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SONDERMELDUNG – der Versorgungsausgleich in der bAV-Realität (II):

Verfassungskonform, wenn …

richtig umgesetzt wird. Der neue Vorsitzende des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichtes, Prof. Stephan Harbarth, hatte heute ein erstes Urteil zu fällen – und bekam es hier gleich mit der bAV zu tun. Diese kann mit dem Urteil wohl leben.

 

Soeben hat das BVerfG in Karlsruhe sein Urteil zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der externen Teilung gem. § 17 VersAusglG (1 BvL 5/18) gefällt. Ergebnis:

 

Bei verfassungskonformer Anwendung ist die Regelung zur externen Teilung bestimmter Anrechte aus der bAV mit den Eigentumsgrundrechten der ausgleichspflichtigen und der ausgleichsberechtigten Person und damit mit dem Grundgesetz vereinbar.

 

Im Innern des Bundesverfassungsgerichts, Foto: BVerfG bild_raum Stephan Baumann Karlsruhe.

 

Bei ebensolcher Anwendung wahrt die Regelung auch die verfassungsrechtlichen Grenzen faktischer Benachteiligung von Frauen. Dafür müssen die Gerichte den Ausgleichswert bei der Begründung des Anrechts bei einem anderen Versorgungsträger so bestimmen, dass die ausgleichsberechtigte Person keine unangemessene Verringerung ihrer Versorgungsleistungen zu erwarten hat.

 

Die Leitsätze des Urteils:

 

1. Der Versorgungsausgleich kann verfassungswidrig sein, wenn bei der verpflichteten Person eine Kürzung des Anrechts erfolgt, ohne dass sich dies entsprechend im Erwerb eines selbständigen Anrechts für die berechtigte Per- son auswirkt. Transferverluste aufgrund externer Teilung können zur Zweckverfehlung der Kürzung des Anrechts und damit zu deren Verfassungswidrigkeit führen.

 

2. Art. 14 Abs. 1 GG schützt bei dem Versorgungsausgleich neben der ausgleichspflichtigen Person auch die ausgleichsberechtigte Person selbst. Transferverluste aufgrund externer Teilung sind auch an ihrem Eigentumsgrundrecht zu messen.

 

3. Bei der gerichtlichen Festsetzung des für die externe Teilung nach § 17 VersAusglG maßgeblichen Ausgleichswerts ist neben den Grundrechten der ausgleichsberechtigten und der ausgleichspflichtigen Person das Interesse des Arbeitgebers in die Abwägung einzustellen, extern teilen zu können, zugleich aber im Rahmen der externen Teilung lediglich aufwandsneutralen Kapitalabfluss hinnehmen zu müssen.

 

4. Das Grundgesetz steht auch solchen Regelungen entgegen, die neutral formuliert und auch nicht verdeckt auf Benachteiligung ausgerichtet sind, jedoch tatsächlich ganz überwiegend Frauen benachteiligen. Von nachteiligen Effekten externer Teilung sind wegen der überwiegenden Aufteilung von familienbezogener und berufsbezogener Tätigkeit zwischen den Ehepartnern weit mehr Frauen als Männer betroffen. Solche faktischen Benachteiligungen können nur gerechtfertigt werden, wenn dafür hinreichend gewichtige Gründe bestehen.

 

5. Es ist Aufgabe der Gerichte, bei Durchführung des Versorgungsausgleichs im Wege externer Teilung nach § 17 VersAusglG den als Kapitalbetrag zu zahlenden Ausgleichswert so festzusetzen, dass die Grundrechte aller beteiligten Personen gewahrt sind.“

 

Am Montag hatte LEITERbAV über eine Studie von Willis Towers Watson berichtet, die dargelegt, dass die Bürokratie des Versorgungsausgleich durchaus das Potential hat, die Bereitschaft von Arbeitgebern zu einem Engagement in der bAV einzuschränken. Insofern scheint mit dem Urteil ein Kelch an der bAV vorbei zu gehen.

 

UPDATE 29. Mai: Zwischenzeitlich scheint sich herauszukristallisieren, dass das Urteil alles andere als unproblematisch für die Arbeitgeber ist. Die in diesem Artikel unmittelbar nach dem Urteil geäußerte, gedämpft positive Ersteinschätzung muss insofern als überholt gelten.

 

Mehr zu den Folgen des Urteils findet sich zwischenzeitlich auf LEITERbAV ausführlich hier und hier.

 

Das Urteils des Bundesverfassungsgerichts findet sich hier.

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