Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Neulich in Münster:

Und sind so klug als wie zuvor

Doppelt gemoppelt hält besser, denkt sich offenbar zuweilen die Finanzverwaltung, wenn sie die Abfindung auf eine GGF-Zusage zum einen als vGA interpretiert, zum anderen parallel einen Verzicht des GGF mit verdeckter Einlage diagnostiziert, sie also die Abfindung in zwei Vorgänge aufteilt. Dass es jedoch gute Gründe gibt, beides nicht getrennt voneinander zu betrachten, erläutert Claudia Veh, und bedauert, dass eine klarstellende Rechtsprechung erstmal weiter ausbleiben wird.

Claudia Veh, KPMG.

In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass die Pensionszusage des Gesellschafter-Geschäftsführers (GGF) abgefunden werden soll, insb. wenn die Anteile am Unternehmen veräußert werden und der Nachfolger die „Beseitigung“ der Zusage zur Bedingung für den Kauf macht.

Abfindung einer Pensionszusage häufig vGA …

Dass die Finanzverwaltung insb. bei einer vorzeitigen Abfindung, d.h. einer Abfindung ohne Eintritt eines Versorgungsfalls, häufig eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung mit der Folge einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) sieht, ist bekannt – wenngleich dies unter Fremdvergleichsgesichtspunkten fraglich erscheinen muss. Denn die Zusage eines nicht beteiligten GF könnte grundsätzlich einvernehmlich abgefunden werden (im laufenden Arbeits-/Dienstverhältnis gem. § 3 BetrAVG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG; generell vgl. BAG vom 21. April 2009 – 3 AZR 285/07 und BGH vom 23. Mai 2017 – II ZR 6/16), was in der Praxis auch tatsächlich vorkommt.

koppelt mit vE?

Dass im Fall der Abfindung der Zusage aber gleichzeitig ein Verzicht auf die Pensionszusage vorliegen soll – so die verschiedentlich anzutreffende Handhabung der Finanzverwaltung – der zu einer verdeckten Einlage (vE) und lohnsteuerlichem Zufluss beim GGF führt, ist nicht unmittelbar verständlich.

Schließlich handelt es sich für gewöhnlich bei der Abfindung um ein Rechtsgeschäft in Form einer vorzeitigen Erfüllung der Pensionszusage, nicht um zwei getrennt zu behandelnde Rechtsgeschäfte eines Verzichts auf die Zusage (Rechtsgeschäft 1) und einer hiervon getrennt zu betrachtenden Abfindungszahlung (Rechtsgeschäft 2).

(Un-)maßgebliche Rechtsprechung?

Das diesbezüglich seitens der Finanzverwaltung regelmäßig in Bezug genommene Urteil des BFH vom 14. März 2006 (I R 38/05) ist nicht im Bundessteuerblatt (BSTBl) II veröffentlicht und damit über den entschiedenen Einzelfall hinaus (eigentlich) nicht anzuwenden. Zudem existiert zwischenzeitlich aktuellere Rechtsprechung zur Thematik, die dagegen sehr wohl im BSTBl II veröffentlicht und damit in vergleichbaren Fällen anwendbar ist (BFH, 11. September 2013 – I R 28/13, BSTBl II 2014, 726; BFH, 23. Oktober 2013 – I R 89/12 BStBl II 2014, 729).

In diesen beiden Urteilen fordert der BFH zwar mit Blick auf die vGA „eine geschäftsvorfallbezogene, nicht aber eine handelsbilanzielle Betrachtungsweise“, wonach die Kapitalabfindung bei der GmbH auch dann zu einer Vermögensminderung führt, „wenn zeitgleich die für die Pensionszusage gebildete Pensionsrückstellung aufgelöst wird“. Das heißt, die möglicherweise denkbare Argumentation, dass durch die Abfindung keine Vermögensminderung bei der GmbH (zwingend notwendige Voraussetzung für eine vGA, vgl. R 8.5 KStR) vorliegt, da der gewinnmindernden Auszahlung der Abfindung die gewinnerhöhende Auflösung der Pensionsrückstellungen gegenübersteht, greift nicht. Es findet sich jedoch keine explizite Aussage dazu, dass gleichzeitig ein Verzicht auf die Pensionszusage zu einer vE und lohnsteuerlichem Zufluss führt.

Naheliegend ist es also, die „geschäftsvorfallbezogene Betrachtungsweise“ so zu verstehen, dass rein bilanziell der Vorfall „Abfindung“ (i.d.R. Auszahlung eines Geldbetrags; Übertragung einer Rückdeckungsversicherung o.ä.) vom Vorfall „Auflösung der Pensionsrückstellung“ getrennt (und nicht nur saldiert) zu würdigen ist.

Aus eins mach ernsthaft zwei?

Unter „geschäftsvorfallbezogene Betrachtungsweise“ die Abfindung (Vorfall 1) als getrennt von einem unterstellten Verzicht auf die Pensionszusage (Vorfall 2) zu behandelnden Sachverhalt mit jeweils eigenen steuerlichen Folgen zu sehen – was die Finanzverwaltung mitunter fordert –, kann nach Ansicht der Autorin dieses Beitrages aus beiden Urteilen nicht abgeleitet werden. Und eine sachliche Betrachtung des Vorgangs führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn: Würde ein Verzicht auf die Zusage vorliegen, wäre die Zusage nicht mehr existent, es gäbe also nichts mehr, was abgefunden werden könnte.

Bei der Abfindung handelt es sich rein sachlich betrachtet eben gerade nicht um einen Verzicht, denn ein Verzicht bedeutet gemeinhin die Aufgabe eines Anspruchs ohne entsprechende Gegenleistung. Das ist bei der Abfindung gerade nicht der Fall. Mithin wird die Pensionsrückstellung auch nicht aufgrund eines Verzichts aufgelöst, sondern aufgrund der vorzeitigen Erfüllung durch die Abfindungszahlung.

Der Fall …

Dies vorausgeschickt soll im Folgenden ein jüngst vor dem FG Münster verhandelter Fall vorgestellt werden, in dem es um die Abfindung einer Pensionszusage ging – Urteil 13 K 391/20 K,G vom 15. Februar 2023:

In einem Unternehmen (GmbH) bestanden für die beiden je zu 50% beteiligten GGF (Jahrgang 1952) Pensionszusagen aus dem Jahr 1993. In den Zusagen war geregelt, dass bei Liquidation der GmbH die unverfallbaren Anwartschaften abgefunden werden (ertragsteuerlicher Barwert) bzw. alternativ auf eine Lebensversicherungsgesellschaft übertragen werden können.

Im Dezember 2012 veräußerte ein GGF seine Anteile an den Sohn des anderen GGF und wurde als GF abberufen. Der GGF „verzichtete gegenüber der Gesellschaft auf die zu seinen Gunsten im Jahresabschluss der Gesellschaft zum 31.12.2011 ausgewiesenen Pensionsrückstellungen, und zwar auflösend bedingt gegen Abfindung in Höhe des Wertes der Pensionsrückstellung zum 31.12.2012 durch Auszahlung eines Betrages in Höhe von 230.000 Euro“. Die Zahlung erfolgte im Jahr 2013.

Entsprechend wurde auch erst im Jahr 2013 die Pensionsrückstellung in Höhe von 238.350 Euro aufgelöst und in der GuV unter Personalaufwand eine „Abfindung der Pensionsrückstellung“ in Höhe von 230.000 Euro und ein Ertrag aus der Herabsetzung der Pensionsrückstellung in Höhe von 238.350 Euro erfasst.

die Betriebsprüfung: vGA und vE in 2012

Bei einer Betriebsprüfung wurde die Abfindung als eine vGA deklariert, weil sie „spontan“ erfolgt ist (entsprechend BFH vom 11. September 2013 – I R 28/13). Schließlich war in der Pensionszusage nur für den Liquidationsfall eine Abfindung vorgesehen gewesen.

Gemäß der Finanzverwaltung führte also im Jahr 2012 die Abfindung zu einer vGA; gleichzeitig, ebenfalls 2012, hatte der Verzicht auf die Pensionszusage eine vE zur Folge (analog dem oben genannten BFH-Urteil vom 14. März 2006).

Das heißt: Außerbilanziell wurde der Gewinn um 230.000 Euro erhöht (vGA) und um 210.346 Euro (vE; werthaltiger Teil der Zusage) reduziert, unterm Strich also um 19.654 Euro erhöht.

Für den GGF bedeutet dies:

• Versteuerung der Abfindung von 230.000 Euro nach § 20 EStG (Einkünfte aus Kapitalvermögen), da vGA.

• Versteuerung der vE von 210.346 Euro nach § 19 EStG (virtueller Lohnzufluss).

und die Entscheidung in Westfalen

Der Widerspruch der GmbH gegen den Steuerbescheid für das Jahr 2012 blieb erfolglos. Sie klagte schließlich vor dem FG Münster.

Die GmbH führte unter anderem an, dass die Abfindung nicht gesellschaftlich veranlasst gewesen sei. Denn der Sohn des zweiten GGF war nur dann bereit, die Gesellschaftsanteile zu erwerben, wenn die Pensionszusage zuvor abgefunden wurde.

Es fehle auch nicht an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung. Denn eine solche Vereinbarung müsse im Fall der Abfindung einer Pensionszusage nicht bereits in der ursprünglichen Pensionszusage enthalten gewesen sein, sondern könne auch später vereinbart werden, das hat das FG Münster bereits in einem anderen Fall einmal so entschieden (Urteil vom 23. März 2009 – 9 K 319/02).

Die GmbH erhielt vor dem FG Münster Recht: Es liegt keine vGA und keine vE vor.

Auf dem Markt in Münster sind sich die Parteien jedenfalls nicht einig geworden.

Denn: Da im Jahr 2012 die im Gesellschaftsvertrag geregelte Abfindung nicht durchgeführt und nicht verbucht worden war, lag im Streitjahr 2012 keine Minderung des Unterschiedsbetrags gem. § 4 Abs. 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG vor. Auch hätte die Abfindung im Streitjahr 2012 nicht über eine Verbindlichkeit der GmbH gegenüber dem GGF aufwandswirksam erfasst werden müssen (was eine Minderung des Unterschiedsbetrags bewirkt hätte). Denn die Auslegung der getroffenen Vereinbarung ergab, dass die Pensionsrückstellung erst mit der Zahlung des Betrags von 230.000 Euro, d.h. „aufschiebend bedingt” entfallen sollte. Damit war das Rechtsgeschäft bei Abschluss des Vertrags im Dezember 2012 noch nicht wirksam; die rechtlichen Wirkungen traten erst bei Zahlung der Abfindung im Jahr 2013 ein.

Die Frage, ob die Abfindung im Jahr 2013 zu einer vGA (und ggf. vE) führt, konnte dahinstehen, da das Jahr 2013 nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens war. Die Revision wurde nicht zugelassen (§ 115 Abs. 2 FGO).

Fazit

Die Unternehmensnachfolge ist bei inhabergeführten KMU in Deutschland ein hochaktuelles und brisantes Thema. So ergab eine Studie des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM), dass im Zeitraum von 2022 bis 2026 für etwa 190.000 Familienunternehmen die Herausforderung der Unternehmensnachfolge relevant ist. Davon werden schätzungsweise knapp 3 Mio. Beschäftigte betroffen sein. Die Zahl der Unternehmen hatte sich gegenüber dem vorherigen Analysezeitraum von 2018 bis 2022 um mehr als 20% erhöht.

Da in der Regel in diesen Unternehmen Pensionszusagen für die Inhaber bestehen, die die Nachfolgeregelung (sofern familienintern als auch -extern) wie im aktuellen Urteilsfall deutlich erschweren, besteht Bedarf an praxistauglichen Lösungen.

Die finale Beendigung einer Pensionszusage, z.B. in Form einer Abfindung, ist in der Praxis sehr oft elementare Voraussetzung, um einen Käufer für das Unternehmen zu finden und damit die Fortführung des Unternehmens zu sichern. Dies sollte ausreichen, um dem Grunde nach eine betriebliche Veranlassung der Abfindung zu belegen. Dies ergibt im Übrigen auch der Fremdvergleich mit angestellten GF.

Wird die Abfindung (dennoch) als vGA behandelt, sollte hinterfragt werden, ob in einer vorzeitigen Erfüllung der Zusage in Form einer Abfindung gleichzeitig ein Verzicht auf die Zusage liegen kann, sprich ob es sachgerecht ist, dass die Abfindung neben der vGA die steuerlichen Folgen eines Verzicht auf die Pensionszusage hervorruft.

Insgesamt bleibt offen, wie die Finanzgerichtsbarkeit nun zu dem Problemkomplex steht, da das FG Münster nicht in der Sache entscheiden hat, und auch mit einem BFH-Urteil ist in diesem Fall nicht zu rechnen.

Mehr zu dem zur heutigen Headline anregenden Kulturstück findet sich hier.

Die Autorin ist Aktuarin und 
Director 
Deal Advisory Pensions
 in der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
.

Von ihr und anderen Autorinnen und Autoren der KPMG sind zwischenzeitlich bereits auf LEITERbAV erschienen:

#womeninpensions zum Weltfrauentag:
Spot on betriebliche Altersversorgung für diejenigen ...
von Dr. Claudia Veh und Hanne Borst

Neulich in München:
Rückabwicklung = Verzicht = steuerlicher Zufluss?
von Dr. Claudia Veh, 19. Februar 2024

Neulich in Westfalen:
Für gewöhnlich nicht außerordentlich
von Dr. Claudia Veh, 15. Januar 2024

Neulich in Nürnberg:
Wie ich dir, so ich mir?
von Dr. Claudia Veh, 21. August 2023

Neulich in Münster:
Und sind so klug als wie zuvor
von Dr. Claudia Veh, 5. Juni

Schuldbeitritt zu Pensionsverpflichtungen und der § 4f EStG:
Mütter, Töchter, vGA
von Dr. Claudia Veh, 24. April 2023

Neulich in München:
Wenn Betriebsrente in drei Teilen …
von Dr. Claudia Veh, 3. April 2023

FG Hamburg:
Von wilden Pferden und bilanziellen Sprüngen
von Dr. Claudia Veh, 22. März 2023

#womeninpensions-Kommentar – mit Wirkung auf die bAV (I):
Gender Gap in der bAV
von Dr. Claudia Veh, 15. Februar 2023

Die Effekte der Inflation außerhalb der Direktzusage:
Auch mittelbar teuer
von Dr. Claudia Veh, 23. Januar 2023

Vergangenen September in München (II):
Not a two of us?
von Dr. Claudia Veh, 22. April 2022

Neulich von Köln nach München und zurück:
Die Sache mit der Fünftelungsregelung
von Dr. Claudia Veh, 28. Januar 2022

GGF-Pensionszusage, 6a und vGA:
Indizienprozess in Düsseldorf
von Dr. Claudia Veh, 25. Oktober 2022

Zahlungsströme aus RDV und Zusage:
Künftig kongruent
von Andreas Johannleweling und Dr. Claudia Veh, 11. August 2021

Neulich in München:
Wenn der Chef einfach weitermacht ...
Von Dr. Claudia Veh, 17. Mai 2021

Insolvenzverwalter versus PSV:
Und immer lockt die GGF-Pensionszusage ...
von Dr. Claudia Veh, 11. Februar 2021

Wertgleiche Teilung beim Versorgungsausgleich?
Nicht für den beherrschenden GGF
von Dr. Claudia Veh, 28. Oktober 2020

Der Chef und seine bAV …
von Dr. Claudia Veh, 7. August 2020

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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