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Umfrage zu Sozialpartnermodell (I):

Volle Deckung

Nach Verabschiedung des BRSG hielt sich LEITERbAV nicht lange mit der Vorrede auf und bat die Tarifpartner und andere Marktakteure schon im Spätsommer 2017 zu Meinungen und ersten Umsetzungsideen. Die Resonanz war seinerzeit jedoch arg zurückhaltend. Auch eine hartnäckige Nachfrage zu Jahresbeginn brachte keine wirkliche Aufklärung, interessante Einzelmeinungen aber durchaus. LbAV-Autor Detlef Pohl berichtet in Teil I der Auswertung von den Reaktionen durch Arbeitgeber und Gewerkschaften. Ergebnisse ausgewählter EbAV und Versorgungswerke folgen.

 

September 2017: In einer kurzen Umfrage bittet LEITERbAV wichtige Akteure um Aufklärung, wie sie das BRSG umsetzen wollen. Befragt wurden 40 Arbeitgeberverbände und 15 Gewerkschaften, aber auch 7 wichtige tarifpartnerschaftlich organisierte bzw. orientierte Versorgungswerke sowie 23 wichtige EbAV.

 

 

Was LEITERbAV wissen wollte

 

Dazu hatte die Redaktion einen kurzen Fragebogen entworfen. Im Mittelpunkt standen bezüglich der Tarifpartner folgende Punkte:

 

  • Ist das Sozialpartnermodell (SPM) inklusive der reinen Beitragszusage (rBZ) grundsätzlich praktikabel?

  • Wird eine weitere Verbreitung der bAV in Deutschland vornehmlich im SPM oder in der „alten“ bAV-Welt stattfinden?

  • Wird bei tariflicher Vereinbarung des SPM eine Kommunikation vor Ort des Arbeitgebers bzw. der Arbeitnehmer nötig?

  • Planen Sie, sich im Sozialpartnermodel zu engagieren, und welche Struktur ist denkbar?

  • Würden Sie nicht-tarifgebundenen Unternehmen Zugang zu dem Versorgungswerk gewähren?

  • Planen Sie, die neue rBZ mit einem Opting-out zu versehen?

  • Welche Zielgruppen sollen bei Ihnen mit dem SPM erreicht werden?

 

Die Antworten sollten zu einem ersten Marktüberblick durch die wichtigsten Marktteilnehmer beitragen. Das Ergebnis war im Spätsommer 2017 ernüchternd. „Das sind die richtigen Fragen zur falschen Zeit“, hieß es beispielsweise vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall. Allenfalls im späten Verlauf des Jahres 2018 könne nach Tarifabschlüssen mit ersten Ergebnissen und damit fundierten Antworten auf die Fragen gerechnet werden. Diese Einschätzung scheint sich zu bewahrheiten. Hinter den Kulissen wird viel diskutiert, aber nach außen ist es die Ruhe (ob vor dem Sturm, wird man sehen).

 

Bis Herbst 2017 antwortete von den gedachten Trägern des SPM fast niemand. Nur ein Arbeitgeberverband (Südwestmetall) und eine Gewerkschaft (Nahrung-Genuss-Gaststätten – NGG) kamen aus der Deckung, in der zweiten Fragerunde zum Jahreswechsel dann auch der Arbeitgeberverband Chemie. Alle anderen baten um Verständnis in der Art, dass zum „jetzigen, frühen Zeitpunkt leider kaum Fragen seriös beantworten lassen“ oder blieben stillschweigend der Umfrage fern. „Wir werden die Entscheidungen in den zuständigen Gremien treffen“, ließ uns Jürgen Benad wissen, Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA Bundesverband). „Dazu müssen wir zunächst über die Neuregelungen und Möglichkeiten qualifiziert aufklären und dann eine Meinungsbildung zu den einzelnen Fragen herbeiführen“, so Benad weiter. Die große Masse der Arbeitgeberverbände hüllte sich in Schweigen.

 

 

Einzelmeinungen der Matadoren

 

Mit diesen Ergebnissen war keine verlässliche Datenbasis zu gestalten, um abzuschätzen, wie sich bAV-Markt und -Parkett nach dem Start des BRSG zum 1. Januar 2018 bewegen könnten. Daran änderte grundlegend auch unsere Nachfragerunde zum Jahreswechsel 2017/2018 nichts. Einzelne Meinungen sind dennoch interessant, zeigen sie doch, in welche Richtung die Gedanken der bAV-Matadoren kreisen.

 

 

Südwestmetall sieht gute Chancen für SPM

 

Peer-Michael Dick, Suedwestmetall.

Der Arbeitgeberverband Südwestmetall hatte schon früh kein Problem, seine Haltung deutlich zu machen, obwohl im Spätsommer 2017 auch in dieser Branche alles noch auf Anfang stand. Hauptgeschäftsführer Peer-Michael Dick – der sich seinerzeit auf LEITERbAV ultimativ für das Garantieverbot stark gemacht hatte hält das SPM grundsätzlich für praktikabel. In der Tat sieht er die Aussichten auf eine weitere Verbreitung der bAV in Deutschland eher beim SPM als in der „alten“ bAV-Welt. Beim SPM werde auch keine Kommunikation vor Ort nötig sein, da alles tarifvertraglich geregelt werde. Der Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg plane dabei durchaus, sich im SPM zu engagieren. Als denkbare Strukturen schweben Südwestmetall dabei sowohl die Gründung eines eigenen Versorgungswerkes als auch die Nutzung bereits vorhandener EbAV der eigenen Branche vor.

 

Den Zugang nicht-tarifgebundener Unternehmen zu dem Versorgungswerk würde Südwestmetall dabei nur unter Bedingungen gewähren wollen, als da wären die Übernahme des gesamten bAV-Tarifvertrages und eine Mindestteilnehmerzahl.

 

Ob die neue rBZ mit einem Opting-out zu versehen wäre, sei dagegen noch unklar, so Dick. Betriebliche Lösungen (Beispiel: ein Unternehmen nutzt seine bestehende Pensionskasse) wären dabei für den Arbeitgeberverband nicht erste Wahl. Als Zielgruppe will Südwestmetall beim SPM alle Arbeitnehmer ansprechen, also nicht nur Geringverdiener.

 

Zwischenzeitlich liegt seit 6. Februar der neue Metall-Tarifvertrag für den Südwesten vor, der bis März 2020 gilt. Ergebnisse zum Thema bAV sucht man im neuen Metall-TV vergebens. Peer Michael Dick kündigte aber bereits einen Tag später an, in der Tarifrunde 2020 an einer möglichen Umsetzung des SPM arbeiten zu wollen. Man habe mit der IG Metall vereinbart, sich bis zur nächsten Tarifrunde über mögliche Inhalte eines SPM auszutauschen.

 

 

Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG)

 

Claus-Harald Guester, NGG.

Noch weniger wagen sich die Gewerkschaften aus der Deckung. Fast alle blieben auch bei der zweiten Nachfrage zum Jahreswechsel in der Umfrage von LEITERbAV klare Antworten schuldig – fast alle. Denn nicht so Jonas Bohl, Sprecher der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Er antwortete im Auftrag von Claus-Harald Güster, dem stellvertretenden Vorsitzenden des geschäftsführenden Hauptvorstandes der NGG.

 

Bohl hält das SPM inklusive rBZ ebenfalls für grundsätzlich praktikabel, verweist aber auch auf den Jahresverlauf 2018. „Die Praxis wird es zeigen.“ Ob eine weitere Verbreitung der bAV in Deutschland vornehmlich im SPM oder in der „alten“ bAV-Welt stattfindet, vermag die NGG nicht zu sagen. Es gebe bisher keine abschließende Einschätzung.

 

Die Frage, ob bei tariflicher Vereinbarung des SPM eine Kommunikation vor Ort des Arbeitgebers bzw. der Arbeitnehmer nötig wird, bejaht die NGG hingegen. Aus gewerkschaftlicher Sicht bedürfe es immer einer Information an die Mitglieder bei tariflichen Themen, insbesondere bei langfristigen Angelegenheiten wie die bAV es ist. Ob sich die NGG im SPM engagieren wird, sei noch unklar. Die meisten in der Umfrage aufgeworfenen Fragen befänden sich noch in der internen Diskussion der Führungsgremien.

 

 

Chemie-Arbeitgeber noch mitten in der Gremienarbeit

 

In der Chemieindustrie gibt es mit dem Chemie-Pensionsfonds ebenso ein gemeinsames Versorgungswerk der Sozialpartner wie bei Metall/Elektro mit der Metallrente. Noch ist auch hier offen, ob und wie die Sozialpartner bei anstehenden Tarifverhandlungen überhaupt die rBZ vereinbaren. Im ersten Schritt könnte es, so war hinter vorgehaltener Hand zu hören, vermehrt zu Angeboten einer fondsbasierten Direktversicherung kommen, die als Durchführungsweg in vielen kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) etabliert und akzeptiert ist.

 

Sebastian Kautzky, BAVC.

Offiziell jedoch Zurückhaltung: „Derzeit läuft bei uns die interne Meinungsbildung in den entsprechenden Gremien. Zu Details werden wir uns erst äußern, wenn dieser Prozess abgeschlossen ist“, sagt Sebastian Kautzky, Geschäftsführer des Bundesarbeitgeberverbandes Chemie.

 

 

 

 

Wer zu früh kommt, kommt zu früh

 

Karsten Tacke, Gesamtmetall.

Die Umfragen vom September und zum Jahreswechsel von LEITERbAV kamen für Markt und Parkett, vor allem für die Tarifpartner, offensichtlich zu früh. Karsten Tacke, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, ist regelmäßig mit den Themen Tarif- und Sozialpolitik, Arbeitswissenschaft, Arbeitspolitik und Recht befasst. Er glaubt, dass zunächst die Akteure damit beschäftigt sind, die alte Welt der Garantiezusagen und die neue Welt mit den Gestaltungsmöglichkeiten der neuen Zusageform (rBZ) auseinanderzuhalten. Arbeitgeber seien vordringlich damit beschäftigt, die Pflicht zur Weitergabe der SV-Ersparnis bei der Entgeltumwandlung auch für laufende Verträge zu stemmen, ehe das SPM eine Rolle spielen könne.

 

Außerdem stelle das SPM die Tarifvertragsparteien vor große Herausforderungen, so Tacke weiter. „Es müssen Entscheidungen getroffen werden über die Bildung eines Risikopuffers, über Sicherungsbeiträge, die Verwendung des Puffers und über das Risikopotenzial der Anlage“. Zur Erinnerung: Der Zugriff auf die neue rBZ erfordert die Bildung eines eigenen Sicherungsvermögens, eine tarifliche Grundlage und eine Beteiligung der Sozialpartner am Versorgungsträger. Mit belastbaren SPM-Vereinbarungen im Markt rechnet Tacke daher allenfalls Mitte bis Ende dieses Jahres.

 

Bis dahin scheint das Motto zu gelten: Volle Deckung.

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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