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Anpassungen bei den RTS:

Von Kreuzchen und Doppelungen

Heute auf LEITERbAV etwas formales: Die Europäische Kommission hat wie erwartet einige redaktionelle Versehen bei den Technischen Regulierungsstandards der EU-Offenlegungsverordnung vorgenommen. Die BaFin sieht damit mehr Rechtssicherheit. Und hat für die Praxis direkt Mahnungen parat.

Bekanntlich sind die Technischen Regulierungsstandards (RTS) zur EU-Offenlegungsverordnung seit dem 1. Januar 2023 von den betreffenden Finanzmarktteilnehmern und Finanzberatern anzuwenden.Wie die BaFin nun mitteilt, hat die Kommission der Europäischen Union hat am 27. Dezember 2022 im EU-Amtsblatt eine berichtigte Version der RTS veröffentlicht. Insbesondere in Anhang II hat sie redaktionelle Korrekturen vorgenommen; die Überschrift und das erste Kreuzchen in der folgenden orangenen Box auf „Nein“ korrigiert.

Eine weitere wesentliche Korrektur erfolgte laut BaFin im Anhang III, wo die EU-Kommission eine fälschlicherweise doppelt abgedruckte Frage durch eine bisher fehlende Frage ersetzte. Auch in den anderen Sprachfassungen des Amtsblatts hat die Kommission die Fehler berichtigt. „Rechtzeitig vor der verpflichtenden Erstanwendung der RTS sorgt sie damit für mehr Rechtssicherheit“, so die deutsche Aufsicht.

Die berichtigte Version der RTS zur EU-Offenlegungsverordnung findet sich hier.

Zum Hintergrund: Am 25. Juli 2022 wurden die RTS zur EU-Offenlegungsverordnung als Delegierte Verordnung (EU) 2022/1288 veröffentlicht. Die BaFin hatte bereits kurz danach darauf hingewiesen, dass einige Anhänge der im Amtsblatt veröffentlichten deutschen Sprachfassung redaktionelle Versehen enthalten.

RTS in der Praxis: Indikatoren und Angaben …

Die BaFin in Frankfurt am Main. Foto: Kai Hartmann.

Im Dezember hatte die BaFin in ihrer Hauszeitschrift detaillierter dargelegt, wie die RTS in der Praxis anzuwenden sind, in aller Kürze:

Ziel der EU-OffenlegungsVO ist, dass private und institutionelle Investoren sollen künftig leichter erkennen können, wie nachhaltig die einem Finanzprodukt zugrundeliegenden Investitionen sind.

Die RTS konkretisieren die Anforderungen der Verordnung an die Angaben, wie sich Investitionsentscheidungen des Finanzmarktteilnehmers nachteilig bspw. auf Umwelt, Soziales und Arbeitnehmerbelange auswirken. Insb. geben die RTS Indikatoren vor, mit denen diese Auswirkungen zu messen sind.

Außerdem präzisieren die RTS die Regeln für die Angaben in vorvertraglichen Informationen und regelmäßigen Berichten eines Finanzprodukts. Sie geben detailliert vor, wie diese Angaben auf den Websites dargestellt werden müssen. Zusätzlich legen sie fest, mit welchen Angaben Finanzmarktteilnehmer darstellen sollen, dass die nachhaltigen Investitionen keine Umweltziele oder sozialen Ziele erheblich beeinträchtigen („Grundsatz der Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen“).

Damit erweitern die RTS die Detailtiefe der Offenlegung. Die Idee: zu verhindern, dass sich Anleger bei der Wahl von Finanzprodukten falsche Vorstellungen z.B. darüber machen, in welchem Umfang das Geld in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten fließt.

Templates und rote Ausfüllanweisungen

Damit Investoren trotz der neuen Fülle an Informationen Finanzprodukte schnell vergleichen können, enthalten die RTS standardisierte Vorlagen für die produktbezogenen Offenlegungspflichten. Diese Templates sind in den Anhängen II bis V der Delegierten Verordnung enthalten. Finanzmarktteilnehmer sind verpflichtet, sie für Finanzprodukte zu verwenden, die nach Artikel 8 oder Artikel 9 der Verordnung offenzulegen sind. Die Regel betrifft also Finanzprodukte, die mit ökologischen und/oder sozialen Merkmalen werben oder eine nachhaltige Investition anstreben.

Um das Ziel der RTS – schnelle Vergleichbarkeit – nicht zu gefährden, dürfen diese Templates nicht verändert werden. Die Reihenfolge der Angaben sowie Position, Gestaltung und Text der Fragen an die Finanzmarktteilnehmer, Informationskästchen und Grafiken müssen bei jedem Finanzprodukt gleich sein. Finanzmarktteilnehmer können nur Anpassungen der Templates vornehmen, soweit die roten Ausfüllanweisungen dies zulassen.

Greenwashing-Verdacht mit erheblichem Reputationsrisiko

Die Templates sind sehr umfangreich geworden, schreibt sogar die BaFin. Bspw. umfasst das Template des Anhangs II zu den vorvertraglichen Informationen nach Artikel 8 bereits leer mit Ausfüllanweisungen fünf Seiten. Gleichwohl mahnt die Anstalt ausdrücklich

Die Finanzunternehmen selbst sollten ein großes Interesse daran haben, diesen Spagat zwischen umfassender Transparenz in Sachen Nachhaltigkeit und übersichtlicher Darstellung der Informationen zu meistern. Denn eine zu knappe oder zu stark vereinfachte Darstellung birgt das Risiko, dass zumindest Verbraucherinnen und Verbraucher eine falsche Vorstellung entwickeln – etwa über die Nachhaltigkeitswirkung eines Finanzproduktes. Eine mögliche Folge: ein Greenwashing-Verdacht – mit erheblichem Reputationsrisiko. Anderseits kann eine zu umfangreiche Darstellung nicht ausreichend klar sein und dadurch ebenso zu Missverständnissen führen.“

Was ist überhaupt nachhaltig?

Eine nachhaltige Investition besteht nach der Verordnung bei einer Investition in eine Wirtschaftstätigkeit,

– die zur Erreichung eines Umweltziels oder sozialen Ziels beiträgt

– die keine Umweltziele oder sozialen Ziele erheblich beeinträchtigt und

– deren Zielunternehmen Verfahren einer guten Unternehmensführung anwenden.

Die Taxonomie-Verordnung hat hingegen ein engeres Verständnis von nachhaltigen Investitionen, was sich durch den Begriff „ökologisch nachhaltige Investition“ ausdrückt. Wie die BaFin erläutert, ist der Grund dafür, dass bisher nur die ökologische und noch nicht die soziale Taxonomie fertiggestellt ist. Die Kriterien für eine ökologisch nachhaltige Investition der Taxonomie-Verordnung sind zudem strenger als die der Definition der OffenlegungsVO.

Abfragen ist Muss, berichten auch

Seit dem 2. August 2022 werden Kunden in der Anlage- und Versicherungsberatung gefragt, ob und, wenn ja, welche Nachhaltigkeitspräferenzen sie haben. Der Berater darf grundsätzlich nur Produkte empfehlen, die den individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen des einzelnen Kunden entsprechen.

Im Beratungsgespräch müssen also viele Informationen sondiert werden. Als umso wichtiger bezeichnet es die Anstalt, dass aus den vorvertraglichen Informationen des jeweiligen Finanzproduktes hervorgeht, ob es überhaupt beabsichtigt, nachhaltige Investitionen zu tätigen. Dies gewährleistet das Template des Anhangs II für Finanzprodukte, für die zusätzlich die Angaben nach Artikel 8 EU-Offenlegungsverordnung offenzulegen sind. Die Anbieter müssen sich also in den vorvertraglichen Informationen festlegen, welchen Mindestanteil an nachhaltigen Investitionen sie verbindlich zusagen wollen; die BaFin nennt das „Minimumverpflichtung“.

Im Gegensatz dazu wird der Umfang der tatsächlich getätigten nachhaltigen Investitionen in den regelmäßigen Berichten angegeben – so dass Berater und Anleger diese mit der Minimumverpflichtung aus der vorvertraglichen Information abgleichen können.

Ob das ganze am Ende jemand nutzt und liest? Laut BaFin schon:

Auch private und institutionelle Anleger setzen sich also mit den Templates auseinander und treffen auf dieser Grundlage ihre Investitionsentscheidung. Insbesondere für private Anlegerinnen und Anleger bedeutet dies: Sie werden in der nächsten Zeit viel dazulernen. Wenn sie die vorvertraglichen Informationen und periodischen Berichte bzw. Angaben auf den Websites aufmerksam lesen, werden sie schnell in der Lage sein, selbstbestimmte und hinsichtlich ökologischer und sozialer Belange verantwortungsvolle Investitionsentscheidungen zu treffen.“

Woher kommen die Daten?

Soweit die Theorie, das weiss und schreibt auch die Anstalt. Denn in der Praxis benötigen die Finanzmarktteilnehmer viele Informationen von den Unternehmen der Realwirtschaft, in die sie – möglicherweise – das Anlegergeld investieren. Nur anhand dieser Daten können sie prüfen, ob ein Investment in das Unternehmen selbst oder in eine seiner Wirtschaftstätigkeiten den nachhaltigen Anlagezielen ihres Finanzproduktes entspricht. An dieser Stelle hakt es, so die BaFin, weil noch nicht genügend Unternehmen entsprechende Daten veröffentlichen.

Folge: Die Finanzmarktteilnehmer sind gehalten, die Unternehmen direkt um diese Daten zu bitten. Schwierig wird es, wenn das Unternehmen noch gar nicht über die Prozesse zur Ermittlung der Daten verfügt – wenn es also bspw. seinen CO2-Ausstoß noch nicht umfassend ermittelt. Gesetzlich zu einer umfangreichen Transparenz in Fragen der Nachhaltigkeit und damit zur Ermittlung von Daten verpflichtet sind derzeit nur große, kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern.

Wie die BaFin weiter schreibt, reformiert die EU derzeit die Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung der Unternehmen und plant, deren Transparenzpflicht stark auszuweiten: Voraussichtlich ab 2025 werden auch alle großen, ab 2026 zusätzlich alle kleinen und mittelgroßen kapitalmarktorientierten Unternehmen zur entsprechenden Transparenz verpflichtet sein. Unabhängige Experten sollen die Nachhaltigkeitsberichterstattung dann inhaltlich prüfen. „Damit wird sich das verlässliche Datenangebot für Finanzmarktteilnehmer wesentlich erweitern“, hofft man in Bonn.

EU-Kommission, ESAs und BaFin beantworten Fragen

Die BaFin berichtet, zahlreiche Fragen von beaufsichtigten Unternehmen zur OffenlegungsVO (Regulierungslevel 1) und den dazu gehörigen RTS (Regulierungslevel 2) zu erhalten. Viele bringt sie in den Gemeinsamen ESA-Ausschuss ein. Und dann? Level 1-Fragen legt der ESA-Ausschuss EU-Kommission zur Beantwortung vor. Level 2-Fragen beantworten die ESA via Ausschuss und berichten hierüber mit Q&A.

Ausblick: Nach den RTS ist vor den RTS

Die EU-Kommission hat die ESA beauftragt, ihr Änderungen der RTS vorzuschlagen. Ziel: Anleger sollen transparent erkennen können, ob und in welchem Umfang ein Finanzprodukt in Kernenergie- und Gas investiert, die die strengen Voraussetzungen der Taxonomie-Verordnung erfüllen.

Europäisches Parlament, Brüssel. Foto: Frederic Köberl.

Entsprechende Vorschläge haben die ESA erarbeitet, welche die EU-Kommission im November 2022 ohne wesentliche inhaltliche Änderungen angenommen hat. Seitdem läuft eine dreimonatige Vetophase des Europäischen Parlaments und des Rats der EU, bevor die RTS offiziell aktualisiert werden können.

Die EU-Kommission hat die ESA auch gebeten, die Indikatoren für die Angaben der Finanzmarktteilnehmer zur Messung der Auswirkungen ihrer Investitionsentscheidungen weiterzuentwickeln. Dabei sollen sie besonderes Augenmerk auf die sozialen Indikatoren legen. Für die produktbezogene Offenlegung sollen die ESA Vorschläge zur hervorgehobenen Darstellung von Dekarbonisierungszielen erarbeiten. Die ESA beabsichtigen, zusätzlich Methoden zu entwickeln, mit denen der Grundsatz der Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen überprüft wird. Fazit der BaFin:

Auf eines können sich Finanzmarktteilnehmer, Beratende und Anlegerinnen und Anleger also einstellen: Die Technischen Regulierungsstandards, insbesondere die Templates, werden sich noch verändern.“ Und damit meint sie offenkundig nicht nur die Korrektur redaktioneller Versehen.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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