitlich auf LEITERbAV:

 

Wiesbadener Gespräche zur bAV 2018:

Was nicht auf der Kapitalanlagenseite verdient wird…

von Dr. Nils Börner, Wiesbaden, 19. Februar 2018

 

Von Erfurt nach Luxemburg (I):

Vier Fragen und ein steiniger Weg

von Theodor B. Cisch und Philipp A. Lämpe, Wiesbaden, 6. Juni 2018

 

Wiesbadener Gespräche zur betrieblichen Altersversorgung 2019:

Wenn einer eine Reise tut …

von Philipp A. Lämpe, Wiesbaden, 13. März 2019

 

Von Erfurt nach Luxemburg (III):

Anderer Fokus

von Theodor B. Cisch und Philipp A. Lämpe, Wiesbaden, 21. Mai 2019

 

Wiesbadener Gespräche zur bAV 2020:

Angebots-Obligatorium, Markttrends und …

von Dr. Nils Börner, Wiesbaden, 12. März 2020

 

Risiken für die bAV durch das Gesetz für faire Verbraucherverträge:

Am seidenen Faden des Verbraucherschutzes

von Theodor B. Cisch und Dr. Nils Börner, 19. April 2021

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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