Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Die aba neulich in Königswinter (III):

Von Vaus und Feldberg

Heute weitere Berichterstattung auf LEITERbAV zu den vielen Pensions-Tagungen in diesem September – mit dem dritten Teil zu der aba-Tagung Fachvereinigung Pensionskassen: von bAV-Internetportalen und säulenübergreifender Renteninformation. Für LEITERbAV berichtet Caroline Braun.

 

 

Neben den bereits auf LEITERbAV auszugsweise dokumentierten Vorträgen Dietmar Kellers von der BaFin zur Umsetzung der EbAV-II-RL und Bayers Stefan Nellshen zur europäischen Regulierung waren weitere Themen der aba-Tagung der Fachvereinigung Pensionskassen am 11. September in Königswinter die von der Bundesregierung geplante säulenübergreifende Renteninformation, ein Praxisbeispiel zur Digitalisierung in Form eines die HR-Prozesse integrierenden Internetportals, die aktuelle Rechtsprechung zu Pensionskassen sowie die Kapitalanlage in der Niedrigzinsphase. Heute Berichterstattung zu den beiden erstgenannten Themen:

Michael Kutzera: Säulenübergreifende Renteninformation – die vier V‘s

 

Michael Kutzera, Referent im BMAS, berichtet in seinem Vortrag auf der Tagung von den Fragestellungen, welche die im Koalitionsvertrag vorgesehene Einführung einer säulenübergreifenden Renteninformation in Deutschland mit sich bringt.

 

Nach einem kurzen Blick auf Schweden, Dänemark, die Niederlande und Großbritannien, wo solches bereits in unterschiedlichster Form existiert bzw. eingeführt werden soll, geht Kutzera auf die Ziele der verschiedenen Betroffenen ein. Diese sind für die Verbraucher Information und Transparenz über den eigenen Vorsorgestand und -bedarf, für den Staat nennt er die Erhöhung der Konsumentensouveränität und den Anreiz zu mehr privater Vorsorge, für die Anbieter muss die Bereitstellung der Information mit möglichst geringem Aufwand verbunden sein, hier ist also Standardisierung gefordert.

 

Die aba-Tagung der Fachvereinigung Pensionskassen am 11. September 2018 in Koenigswinter.

 

Schon heute unterliegen die Anbieter aufgrund unterschiedlichster Rechtsvorschriften einer Vielzahl an Informationspflichten. Eine Befragung aus dem Jahr 2015 (Quelle: Alterssicherungsbericht 2016) ergebe jedoch, dass etwa die Hälfte der Befragten nicht in der Lage oder gewillt war, aus den Informationsschreiben zur bAV (korrekte) Angaben zur Höhe der bAV-Anwartschaften in den Fragebogen zu übertragen (bzgl. der gesetzlichen Rentenversicherung sehe es besser aus). Übergreifend sehen danach auch nur etwa 40% der Befragten die bisherigen Informationsschreiben als nützlich für die eigene Vorsorgeplanung an.

 

 

Gesetzliche, bAV, Riester und Basis wohl dabei

 

Wie Kutzera weiter erläuterte, soll die säulenübergreifende Renteninformation, um deutlichen Mehrwert zu liefern, insbesondere den vier V’s – „Vollständigkeit, Verlässlichkeit, Verständlichkeit, Vergleichbarkeit“– genügen. Einbezogen würden voraussichtlich die gesetzliche Rentenversicherung, die bAV sowie Riester- und Basisrenten. Geprüft werden diesbezüglich aber auch z.B. die Beamtenversorgung, Lebensversicherungen, Investmentfonds und Immobilien.

 

Quelle: BMAS. Grafik zur Volldarstellung anklicken.

 

 

Im Fokus des Projektes, so der BMAS-Beamte weiter, stehen zur Zeit umfangreiche Fragestellungen zur Auswahl der Informationen (z.B. nur Alter oder auch Erwerbsminderung und Tod), zur Informationstiefe, zum Einbezug von Steuer- und Sozialabgaben, zur Vergleichbarkeit z.B. von Kapitalzahlungen und Renten, alles auch begleitet von der Frage, inwieweit Haftungsrisiken aus Fehlinformationen oder dem Nichteintritt prognostizierter Anwartschaften bestehen.

 

Die Datenbereitstellung sei zu standardisieren und so zu gestalten, dass eine Vergleichbarkeit der verschiedenen Ansprüche aus allen einbezogenen Produkten besteht. Die Vergleichbarkeit herzustellen, so Kutzera, sei eine der größten Herausforderungen angesichts der Komplexität der Altersversorgung in Deutschland.

 

Neben diesen schon sehr vielfältigen inhaltlichen Anforderungen sind die technischen Fragen der Architektur sowie datenschutzrechtliche Fragen zu klären. Das Design der Plattform muss unter Berücksichtigung des Kenntnisstandes der Nutzer gestaltet werden. Die organisatorischen Rahmenbedingungen, also insbesondere auch die Frage, welche Institution die Plattform betreibt, sowie die legislatorischen Voraussetzungen hierfür müssen geklärt werden. BMAS und BMF lassen mit einem Forschungsvorhaben bis Ende 2018 die konzeptionellen Grundlagen erarbeiten, und das „perfekte Endprodukt“ werde nicht in einem Schritt realisierbar sein. Kutzera betont ausdrücklich auch die Langfristigkeit des Projektes.

 

 

Christian Röhle: Praxisbeispiel zur Integration von HR-Prozessen und bAV-Lösungen

 

Christian Roehle, Hoechster Pensionskasse.

Christian Röhle, Leiter Pensionskassenmanagement & Recht der Höchster Pensionskasse, stellt auf der Tagung ein Praxisbeispiel zur Integration von originär in den Mitgliedsunternehmen angesiedelten HR-Prozessen zur bAV in die Systeme der Versorgungseinrichtung dar. Dies ist zugleich ein Beispiel dafür, wie eine umfassende Digitalisierung von Prozessen sowohl der Versorgungseinrichtung, der Mitgliedsunternehmen als auch den Arbeitnehmern den Umgang mit und das Verständnis für die bAV erleichtern kann.

 

 

1,5 Kilometer weniger Papier

 

Die Höchster Pensionskasse stellte 2010/2011 von Handakten auf die digitale Welt um und baute damit, so Röhle, einen Papierberg in Höhe von ca. 1.500 Metern ab, entsprechend in etwa der Höhe des Feldbergs im Schwarzwald.

 

Die digitale Aktenführung war Voraussetzung und Ausgangspunkt für die weitere automatisierte Verarbeitung und den Einstieg in die elektronische Korrespondenz, die zudem durch die Aufgabe der Schriftform in relevanten rechtlichen Vorschriften (§ 4a BetrAVG) flankiert wurde, erläutert der Jurist.

 

Zur Funktion: Bei dem vorgestellten, mit einem Mitgliedsunternehmen entwickelten Pilotprojekt meldet der Arbeitgeber der Höchster PK den Mitarbeiter mit Recht auf Entgeltumwandlung/Entgeltverzicht, dieser erhält über das als Herzstück des Projektes eingerichtete Onlineportal der Höchster PK eine Email mit Informationen zur notwendigen Legitimation und somit Zugang zum Antragsbereich des Portals. In diesem findet er alle Erläuterungen und Hilfen sowie den eigentlichen Auswahlbereich zur Entgeltumwandlung/zum Entgeltverzicht. Der Arbeitnehmer kann über das Onlineportal aus dem Intranet des Arbeitgebers im Antragsbereich die Vereinbarung direkt abschließen. Sämtliche notwendigen Dokumente einschließlich der Versorgungszusage werden online bereitgestellt. Gleichzeitig zur Höchster PK wird das Mitgliedsunternehmen informiert.

 

 

Post und Telefon bleiben trotzdem

 

Geplanter Start des Systems ist im IV. Quartal 2018. Die Vorteile für den Arbeitgeber liegen in der Optimierung der Geschäftsprozesse zur bAV durch Standardisierung und Automatisierung. Sämtliche Dokumente werden über die Höchster PK zur Verfügung gestellt. Die Arbeitnehmer profitieren von der ständigen Erreichbarkeit und vielleicht auch davon, dass ihr Arbeitgeber Entgeltumwandlungen/Entgeltverzichte im flexibleren Maße zulässt, da diese nicht mehr mit zusätzlichem Verwaltungsaufwand für ihn verbunden sind. Die Versorgungseinrichtung schließlich erwartet neben der Prozessvereinfachung auch eine höhere Kundenbindung und bietet umfassenden Service aus einer Hand.

 

Quelle: Hoechster Pensionskasse. Grafik zur Volldarstellung anklicken.

 

 

Neben diesem rein digitalen Weg werde den Arbeitnehmern weiterhin die klassischen Kanäle zur Höchster PK über den persönlichen, telefonischen oder postalischen Weg offenstehen, betont Röhle. Das Projekt soll nach seiner Implementierung weiter ausgebaut werden und nach Möglichkeit auf weitere Mitgliedsunternehmen und Versorgungssysteme ausgeweitet werden.

 

Caroline Braun, H2B.

Die Autorin ist Aktuarin und Geschäftsführerin der H2B Aktuare GmbH in München.

 

Von ihr bzw. anderen Autorinnen und Autoren der H2B sind zwischenzeitlich auf LEITERbAVerschienen:

 

aba-Tagung Mathematische Sachverständige (II):
Alle für eine
von Korbinian Kolb, 23. Oktober 2022

aba-Tagung Mathematische Sachverständige (I):
Zwischen Hoffnungsschimmer und ...
von Korbinian Kolb, 23. Oktober 2022

Neulich in Berlin – aba-Jahrestagung 2023 (IV):
Zurück zur Sieben?
von Lisa Martin und Sven Scholz , 28. Juni 2023

Neulich in Berlin – aba-Jahrestagung 2023 (III):
Quo vadis, lebenslang?
von Lisa Martin und Sven Scholz , 13 Juni 2023

aba-Tagung Mathematische Sachverständige:
Kostenlose Vertragsprüfung von Amts wegen
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 24. Oktober 2022

Deutschland im Herbst – aba-Mathetagung (III):
Von DRÜ und doppelten Steuern, von Wiki UND IAS 19 ...
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 21. Oktober 2021

Deutschland im Herbst – aba-Mathetagung (II):
De-Risking mit und ohne EBIT-Power
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 19. Oktober 2021

Deutschland im Herbst – aba-Mathetagung (I):
Alte Welten, neue Welten, dritte Quartale
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 15. Oktober 2021

Versorgungsausgleich:
Karlsruhe konkretisiert Karlsruhe …
von Jan Hartloff, 14. Juni 2021

Deutschland im Herbst – aba-Mathetagung (IV):
Rückwirkende Disqualifikation?
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 26. Oktober 2020

Deutschland im Herbst – aba-Mathetagung (III):
Live and let die...
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 21. Oktober 2020

Deutschland im Herbst – aba-Mathetagung (II):
Aktuare pandemiefest
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 16. Oktober 2020

Deutschland im Herbst – aba-Mathetagung (I):
Von 79 Milliarden, Optimisten, Pessimisten …
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 15. Oktober 2020

Neulich in Erfurt:
Altersteilzeit kann Teilzeit sein
von Dr. Günter Hainz, 25. März 2020

aba-Pensionskassentagung in Bonn (II):
Auch rückwirkend Schluss mit Privilegien ...
von Caroline Braun und Günter Hainz, 10. Oktober 2019

aba-Pensionskassentagung in Bonn (I):
Ora live on Stage
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 2. Oktober 2019

81. aba-Jahrestagung in Bonn (III):
Wenn best practices Druck machen…
von Dr. Günter Hainz, 11. Juni 2019

81. aba-Jahrestagung in Bonn (II):
Kaum mehr zu bewerkstelligen“
von Sven Scholz, 28. Mai 2019

Die aba neulich in Königswinter (IV):
Von Einstandspflichten und Portfolios. Und ein Abschied.
von Caroline Braun, 22. Oktober 2018

Die aba neulich in Königswinter (III):
Von Vaus und Feldberg
von Caroline Braun, 15. Oktober 2018

Die aba neulich in Königswinter (II):
Wir brauchen ein bAV-PEPP“
von Caroline Braun, 2. Oktober 2018

Die aba in Königswinter (I):
Der Aktuar in der Funktion
von Caroline Braun, 27. September 2018

BGH zum Versorgungsausgleich:
Was wie zu teilen wäre...
von Jan Hartloff, 24. Mai 2018

BMF-Schreiben vom 30. November 2017:
Auf BFH folgt AIFM folgt BMF
von Dr. Günter Hainz, 7. Dezember 2017

aba-Tagung Fachvereinigung Pensionskassen:
Kein Strom aus der Steckdose
von Dr. Günter Hainz, 17. Oktober 2017

Neues BMF-Schreiben:
Zwischen praktikabel und kompliziert
von Dr. Günter Hainz, 28. September 2017

BGH zum Versorgungsausgleich:
Externe Teilung fondsgebundener Zusagen
von Dr. Günter Hainz, 7. September 2017

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

© Pascal Bazzazi – LEITERbAV – Die auf LEITERbAV veröffentlichten Inhalte und Werke unterliegen dem deutschen Urheberrecht. Keine Nutzung, Veränderung, Vervielfältigung oder Veröffentlichung (auch auszugsweise, auch in Pressespiegeln) außerhalb der Grenzen des Urheberrechts für eigene oder fremde Zwecke ohne vorherige schriftliche Genehmigung. Die Inhalte einschließlich der über Links gelieferten Inhalte stellen keinerlei Beratung dar, insbesondere keine Rechtsberatung, keine Steuerberatung und keine Anlageberatung. Alle Meinungsäußerungen geben ausschließlich die Meinung des verfassenden Redakteurs, freien Mitarbeiters oder externen Autors wieder.