… wie man ihr entkommt. Noch vor möglichen Gender Gaps in der Vergütung, die auf der bAV durchschlagen, könnte die Teilzeitarbeit erster Treiber der geringeren Altersversorgung von Frauen sein. Der Umgang mit dem Thema ist kein einfacher; so können auch gut gemeinte Abhilfen neue Probleme aufwerfen. Judith May erläutert und kommentiert.

Die Teilzeitquote von Frauen stellt nach einer jüngsten Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung das größte Karrierehindernis dar, wohingegen Vollzeit arbeitende Frauen inzwischen die gleichen Chancen auf eine Führungsposition haben wie Vollzeit arbeitende Männer.
Vater, Mutter, Kind – Der Vater arbeitet Vollzeit, die Mutter Teilzeit – ist aber als klassisches Familienbild weiterhin das dominierende in Deutschland, denn es scheint für die meisten die ideale Brücke zwischen Beruf und Familie zu sein.
Doch der Schein trügt, denn die Teilzeitarbeit ist eine versteckte Gefahr: Man spricht hier von der sog. Teilzeitfalle, denn die damit verbundene abgesenkte Vergütung und konsequenter Weise geringere Versorgung ist letztlich oftmals doch auf Dauer angelegt.
Kein Recht auf Aufstockung
Als Teilzeitbeschäftigte gelten nach § 2 TzBfG alle Arbeitnehmer, deren regelmäßige Wochenarbeitszeit geringer ist als diejenige vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer. Anders als beim gesetzlich verankerten Rechtsanspruch auf Teilzeit (§ 8 Abs. 1 TzBfG) bzw. auf Teilzeit während der Elternzeit (§ 15 Abs. 5-7 BEEG) gibt es für den umgekehrten Wunsch, wieder auf Vollzeit aufzustocken, grundsätzlich keinen Rechtsanspruch. Ausnahme: Die seit 2019 eröffnete Möglichkeit der Brückenteilzeit (§ 9a TzBfG), die allerdings weiteren anspruchsbegrenzenden Voraussetzungen wie insb. einer Mindestbetriebsgröße unterliegt.
Eine Partizipation von Teilzeitkräften an der im Unternehmen zugesagten bAV ist mittlerweile anerkannt. Dies war aber nicht immer so, musste es doch im Jahr 1997 erst vom Bundesverfassungsgericht festgestellt werden, dass eine Regelung, die „weniger als halbzeitig beschäftigte“ Arbeitnehmer komplett von der Versorgung ausnimmt, unzulässig sei.
Nicht leicht abbildbar und mit eigenen Risiken
Die korrekte Abbildung von ratierlichen Leistungsansprüchen teilzeitbeschäftigter Mitarbeiter bleibt jedoch weiterhin aufgrund der vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten eine Herausforderung. Dies gilt umso mehr, wenn sich Beschäftigungsgrade im Laufe eines Arbeitslebens biografieorientiert immer wieder ändern oder mit einer Vollzeittätigkeit abwechseln.
Besondere Förderungsvorhaben wie die anwartschaftssteigernde Einbeziehung von Abwesenheitszeiten (bspw. während der Elternzeit) oder eine pauschale Besserstellungen von Teilzeitmitarbeitern werfen auch Fragen auf und bergen neue Risiken der Ungleichbehandlung, die rechtlich nicht zwangsläufig durch den gut gemeinten Zweck gerechtfertigt sind.
Umdenken?
Gleichwohl ist jeder verfolgte neue Ansatz hier grundsätzlich begrüßenswert. Um den strukturellen Nachteil der Teilzeitarbeit zu beseitigen, hat mit SAP unlängst eine unkonventionelle Vorgehensweise eines namhaften Arbeitgebers von sich reden gemacht, der umdenkt und Führungspositionen grundsätzlich als Teilzeitstellen mit einem Teilzeitgrad von 75 Prozent ausschreibt, das Aufstocken auf Vollzeit ist dann lediglich optional.
In einer Welt der sich rasant ändernden Anforderungen des Arbeitslebens muss jenseits der gegenwärtigen Rechtslage auch die Frage erlaubt sein, ob eine Denke in Vollzeit als Norm und von Teilzeit als hiervon abgeleitetem Ausnahmetatbestand noch der ideale Bewertungsmaßstab ist, oder ob es nicht vor allem um Skills, Kompetenzen und Verantwortungsübernahme geht, die dann entsprechend „vollwertig“ zu vergüten sind. Und zwar unabhängig davon wie lange jemand arbeitet bzw. wie viel Zeit jemand aufwenden muss, um die Herausforderungen einer Aufgabe bzw. eines Arbeitsplatzes zu erfüllen.
Vielleicht können neue agile Organisationsformen wie „Talent Leasing“ und „Freelance Sourcing“ eine Chance zur adäquaten Vergütung bieten, mittels derer schon allein aufgrund der Marktgegebenheiten sowohl der Teilzeitfalle als auch dem daraus resultierenden Pension Gap begegnet werden kann. Den permanent Beschäftigten der „Old Economy“ bleibt hier nur die Wachsamkeit vor den Reizen der Teilzeit, ein ständiges Augenmerk auf die richtige Teilhabepraxis sowie die Vereinbarung und das Nutzen von Rückkehroptionen auf Vollzeit, sobald es die Lebensumstände zulassen.
Dr. Judith May ist Head of Legal & Tax Consulting, Mercer Deutschland GmbH in München und Mitbegründerin der Initiative #womeninpensions.
Von May und anderen Autorinnen und Autoren von Mercer sind zwischenzeitlich auf LEITERbAV erschienen:
Zwischen Regulierung, Admin und Asset Management: „Die vielfältigen Herausforderungen in der bAV und der Kapitalanlage erfordern … Interview mit Martin Haep, 23. März 2023 #womeninpensions-Kommentar – mit Wirkung auf die bAV (II): von Dr. Judith May, 2. März 2023 Pensions in their Markets: Was war da los in London? Von Doom Loops zu Lessons learned von Olaf John, 14. Oktober 2022 Pensionsrückstellungen nach HGB: Interview mit Thomas Hagemann, 13. Oktober 2022 Interview mit Olaf John, 3. Juni 2022 IDW und DAV zu rückgedeckten Versorgungszusagen: von Stefanie Beyer und Thomas Hagemann, 25. Mai 2022 De-Risking-Strategien zahlen sich aus: von Olaf John, 28. April 2022 Die Inflation und der Pensionsinvestor: von Olaf John, 8. Februar 2022 Zusätzlicher Prüfungsaufwand für externe Versorgungsträger: Geldwäsche, Transparenzregister und die bAV von Dr. Bernhard Holwegler und Joachim H. Kaiser, 24. Januar 2022 Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Zeitwertkonten: von Judith May und Thomas Haßlöcher, 14. Dezember 2021 Bilanzneutral, befristet, BOLZ: Flexible Risikoabsicherung mit Mercer FlexProtect von Stephan Hebel und René Jung, 3. November 2021 von Michael Ries, Dr. Judith May, Klaus Bednarz und Markus Klinger, 16. August 2021 Kein Taschenrechner in Eigenregie von Dr. Judith May, 8. Juli 2021 von Thomas Hagemann, 26. April 2021 Übersterblichkeit und Covid-19 (II): Von Thomas Hagemann und Christian Viebrock, 16. April 2021. Mal wieder Handlungsbedarf bei Zusagen mit Beschränkung der Hinterbliebenenversorgung: von Nadine Wolters und Elisabeth Lapp, 22. März 2021. Von Fiduciary Management, Outscourced Chief Investment Officer und Delegated Solutions: Mit besserer Governance durch unsichere Zeiten von Olaf John, 16. Dezember 2020 Neun Maßnahmen, die die Politik ergreifen muss von Dr. Judith May, Stefan Oecking und Thomas Hagemann, 26. Juni 2020 Übersterblichkeit und Covid-19: von Thomas Hagemann und Christian Viebrock, 5. Juni 2020 Prioritäten in der Krise: So navigieren Sie sicher in turbulenten Zeiten von Jeffrey Dissmann und Michael Sauler, 27. Mai 2020 Aufsicht: Konstruktiv durch die Krise von Dr. Bernhard Holwegler und Thomas Hagemann, 16. April 2020 bAV in den Zeiten des Virus‘: Kurze Arbeit und lange bAV von Dr. Judith May, München, 30. März 2020 BaFin-Merkblatt: Selbst nicht nachhaltig? von Andreas Kopfmüller, 30. Januar 2020 Flexible Lösungen und digitale Tools sind gefragt von Klaus Bednarz und Stephan Hebel, Frankfurt, 28. Oktober 2019 von Thomas Hagemann, Düsseldorf; Wiesbaden, 8. Mai 2019 Alles auf Reset beim Wertguthaben? von Judith May, 23. April 2019 von Thomas Hagemann, 31. Oktober 2018 Zulagenförderung ist besser als ihr Ruf! von Klaus Bednarz, Hamburg, 12. Dezember 2017 von Bettina Nürk, Frankfurt; Mannheim, 5. Oktober 2017 „Künftig alle zwei Jahre EIOPA-Stresstest“ von Bettina Nürk, Frankfurt; Mannheim, 4. Oktober 2017 Die EIOPA wächst mit ihren Aufgaben von Thomas Hagemann, Frankfurt am Main, 10. August 2017 von Frank Zagermann, Wiesbaden, 29. Mai 2017 von Thomas Hagemann, Mannheim, 9. Mai 2017 von Rita Reichenbach, Frankfurt am Main, 12. März 2014 Das hat dort nichts zu suchen! von Thomas Hagemann, Frankfurt am Main, 25. Februar 2014 Das könnt Ihr doch nicht ernst meinen! von Stefan Oecking, Dortmund, 17. Juli 2013