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81. aba-Jahrestagung in Bonn (I):

Von Lichtjahren, Mut und Herzblut … und mehr

Die Berichterstattung auf LEITERbAV zu den aba-Foren Arbeits- und Steuerrecht ist gerade abgeschlossen, die zu der bAV-Handelsblatt-Tagung noch nicht komplett, da folgt mit der Jahrestagung der aba der schon der nächste Veranstaltungsbrocken. Nur einige der Vorträge des ersten Konferenztages dokumentiert LEITERbAV – wegen der Dichte der Informationen im schnellen Stakkato-Stil.

 

Am Dienstag in Bonn am Rhein: mehr als 700 Teilnehmer auf der 81. aba-Jahrestagung. Eingangs spricht der alte Chef der Arbeitsgemeinschaft, am Ende des Tages der neue. Doch der Reihe nach:

 

Heribert Karch, scheidender aba-Vorstandsvorsitzender sowie Chef der Metallrente: Trend völlig unzureichend

 

Vor seinem Vortrag spielt Karch ein Video-Grußwort von NRW-Arbeitsminister Karl Laumann ab, in dem dieser ein Obligatorium androht für den Fall eines weiteren Stagnierens der bAV-Verbreitung.

 

+++ bAV-Verbreitung nimmt zu, sehen klar erste Effekte des BRSG +++ nach zäher Entwicklung mit zusammen nur 500.000 Zusagen 2015-17 nun seit BRSG-Inkrafttreten allein bei DV Plus von 8%, darunter tausende neue Zusagen für Geringverdiener +++ müssen aber ernüchtert abermals feststellen: Trend gemessen an gesellschaftlicher Herausforderung völlig unzureichend +++ Deutschland mit Verbreitung von etwa 56 Prozent Lichtjahre von bis 2030 notwendiger bAV-Verbreitung entfernt +++ bis dahin mit bisherigen Strategien max. 60-70 Prozent machbar +++ andere entwickelte Länder können über D. nur noch den Kopf schütteln +++

Der scheidende aba-Vorsitzende Heribert Karch …

+++ Chance auf nachhaltigen Wandel liegt in möglichst vielen Tarifverträgen, da diese über Nachahmer schubweises Wachstum auslösen +++ jetzt müssen – gerade im Interesse von Geringverdienern – zentrale Fehlanreize, v.a. Doppelverbeitragung und Vollverbeitragung beseitigt werden +++ Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, weit überwiegender Teil der Politik und bAV-Praxis fordern das +++ Gesetzentwurf und Bundesrats-Initiative liegen vor, Krankenkassen haben Reserven +++ alle wollen es, nur die Bundeskanzlerin wohl noch nicht – soll das Richtlinienkompetenz sein? +++

 

+++ Absage an Extrarente als verpflichtende, arbeitgebergestützte Privatvorsorge mit Opt-Out +++ niedrige Kosten kann kollektive bAV auch darstellen +++ aber Extrarente könnte keinen Finanzierungskompromiss herbeiführen +++ brauchen einen Deal mit sozialem Inhalt statt immer neuer Förmchen +++

das Publikum …

+++ Ja zu einer zügigen digitalen Altersvorsorgeinformation +++ wichtig, dass Versorgungseinrichtungen mit dem arbeiten können, was sie schon heute für die Anwärter haben +++ Zusatzaufwand muss gering gehalten werden +++

 

Rolf Schmachtenberg, beamteter Staatssekretär im BMAS: aba unverzichtbar

 

+++ aba für die Politik unverzichtbar +++ freut sich über den Stabwechsel ausgerechnet zu einem Mathematiker +++ Wesenskern der bAV, dass sie freiwillig ist, Obligatorium nur 2nd-best +++ aber Ungeduld der Politik nimmt zu +++ deutsche Altersvorsorgeaufwendungen mit Anteil von 11,8% (davon 2% von Beamten) am BIP im europäischen Vergleich relativ gering, bspw. gegenüber dem in Talkshows in dieser Frage rumgereichten Österreich +++ bis 2030 wird der Anteil der über 65Jährigen von 21,4 auf 26,3% steigen, also um ein Viertel höher, damit werden auch die zugehörigen Vorsorgeressourcen um ein Viertel steigen müssen +++ skeptisch, ob wir für diese Aufgabe der Umverteilung gerüstet sind +++

 

+++ wichtige Entscheidungen bei säulenübergreifender Renteninformation ist, wer was macht, wer die Aufträge vergibt und wer diese erhält +++

Rolf Schmachtenberg, BMAS …

+++ breiter Konsens, dass Selbständige Vorsorgepflicht unterworfen werden sollen +++ mit Opt-out, falls schon verlässliche Vorsorge vorliegend +++ kritische Frage, ob nur neue für Selbständige, für Bestand oder nur bis zu bestimmten Alter +++

 

+++ gesetzliche Rente bleibt Rückgrat +++ wir kommen bei bAV in der Breite derzeit nicht weiter, gerade im Geringverdiener-Segment +++ dort greift die 3. Säule nicht, da keine Mittel +++ doch eben die, um die es besonders geht können v.a. über SPM erreicht werden +++ Doppelverbeitragung: Im System ist durch hohe Beschäftigung eigentlich Luft, wäre schön, wenn wir da weiter kämen +++ Proble: rückwirkende Abschaffung unmöglich, diese aber unberücksichtigt zu lassen, ist politisch schwierig +++ Appell: Machen Sie Betriebsrente für die Schwachen, mit viel Mathematik bekommt man da einiges hin +++

 

Thomas Braun, Bundesministerium für Gesundheit: die Größenordnungen der Doppelverbeitragung

 

+++ im Vergleich zum Steuerrecht ist Doppelverbeitragung in der Sozialversicherung prinzipiell möglich, siehe gesetzliche Rente; durch Rechtsprechung bestätigt +++ Beitragseinnahmen aus Versorgungsbezügen der versicherungspflichtigen sowie der freiwilligen Rentner derzeit jährlich fast sechs Mrd. Euro (2003: zwei Mrd. Euro aus hälftiger Verbeitragung), davon allerdings der Großteil bAV +++ bAV-Bezieher oft wirtschaftlich Leistungsfähige +++ massive Kostenunterdeckung in GKV der Rentner mit weiterhin steigender Tendenz +++ 1973 finanzierten Rentner mit ihren Beiträgen ihre Gesundheitskosten zu gut 70%, 2003 knapp 43% +++ Anzahl Rentner und deren Ausgaben steigen stetig +++ Junge zahlen wesentlich größeren Solidarbeitrag für Alte als vorangegangene Generationen +++ bei Reformmaßnahmen zu bedenken: Ausgleich zwischen der Förderung der bAV und der Generationengerechtigkeit in der GKV notwendig +++

Thomas Braun, BGM …

+++ rückwirkende Aufhebung der Doppelverbeitragung dürfte ausgeschlossen sein +++ Größenordnungen: Rückabwicklung des GKV-Modernisierungsgesetz = Rückzahlungen von rund 40 Mrd. Euro und jährliche Ausfälle ca. drei Mrd. Euro (alle Versorgungsbezüge) +++ Halbierung des Beitragssatzes für die Zukunft = jährliche Ausfälle 2,5 Mrd. Euro nur bAV; für alle Versorgungsbezüge ca. drei Mrd. Euro +++ Umwandlung Freigrenze in Freibetrag (155,75 Euro) = jährliche Ausfälle 1,2 Mrd. Euro + 250 Mio. Euro Pflegeversicherung +++ Erhöhung Freigrenze (von derzeit 155,75 Euro auf 200 Euro) mit Gleitzone bis 350 Euro = jährliche Ausfälle 600 Mio. Euro + 120 Mio. Euro Pflegeversicherung +++

 

Thomas Werner, Abteilung Soziale Sicherung BDA: wider das Obligatorium

 

+++ wir waren gegen Doppelverbeitragung bei Riester und bei privat fortgeführten PK- und DV-Versorgungen +++ sprechen uns gegen „echte“ Doppelverbeitragung aus +++ befürchten, dass eine Halbierung des Beitragssatzes zukünftig nicht gänzlich ohne eine Beitragserhöhung auskäme“ +++

Thomas Werner, BDA …

+++ Referentenentwurf spricht selbst von beitragsrechtlicher Privilegierung von Versorgungsbezügen, also Besserstellung von Betriebsrenten gegenüber anderen Formen der Vorsorge +++ ad Sozialpartnermodell: Tarifparteien sollen mutig vorangehen, auch um möglichem Obligatorium vorzubeugen +++

 

Michael Mostert, Tarifjurist bei der IG BCE: dreifache Verbeitragung

 

+++ „echte“ Doppelverbeitragung hat in unserer Branche weite Verbreitung +++ je nach Konstellation kann man gar von dreifacher Verbeitragung reden +++ Druck der Mitglieder in dieser Frage relativ hoch +++ sprechen uns strikt gegen die 2004 eingeführten Formen der Verbeitragung aus +++

Michael Mostert, IG BCE…

+++ Abschaffung kann aus dem Beitragsaufkommen finanziert werden +++ Umwandlung von Freigrenze in Freibetrag würde nur Teil der Betriebsrentner spürbar entlasten +++

 

Georg Thurnes, neuer Vorstandsvorsitzender der aba und Chefaktuar von Aon in Deutschland: Ausdauer

 

+++ übernimmt im Rahmen derJahrestagung den Vorstandsvorsitz der aba, folgt damit auf Karch, der Vorsitz seit Mai 2011 innehatte +++ stellvertretende Vorsitzende jetzt Richard Nicka (Vice President Benefits BASF SE und Chef BASF Pensionskasse VVaG) und Dirk Jargstorff (Senior Vice President Corporate Pensions and Related Benefits Robert Bosch GmbH und CEO Bosch Pensionsfonds AG) +++

der neue Vorsitzende Georg Thurnes …

+++ Thurnes würdigt Einsatz seines Amtsvorgängers für bAV und Verbesserung ihrer gesetzlichen Rahmenbedingungen +++ „Einsatz mit viel Herzblut und Ausdauer“ insbesondere für Anhebung des Dotierungsrahmens 3.63 EStG und Rahmenbedingungen des SPM +++ „Dein Einsatz hat wesentlich dazu beigetragen, dass BRSG es im Sommer 2017 noch vor den Bundestagswahlen über die Zielgerade geschafft hat“ +++

… und schließlich drei Generationen aba-Vorsitzende. Alle Fotos: Sandra Wildemann.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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