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WTW-bAV-Konferenz – von 40 auf 65:

Von Beweisen und Instrumenten. Von Schwung und Schritten.

Wenn man 200 Unternehmensvertreter auf einer Konferenz hat, kann man aussagekräftige Meinungen erheben – zu Chancen und Grenzen des Sozialpartnermodells.

 

Frankfurt am Main, 10. Oktober 2017, turnusgemäße bAV-Konferenz von Willis Towers Watson. Schwerpunktthema: das BRSG. Eine der diskutierten Kernfragen: In welchem Umfang kann das BRSG zu einer größeren bAV-Durchdringung beitragen?

 

Ergebnis: Künftig könnten rund 65 Prozent (statt wie bisher 40 Prozent) der Arbeitnehmer in Deutschland über eine bAV verfügen. Dies ist zumindest die Schätzung von WTW auf Basis einer Umfrage unter rund 200 anwesenden Unternehmensvertretern im Rahmen der Konferenz.

 

Die von WTW befragten Unternehmen (die wohl eine gewisse Affinität zur bAV haben dürften) rechnen zwar durchaus damit, dass ab 2020 Tarifverträge die neu geschaffene reine Beitragszusage im Sozialpartnermodell in der Breite aufgreifen werden. Achillessehne der Reform bleibt aber offenbar der Tarifvorbehalt. Denn wahrscheinlich werde höchstens ein Viertel der nicht tarifgebundenen Unternehmen künftig einem SPM beitreten, wie 70 Prozent der auf der Tagung befragten Unternehmensvertreter, bAV-und HR-Verantwortlichen aus mittleren und großen Unternehmen in Deutschland vermuteten.

 

 

Was zu beweisen ist

 

Reiner Schwinger, Willis Towers Watson.

Versorgungslohn, also bAV, ist ebenso wichtig wie Barlohn – genau das ist die Botschaft des BRSG“, sagte Reiner Schwinger, Managing Director von Willis Towers Watson Deutschland. „Durch das Gesetz wurde der ‚Instrumentenkasten‘ für die Altersversorgung in Unternehmen noch einmal erweitert. Jetzt steht zu beweisen, dass die Unternehmen der bAV privatwirtschaftlich den gewünschten Schwung geben können.“

 

 

Höchstens Mittelmaß

 

Thomas Jasper, Willis Towers Watson.

Im internationalen Vergleich liegt das deutsche Altersversorgungssystem nur im unteren Mittelfeld“, bewertet Thomas Jasper, Leiter der bAV-Beratung bei dem Consultant, die Lage. So liege die deutsche Lohnersatzrate deutlich unter dem OECD-Durchschnitt, das Pro-Kopf-Vermögen ist ebenfalls geringer ausgeprägt und die bAV erreiche bislang nur 40 Prozent der Arbeitnehmer. „Hier besteht klar Handlungsbedarf – und auch wenn das BRSG längst nicht alle bAV-Probleme anpackt, so ist es doch ein Schritt in die richtige Richtung.“

 

Die Chancen und Grenzen des Sozialpartnermodells nach dem BRSG bilanzierte Jasper dabei wie folgt:

 

 

Steigerung der Lohnersatzrate

 

Investieren Unternehmen für durchschnittliche Arbeitnehmer nur vier Prozent der jeweiligen jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in die bAV, kann – je nach Verzinsung der Beiträge – die Lohnersatzrate um bis zu 19 Prozentpunkte und damit über den OECD-Durchschnitt steigen“, rechnet Jasper vor.

 

Grafik zur Volldarstellung anklicken. Quelle: Willis Towers Watson.

 

 

Opting-out kommt

 

Einen großen Fortschritt bedeute die Chance, rechtssicher bAV-Modelle einzuführen, die automatisch alle Mitarbeiter in einem Unternehmen erfassen. Gerade Opting-Out-Modelle werden der WTW-Umfrage zufolge künftig stark genutzt werden – als tarifvertraglich-flankierte Gestaltungsoption für Betriebspartner (59 Prozent Zustimmung) oder als tarifvertraglich-geregelte Gestaltungspflicht für Betriebspartner (28 Prozent Zustimmung).

 

Grafik zur Volldarstellung anklicken. Quelle: Willis Towers Watson.

 

 

Nicht tarifgebundene Unternehmen: kaum Beitritt

 

Das SPM habe allerdings auch Grenzen: Nur 45 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland arbeiten tarifgebunden – und gerade in Branchen mit geringer Tarifabdeckung ist die bAV meist unterdurchschnittlich verbreitet. Hier werde es darauf ankommen, wie viele nicht tarifgebundene Unternehmen einem Sozialpartnermodell freiwillig beitreten werden, so Jasper. Die Umfrageergebnisse fiellen in dieser Hinsicht wie oben erwähnt ernüchternd aus:

 

Die Unternehmensvertreter rechnen überwiegend damit, dass sich höchstens ein Viertel der nicht tarifgebundenen Unternehmen einem SPM anschließt. Jasper betont: „Ohne einen substantiellen Beitrag der nicht tarifgebundenen Arbeitgeber wird sich die Verbreitung der bAV nur begrenzt steigern lassen. Die Botschaft des BRSG ist eindeutig – jetzt sind die Unternehmen am Zug. Sie können, wo künftig möglich, einem Sozialpartnermodell beitreten oder aber die schon lange bestehenden und vielfältig erprobten Gestaltungsmöglichkeiten für die bAV nutzen.“

 

 

Gesteigerte bAV-Verbreitung

 

Auf Basis der Umfrageergebnisse und der Erfahrungen aus dem Ausland mit Opting-out-Modellen beispielsweise in Großbritannien schätzt Jasper, dass in einem optimistischen Szenario künftig rund 65 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland über eine bAV verfügen könnten. „Das wäre schon ein ansehnlicher Fortschritt“, so der bAV-Experte.

 

 

2023 als Prüfzeitpunkt verfrüht

 

Der Gesetzgeber plant, im Jahr 2023 die durch das BRSG erreichten Fortschritte zu überprüfen wird, um dann ggf. weitere Maßnahmen zum Ausbau der ergänzenden Altersvorsorge einzuleiten. Jasper dazu: „Bis 2023 werden wir sicher erste Erfolge des BRSG sehen, aber ein abschließendes Fazit wäre zu diesem Zeitpunkt verfrüht“.

 

Die Presseschau fällt am Montag.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

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