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aba-Aufsichtsrechtstagung (I):

Vom Sechsklang der Hoffnung …

von der versicherungsmathematischen Funktion, der Ma-Risk für EbAV und der Ausgliederungsleitlinie: Weiter geht es mit der Berichterstattung zum bAV-Tagungsmarathon dieses Herbstes, heute mit dem Fokus auf der Regulierung. Verena Menne und Cornelia Schmid dokumentieren für LEITERbAV die wichtigsten Inhalte der neulichen, diesbezüglichen aba-Tagung. Teil I eines zweiteiligen Beitrags.

 

Georg Thurnes.

Am 30. September 2020 fand im virtuellen Raum die vierte Auflage der aba-Tagung „Aufsichtsrecht für EbAV” statt. Wie in den vergangenen Jahren konnten teilnehmende EbAV-Vertreter auch 2020 anhand der Vorträge eine To-Do-Liste für die nächsten Monate erstellen. Die Tagung gab den über 160 Teilnehmern aber auch Hinweise, wie die verschiedenen Herausforderungen gemeistert werden können. Im einzelnen:

 

Moderiert vom aba-Vorstandsvorsitzenden Georg Thurnes, Gründer und Chef der ThurnesbAV GmbH, befasst sich der erste Schwerpunkt vor allem mit dem BaFin-Rundschreibenentwurf „Aufsichtsrechtliche Mindestanforderungen an die Geschäftsorganisation von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung“ (MaGo für EbAV), der bis zum 27. September 2020 zur öffentlichen Konsultation stand.

 

Das Rundschreiben konkretisiert neue VAG-Anforderungen infolge der Umsetzung der EbAV-II-RL in deutsches Recht und vor dem Hintergrund der EIOPA-Stellungnahmen zur EbAV-II-Umsetzung vom Juli 2019.

 

Vier Vorträge widmen sich einzelnen Aspekten der MaGo für EbAV, die spätestens im Dezember veröffentlicht werden sollen.

 

Peter Gramke: MaGo für EbAV aus Sicht der Altersversorgungseinrichtung analysieren

 

Peter Gramke, Soka-Bau.

Mit der Umsetzung der EbAV-II-RL im VAG wurden bereits Ende 2018 die wichtigsten Leitlinien gesetzt, die jetzt diskutierte MaGo für EbAV buchstabiert diese weiter aus, wie Peter Gramke, Abteilungsdirektor der Hauptabteilung Kundenservice II bei SOKA-BAU, in seinem Vortrag einleitend erläutert:

 

Thematisch neu im Vergleich zum Vorgängerrundschreiben MaRisk (VA) sind dabei versicherungsmathematische Funktion und Whistleblowerprozess. Der thematische Umfang wurde also nicht wesentlich ausgeweitet, der formale jedoch erheblich.

 

 

Es ist unerlässlich, dass sich Geschäftsleiter die MaGo für EbAV im Kontext der speziellen Gegebenheiten ihrer Altersversorgungseinrichtungen anschauen.“

 

 

Die Prinzipien der Proportionalität (teils ergänzend: „Größenordnung der Tätigkeit“ und „Größe und interne Organisation der EbAV“) und Wesentlichkeit, die in der Richtlinie sowie im VAG genannt werden, werden jetzt durch die MaGo für EbAV mit Leben gefüllt.

 

Das Zusammenspiel aller Kriterien ist entscheidend. Aus Sicht von Gramke ist es daher unerlässlich, dass sich Geschäftsleiter die MaGo für EbAV im Kontext der speziellen Gegebenheiten ihrer Altersversorgungseinrichtungen anschauen.

 

Dann geht er auf Details der neuen Vorschriften zur Aufbau- und Ablauforganisation sowie zum Internen Kontrollsystem und Risikomanagement ein, wie zum Beispiel automatisierte Geschäftsprozesse, externe Standards und die Berücksichtigung externer Schadensfälle im operationellen Risikomanagement.

 

Gramke hält fest, dass in dem Rundschreibenentwurf wesentlich öfter von Leitlinien / Dokumentation die Rede ist als von Effizienz oder Effektivität. Er gibt zu, als ehemaliger Revisionsleiter ein Fan von klaren Regelungen und selbst von Dokumentationen zu sein, appelliert allerdings an die BaFin, mit den Dokumentationspflichten die Effizienz und Effektivität der EbAV nicht zu untergraben, da genau hier der Schlüssel zu ihrem Erfolg liegt.

 

Die sechs Aspekte der Proportionalität sollten bei der Umsetzung der Anforderungen immer berücksichtigt werden:

 

Die Anforderungen sind auf eine Weise zu erfüllen, die der Größenordnung, der Art, dem Umfang und der Komplexität der Tätigkeiten der EbAV angemessen ist. Die Größe und die interne Organisation der EbAV sind als zusätzliche Kriterien im Rahmen der §§ 234a Abs. 5 und 234c Abs. 1 Satz 2 VAG zwingend zu berücksichtigen, können jedoch auch außerhalb dieser Normen als Indikatoren in die Proportionalitätserwägungen einbezogen werden.“ (Rn. 12).

 

Gramke nannte diese sechs Aspekte den „Sechsklang der Hoffnung“, den EbAV und Aufsicht nutzen sollten, um einen angemessenen Umgang insbesondere mit den Dokumentationspflichten zu finden.

 

Eugen Scheinker: Bericht der versicherungsmathematischen Funktion erstellen

 

Eugen Scheinker, BASF.

Anschließend stellt Eugen Scheinker einen möglichen Ansatz für den Bericht der versicherungsmathematischen Funktion vor.

 

Zum Einstieg erläutert der Vorstand der BASF Pensionskasse die Aufgaben der Versicherungsmathematischen Funktion (§§ 31 und 234b Abs. 5 VAG):

 

In Abschnitt 9.2 der erwarteten MaGo für EbAV werden die Aufgaben „Koordinierung und Überwachung der Berechnung der technischen Rückstellungen“, die „Beurteilung der Datenqualität“, die „Stellungnahme zur Zeichnungspolitik und Rückversicherung“ sowie die „Informationspflichten der versicherungsmathematischen Funktion“ weiter konkretisiert.

 

Scheinker stellt dann einen beispielhaften Aufbau eines Berichts dar:

 

Nach Einleitung und den zentralen Feststellungen könnten die zwei Hauptteile „Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen“ und „Abgleich der Bewertungsannahmen mit den Erfahrungswerten“ folgen.

 

Anschließend werden „Zeichnungs- und Annahmepolitik“ sowie Rückversicherungspolitik behandelt.

 

Bestätigung, Kontaktdaten und ein Überblick über die Anlagen schließen den Bericht.

 

Scheinker gibt den Teilnehmern für die relevanten Teile Fragen an die Hand, um diese mit Inhalt zu füllen. Zu den Feststellungen und Empfehlungen der versicherungsmathematischen Funktion können beispielsweise folgende Fragen behandelt werden:

 

Wurde die Berechnung der Deckungsrückstellung nach dem aufsichtsbehördlich genehmigten Technischen Geschäftsplan vorgenommen?

 

Erfolgte die Durchführung der Berechnungen auf Basis eines verlässlichen und robusten Prozesses und hinreichender Datenprüfungen und -qualität?

 

Lassen die der Berechnung zugrunde gelegten Methoden und Modelle wesentliche Defizite erkennen?

 

Bilden die verwendeten Annahmen die in der Realität zu beobachtenden Verhältnisse im Wesentlichen mit ausreichenden Sicherheiten ab?

 

Ist der Prozess der Datenerhebung und -prüfung bezüglich der bestehenden Verpflichtungen der Kasse angemessen?

 

Frank Weber: Bericht der Risikokontrollfunktion: Anpassung des MaRisk-Risikoberichts im Lichte der MaGo für EbAV

 

Auch Frank Weber, der beim BVV Versicherungsverein des Bankgewerbes a.G. die Risikocontrolling-Funktion inne hat, stellt zunächst die Anforderungen aus dem VAG dar. Sein Fokus dabei ist der jährliche Risikobericht (§ 26 VAG). Hierfür ist für EbAV durch die MaRisk VA bereits vieles bekannt und Best Practice.

 

Dann widmet er sich der praktischen Umsetzung und der Informationsbasis für den Risikobericht, indem er einen Überblick über die Elemente zur Beurteilung der Gesamtrisikolage gab, insbesondere Risikoinventur, Monitoring, Monatsberichte, Planungs- und Szenariorechnungen, Kapitalausstattung nach § 234g Abs. 1 und 2 VAG (Solvabilität I) und Stresstests etc.

 

Im zweiten Teil wendet sich Weber der Konkretisierung der laufenden Berichtspflichten durch die MaGo für EbAV zu. Nach der Festlegung von Indikatoren für die Risiken kann die praktische Umsetzung durch einen monatlichen Bericht an die gesamte Geschäftsleitung erfolgen, in dem die Meldungen zu Indikatoren, operativen Limiten, Schwellenwerten und Maßnahmen aggregiert und ausgewertet werden. Über die wesentlichen Risiken, Entwicklungen und Maßnahmen wird in monatlichen Sitzungen des Gesamtrisikomanagements berichtet.

 

 

Der jährliche Risikobericht nach MaRisk VA hat auch im Lichte der MaGo für EbAV weiter Bestand.“

 

 

Abschließend geht Weber auf den neuen Bericht zur eigenen Risikobeurteilung ein (§ 234d VAG). In einem neuen BaFin-Rundschreiben zu den Mindestanforderungen an die eigene Risikobeurteilung (ERB) werden Hinweise zur Auslegung dieser Vorschriften gegeben.

 

Zusammenfassend hält Weber fest, dass der jährliche Risikobericht nach MaRisk VA auch im Lichte der MaGo für EbAV weiter Bestand hat. Neue Berichts- und Dokumentationspflichten ergeben sich aus der ERB für EbAV.

 

Hansjörg Müllerleile: Pflichten rund um die Ausgliederung von Funktionen und wesentlicher Tätigkeiten prüfen

 

Hansjoerg Muellerleile, Robert Bosch GmbH.

Auch beim Thema Ausgliederung dreht sich viel um die Dokumentation: Hansjörg Müllerleile erläutert, wie VAG-Reform und Auslegung durch MaGo für EbAV das bisherige Verständnis der Ausgliederung erweitern und zu einer umfangreichen Formalisierung der Ausgliederung führen. Laut dem Director Corporate Pensions der Robert Bosch GmbH ist das Thema zentral, weil Ausgliederungen die Grundlage für die schlanke und effiziente Arbeitsweise der EbAV sind.

 

Die wichtigsten Handlungsfelder sind:

 

Ausgliederungsleitlinie

 

Risikoanalyse

 

Ausgliederungsvereinbarung

 

Eingliederung Risikomanagement und Internes Kontrollsystem

 

Ausgliederungsbeauftragter

 

Fokus auf Vermeidung von Interessenkonflikten.

 

Generell ist zu berücksichtigen, dass die Anforderungen der MaGo für EbAV zwischen Schlüsselfunktionen, wichtigen Funktionen, Schlüsselaufgaben und wesentlichen Versorgungstätigkeiten unterscheiden. Die Einordnung obliegt den EbAV, die je nach Inhalt, Umfang, Dauer und Häufigkeit eine Eigenbeurteilung vornehmen sollen (Ende Oktober 2020 wurde der Referentenentwurf des Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetzes veröffentlicht, der die Unterscheidung zwischen wichtigen Funktionen und sonstigen Funktionen obsolet machen könnte).

 

Müllerleile bestätigt, dass auch in Zukunft alle Schlüsselfunktionen und selbst definierten Schlüsselaufgaben ausgegliedert werden können, dies löst jedoch zusätzliche Anforderungen aus. Was weiterhin nicht ausgegliedert werden kann: Originäre Leitungsaufgaben, Verantwortung für Risikomanagement und interne Kontrollen.

 

 

Man kann alles outsourcen, nur nicht die Verantwortung.“

 

 

Eine Ausgliederungsleitlinie ist verpflichtende Voraussetzung für alle ausgegliederten Bereiche. Zu beachten ist dabei, dass die Mindestvorgaben in der MaGo für EbAV auch bei Ausgliederung auf Trägerunternehmen oder innerhalb einer Versicherungsgruppe gelten.

 

Müllerleile geht ebenfalls auf die durchzuführende Risikoanalyse (und ihre Dokumentation) ein und weist auf die besondere Regelung für mitarbeiterlose EbAV in Sachen Ausgliederungsbeauftragter hin: Bei mitarbeiterlosen EbAV sind automatisch alle Mitglieder der Geschäftsleitung Ausgliederungsbeauftragte – ohne zusätzliche Proportionalitätsprüfung. Sein Gesamtfazit: „Man kann alles outsourcen, nur nicht die Verantwortung.“

 

Die aba wird das ERB-Rundschreiben im Rahmen einer Veranstaltung im Frühjahr 2021 aufgreifen.

 

 

Soweit zunächst zu den Inhalten der diesjährigen aba-Aufsichtsrechtstagung. Teil II der Berichterstattung folgt in Kürze.

 

 

Cornelia Schmid, aba.

 

Cornelia Schmid betreut bei der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung aba die Fachvereinigungen Pensionskasse und Pensionsfonds, den Fachausschuss Kapitalanlage und Regulatorik, die Europaarbeit sowie den Bereich Statistik.

 

 

 

 

 

Verena Menne, aba.

 

Verena Menne betreut bei der aba ebenfalls die Europaarbeit sowie die OECD-Arbeit im Bereich Private Pensions.

 

 

Von Ihnen sind (in unterschiedlicher Mit-Autorenschaft) zwischenzeitlich auf LEITERbAV erschienen:

 

 

 

Umfangreiches EU-Meldewesen für EbAV:

Zu viel für die EIOPA-Verordnung!

von Dr. Cornelia Schmid und Dr. Roberto Cruccolini, Berlin; München, 24. Oktober 2017

 

EZB-Meldewesen für Altersvorsorgeeinrichtungen:

Verordnung veröffentlicht, Meldebeginn verschoben

von Dr. Roberto Cruccolini und Dr. Cornelia Schmid, München; Berlin, 6. März 2018

 

aba-Fachtagung „Aufsichtsrecht:

Was 2019 wichtig wird…

von Verena Menne und Dr. Cornelia Schmid, Berlin, 30. Oktober 2018

 

Anforderungen der Offenlegungsverordnung für EbAV (I):

Q and some A“

von Verena Menne und Dr. Cornelia Schmid, Berlin, 12. August 2019

 

Anforderungen der Offenlegungsverordnung für EbAV (II):

Some more Q and A“

von Verena Menne und Dr. Cornelia Schmid, Berlin, 13. August 2019

 

EbAV-Aufsichtsrechttagung der aba in Bonn:

Nachhaltigkeit, Informationsanforderungen, aktuelle anderthalb Stunden und mehr…

von Verena Menne und Dr. Cornelia Schmid, Bonn; Berlin, 23. Oktober 2019

 

Sustainable Finance – Überblick über den aktuellen EU-Stand:

Löwenanteil geschafft?

von Verena Menne und Dr. Cornelia Schmid, Berlin, 14. Januar 2020

 

aba-Aufsichtsrechtstagung (I):

Vom Sechsklang der Hoffnung …

von Dr. Cornelia Schmid und Verena Menne, Berlin, 9. Dezember 2020

 

aba-Aufsichtsrechtstagung (II):

Eine To-Do-Liste nicht nur für EbAV …

von Verena Menne und Dr. Cornelia Schmid, Berlin, 11. Dezember 2020

 

ESG Offenlegung – proportional, wesentlich, rechtssicher und mit verfügbaren Daten:

Mehr Zeit für Wesentliches

von Verena Menne Dr. Cornelia Schmid und Dr. Roberto Cruccolini, Berlin; München, 15. Dezember 2020

 

Anm. der Redaktion: Die Berichterstattung zu Veranstaltungen erfolgt auf LEITERbAV regelmäßig im Indikativ der Referentinnen und Referenten, nicht im Konjunktiv.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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