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Podiumsdiskussion auf der Fachtagung der Pensions-Akademie:

Von Sofas …

Übel und Wärme, von Fingern, Firmen und zuviel der Vielfalt – und mehr: Sie liegt zwar schon etwas zurück, soll hier aber gleichwohl nicht fehlen – die jüngste Fachtagung der Pensions-Akademie. Ihr fachliches Herzstück, die Podiumsdiskussion, fasst für LEITERbAV derjenige zusammen, der sie moderiert hat: Andreas Fritz.

9. Februar 2023, Frankfurt am Main, Fachtagung der Pensions-Akademie. Große Themenvielfalt, und hier nur die wichtigsten Statements der Teilnehmer der Podiumsdiskussion (alle Aussagen im Indikativ der Zitierten).

Wachstum, Wärme, bAV?

Einleitend greift Andreas Fritz (Moderator und Autor dieser Zeilen) den Punkt Wachstum auf: „Wachstum und damit einhergehend neue Beiträge in aktuellen Tarifgenerationen sind zur Reduzierung des passivseitigen Verpflichtungszinses zwingend notwendig.“

Das Podium mit Georg Thurnes, Helmut Aden, Oliver Möbs und Moderator Andreas Fritz (v.l.n.r.) und …

Ohne diese Entlastung kann die Kapitalanlage in der heutigen Zeit ihren Aufgaben der Überdeckung der Verpflichtungsseite nicht gerecht werden und nicht nachkommen.

Zusätzlich lenkt der Moderator den Fokus auf die Sichtweise der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer: Diese sehen sich mit der heutigen Inflationsphase konfrontiert – und sich nicht unterstützt durch einen Tarif- oder Garantiezins in Höhe von 0,25%, durch eine immer größer werdende Auswahl an Produkten oder durch die Entscheidung der Begleichung der Gasrechnung oder die Fortführung bzw. Einführung der eigenen bAV. Dennoch sind auch die gegenwärtigen Fortschritte in der deutschen bAV, insb. die Anhebung der steuerlichen Freigrenzen sowie der obligatorische Arbeitgeberzuschuss herauszustellen.

Weniger ist mehr!

Georg Thurnes, Inhaber der ThurnesbAV GmbH und Vorstandsvorsitzender der aba, beschreibt die betriebliche Altersversorgung heute als zu kompliziert und mit heute bereits vielen Gestaltungsoptionen versehen. Gerade deshalb braucht es insb. keinen öffentlich verwalteten Fonds oder ähnliches, worüber die Regierung gerade sinniert. Ein solches Produkt, auch in der dritten Säule, würde negativ auf die bAV ausstrahlen.

 

 

Der Kunde ist zunächst der Firmenkunde.“

 

 

Finger weg von Alternativen, die die Welt der Altersversorgung noch komplizierter machen“: Die Menschen sollten die steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Hintergründe ihrer Altersvorsorge verstehen können. Die bAV muss kompatibel einhergehen mit den Veränderungen der Arbeitswelt und der Kapitalmärkte und daher flexibel anpassbar sein, so Thurnes weiter.

Der Kunde firmiert!

Helmut Aden, Vorstand des BVV und Vorstandsvorsitzender des VFPK: „Der Kunde ist zunächst der Firmenkunde.“ Dazu formuliert Aden aus, dass die Arbeitgeber bereit sein müssen, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu versichern und dazu Geld in die Hand zu nehmen. Entgeltumwandlung könne beim Ziel einer flächendeckenden bAV nur ein zusätzlicher Service sein.

Die bAV laboriert in Deutschland immer noch an den Folgen der Sofa-Beratung durch die Pensionskassen der Lebensversicherer, die die gesetzliche Einführung des Rechtsanspruches auf Entgeltumwandlung Anfang des Jahrtausends nutzten, ihre bAV-Produkte direkt beim Endverbraucher zu platzieren. Die klassische bAV geht auf den Firmenkunden zu und gestaltet bAV so obligatorisch und so arbeitgeberhaftungsfrei wie möglich.

Halt sie fern!

Oliver Möbs, Leiter Vertrieb & Marketing der Heubeck AG, reflektiert eingangs auf das Kernziel der bAV: „Kernziel des BRSG war die Verbreitung der bAV.“ Diese ist das erste Mal auch mit einem kleinen Obligatorium versehen worden – mit zwei erfolgreichen Triggern, dem obligatorischen Arbeitgeberzuschuss und der Geringverdienerförderung. Mit Blick auf die Komplexität fordert Möbs Anbieter und auch Arbeitgeber auf, diese von den Berechtigten fernzuhalten. Der somit entstehende Distanzabbau fördert das Vertrauen in die bAV.

 

 

bAV muss sexy sein“

 

 

Aden stellt die Frage nach der Attraktivität der bAV in den Raum. Weiter berichtet er über Kontaktaufnahmen zu Start-Ups und deren nichtvorhandenem Blick auf die Versorgung im Alter, der gesamtgesellschaftlich in den Betrachtungshorizont zu rücken sei. Dazu Thurnes: „bAV muss sexy sein“, – so dass die heutigen Generationen sich wahrgenommen fühlen und bAV für ihre Vorsorge als hilfreich ansehen.

No Beitrag, no Leistung!

Der Moderator leitet in den zweiten Punkt „Beitragsstabilität“ über, der naturgemäß der erste und vielleicht wichtigere Punkt in Hinblick auf Wachstum von Versorgungseinrichtungen ist.

Möbs dazu: „Ohne Beitrag keine Leistung,“ und er stellt die Frage nach der Herkunft der Beiträge. Diese werden im besten Fall über die gesamte Erwerbsbiografie geleistet, so dass eine auskömmliche Leistung produziert werden kann. Die Beiträge, falls diese nicht aus einem Obligatorium entstehen, könnten z.B. aus Einkommenszuwächsen kommen, wenn diese nicht ausschließlich zur Anpassung von Entgelten, sondern auch zum Aufbau oder zum Aufstocken der bAV genutzt werden. Als eine ähnlich fokussierte Entwicklung zeigt Möbs die bisherige Genese der tariflichen Altersversorgung in der Chemie auf, in der heute erkleckliche Beiträge für die Chemie-Arbeitnehmerschaft zur Verfügung stehen.

They ever come back?

Für Thurnes bietet es sich an, die Umsetzung einer bAV bereits in den Arbeitsverträgen zu verankern. Arbeitgeber scheuen unkalkulierbare Beiträge. In diesem Zusammenhang wagt der Aktuar einen Blick in die gut kalkulierbare Zukunft: „Wir werden eine Renaissance von Leistungszusagen erleben, zumindest für bestimmte Berufsgruppen!“

Der Moderator stellt in den nächsten Punkt überleitend die Frage nach der Wiedererkennung des Arbeitgebers durch sein individuelles bAV-Modell, insb. wenn diese entfällt und der Arbeitgeber reduziert wird auf das Abführen von Beiträgen. Thurnes erinnert hier an die Vorstellung des BMAS, nach der es in Zukunft lediglich drei bis vier Sozialpartnermodelle geben wird.

 

 

Kosten in der Verwaltung spielen eine untergeordnete Rolle.“

 

 

Aden stellt fest, dass die bAV häufig als finanzielle Belastung wahrgenommen wird, um die nicht ausreichende gesetzliche Rente aufzustocken, und führt damit zurück auf seine Eingangsfrage, welches der ursprüngliche durch den Staat zu fördernde Weg und dessen Intention sei. Möbs hingegen sieht auch in dem reinen Bereitstellen und Abführen der Beiträge ein Arbeitgebermarketinginstrument.

Wo es Geld kostet?!

Der Moderator wagt dann den holprigen Übergang auf die Rolle des Kostenanteils bezüglich der Verbreitung der bAV. Aden dazu: „Kosten in der Verwaltung spielen eine untergeordnete Rolle.“ Vielmehr sind die Vertriebskosten und die Kosten im Asset Management die entscheidend negativ wahrgenommenen Kostenanteile. Den Grund erläutert Aden: Die Kosten der Verwaltung sind in der jüngeren Vergangenheit insb. durch die Digitalisierung bereits optimiert und entsprechend reduziert.

Möbs sieht dabei das Kostenvergleichsthema im Auswahlprozess zwischen Anbietern an immer mehr an Bedeutung gewinnen. Thurnes betont die Bedeutung der Kosten v.a. dann, wenn diese direkt zu Lasten der Leistung gehen. Die Befragung der EbAV bezüglich der Kostenanteile geht nicht konform mit dem Ausbleiben der gleichen Fragestellung bei Anbietern von Lebensversicherungen, ergänzt Thurnes.

Mischen impossible?

Dann ruft Fritz den letzten Punkt „private Altersvorsorge“ auf – mit den Worten: „Wir sehen gerade eine Säulenvermischung zwischen zweiter und dritter Säule“ und fragt nach den Meinungen zum Aufbau der Fokusgruppe Altersvorsorge. Die Haltung der drei Experten:

 

 

Der Beitrag kann nur einmal ausgegeben werden.“

 

 

Thurnes: „Wir brauchen keinen öffentlich verwalteten Fonds sondern eine klare und verständliche Förderung der betrieblichen Altersversorgung.“

… und das Publikum auf der Fachtagung der Pensions-Akademie im Februar 2023.

Aden: „Insbesondere die Grundsätze der Kalkulation laufen in den beiden Säulen identisch. Die Unterscheidungen finden in der steuerlichen Förderung sowie in den Vertriebswegen und Kundenzugängen statt.“

Möbs: „Der Beitrag kann nur einmal ausgegeben werden. Ein Wettbewerb zwischen den Säulen wäre nicht gutzuheißen.“

Der Autor ist Vorstand der Pensionskasse für die Deutsche Wirtschaft VVaG.

Von ihm und anderen Autorinnen und Autoren der PKDW sind zwischenzeitlich bereits auf LEITERbAV erschienen:

Podiumsdiskussion auf der Fachtagung der Pensions-Akademie:

Von Sofas ...

von Andreas Fritz, 30. März 2023

 

Unternehmensliquidation und bAV:

Achtung, Liquidator!

von Tanja S. Hahlen und Andreas Fritz, 2. August 2022

 

Von fehlender Nachvollziehbarkeit, Angst, Wettbewerbsverzerrung und mehr...

Cornelia Rütters, Ina Niebur und Andreas Fritz; Duisburg, 3. Dezember 2019

 

Entgeltumwandlung 2.0: Insolvenzschutz einmal anders

Cornelia Rütters und Andreas Fritz; Duisburg, 18. August 2016

 

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Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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