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BMF antwortet GDV:

U-Kassen-Rückdeckung mit Fonds nun bundesweit erlaubt, aber…

für die Beurteilung der jeweiligen steuerlichen Einzelfälle sind die Finanzbehörden der Länder zuständig. Ein Fortschritt ist die Entscheidung des BMF allemal, wie der Blick in die Details und Hintergründe zeigt, für den LEITERbAV-Autor Detlef Pohl eine ausgewiesene Expertin des Parketts befragt hat.

 

An sich mutet die Frage profan an: Ist eine fondsgebundene Rückdeckungsversicherung (RDV) zur Absicherung einer U-Kassenverpflichtung zulässig ist oder nicht? Bislang war sie das erstaunlicherweise nicht. Denn bei kongruenter Rückdeckung einer U-Kasse wird das gesamte Risiko der Versorgung versicherungsförmig abgesichert. Die Versorgungszusagen sehen grundsätzlich vor, dass die Höhe der Leistungen (Rente oder Kapital) der Versorgungsberechtigten dabei den Leistungen aus der RDV entspricht. Bislang wurden zur RDV insb. klassische Lebensversicherungen mit Garantiezins von der U-Kasse abgeschlossen. Doch der Niedrigzins verlangte nach stärkerer Kapitalmarktorientierung.

 

Der GDV in Berlin-Mitte. Foto: GDV.

Der GDV wähnte sich sicher, dass für versicherungsgebundene beitragsorientierte Leistungszusagen (BoLZ) Fondspolicen mit garantierter Mindestleistung als RDV genutzt werden können. Durch die Mindestleistung und eine im Leistungsfall vollständige „Weitergabe“ der darüberhinaus gehenden Kapitalmarkterträge über dynamische Umschichtungskonzepte seien die steuerlichen Anforderungen (§ 4d EStG) erfüllt. Die Beiträge sind beim Trägerunternehmen als Betriebsausgaben abzugsfähig, und es liege keine Über- oder Unterdotierung der U-Kasse vor.

 

Hintergrund: Kein Verschiebebahnhof

 

Ziel des 4d ist es, missbräuchliche Gestaltungen auszuschließen, die eine Ansammlung von Kassenvermögen zugunsten der U-Kasse bzw. des Trägerunternehmens ermöglichen. In der Vergangenheit gab es insb. bei pauschal dotierten U-Kassen immer mal wieder Anlass zu Kritik.

 

Anders bei der rückgedeckten U-Kasse: Bei einer versicherungsgebundenen BoLZ seien die zugesagten Versorgungsleistungen jedoch art- und wertmäßig voll auf die Versicherungsleistungen abgestimmt, argumentierte der GDV schon im November 2021 gegenüber dem BMF. Daher sei sichergestellt, dass sämtliche Leistungen aus der RDV ausschließlich dem Versorgungsberechtigten zufließen und keine Missbrauchsgefahr besteht. Der GDV ersuchte das BMF, diese Sichtweise als steuerlich unbedenklich zu bestätigen – und auch den Betriebsausgabenabzug zu bestätigen.

 

Kapitalmarktnahe Rückdeckung nun bundesweit möglich

 

Zudem sind U-Kassen von der Körperschaft- und Gewerbesteuer befreit – u.a., wenn das tatsächliche Kassenvermögen das zulässige um nicht mehr als 25% übersteigt. Bei einer rückgedeckten U-Kasse gilt als zulässiges Kassenvermögen meist der Wert des geschäftsplanmäßigen Deckungskapitals.

 

Bei einer kongruent rückgedeckten versicherungsgebundenen Zusage in Form einer BoLZ ergibt sich auch die Höhe der Zusage aus dem Rückkaufswert bzw. Zeitwert der RDV. Die U-Kasse verschafft sich sämtliche Mittel zur Erfüllung der Zusage aus der RDV. Somit kann sich keine Unterdeckung der Versorgungszusage ergeben, argumentiert der GDV – und möchte vom BMF bestätigt sehen:

 

– dass für die Ermittlung des zulässigen und tatsächlichen Kassenvermögens bei einer BoLZ auf Basis einer fondsgebundenen RDV die Anforderungen an eine vollständige (kongruente) Rückdeckung erfüllt sind (nach § 4d Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchstabe c Satz 1 EStG) und

 

– dass diese als zulässige RDV anzuerkennen ist und

 

– dass das tatsächliche und das zulässige Kassenvermögen gleichhoch angesetzt werden kann, sich somit keine Über- oder Unterdeckung ergibt.

 

Entscheidung in der Wilhelmstraße

 

Was technisch klingt, hat in der Praxis erhebliche Bedeutung (bilanziell übrigens auch für Direktzusagen, LbAV berichtete hier und hier).

 

Detlev-Rohwedder-Haus in Berlin, Dienstsitz des BMF (Architekt Ernst Sagebiel).
Foto: BMF/Hendel.

 

Denn: Versagt das zuständige Betriebsstätten-Finanzamt die Zulässigkeit, drohen Steuernachteile sowie zusätzliche Aufwendungen für die arbeitsrechtliche Zusage der bAV. In jüngerer Vergangenheit wurde jedoch öffentlich bekannt, dass zwei Versicherer, die Alte Leipziger und die Allianz, in Baden-Württemberg angefragt und dort mit der Finanzverwaltung bereits Konsens erreicht hatten. Es haperte seither jedoch an einer bundesweit einheitlichen Regelung.

 

Nun hat am 31. August das BMF dem Versicherer-Verband geantwortet (GZ: IV C 6 – S 2144-c/19/10002 :004) und die U-Kassen-Rückdeckung mit Fonds nun bundesweit erlaubt. Dabei wurden vier Punkte betont:

 

1. Fondsgebundene RDV mit garantierten Mindestleistungen sind anzuerkennende RDV (im Sinne des § 4d Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Satz 1 Buchstabe c Satz 1 EStG).

 

2. Bei kongruenter Rückdeckung einer versicherungsgebundenen BoLZ sind die Zuwendungen in Höhe der Beiträge zur fondsgebundenen RDV begünstigte betriebsausgabenwirksame Zahlungen des Trägerunternehmens.

 

3. Für die Ermittlung des zulässigen und tatsächlichen Kassenvermögens (gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe e S. 2 KStG) sind die Anforderungen an eine vollständige kongruente Rückdeckung (nach § 4d Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 Buchstabe c Satz 1 EStG) erfüllt und sind als zulässige RDV anzuerkennen.

 

4. Das tatsächliche und das zulässige Kassenvermögen kann gleichhoch angesetzt werden, es ergibt sich keine Über- oder Unterdeckung.

 

In den vorliegenden Fällen führt die vollständige Rückdeckung dazu, dass ein Auseinanderfallen von Versorgungs- und Versicherungsleistung nicht möglich ist, betont das BMF über seinen Referatsleiter Stephan Rochow. Sofern die weiteren Voraussetzungen des § 4d EStG vorliegen (u.a. gleichbleibende oder steigende Beiträge), sei ein Abzug der Beiträge nach zulässig.

 

Aber: Für die Beurteilung der jeweiligen steuerlichen Einzelfälle seien die Finanzbehörden der Länder zuständig. Und die hatten bisher die steuerliche Anerkennung verweigert – bis auf die genannten Ausnahmen.

 

Sorgfalt bitte …

 

Der GDV hat seine Mitglieder am 1. September in diesem Sinne informiert. Das Antwortschreiben des BMF, das mit den Ländern abgestimmt ist, bestätige erfreulicherweise die Verbandsauffassung, heißt es darin sinngemäß von Volker Landwehr, Leiter Steuern beim GDV.

 

 

 

 

Insbesondere die Mindestgarantie und die Kongruenz zwischen Zusage/Leistungsplan und RDV werden künftig im Fokus der Betriebsprüfung stehen.“

 

 

 

 

Volker Landwehr, GDV.

Die neue Möglichkeit sollte sorgfältig ausgestaltet werden“, sagt Henriette Meissner, Geschäftsführerin der Stuttgarter Vorsorge-Management GmbH und Generalbevollmächtigte für bAV der Stuttgarter Lebensversicherung. „Insbesondere die Mindestgarantie und die Kongruenz zwischen Zusage/Leistungsplan und RDV werden künftig im Fokus der Betriebsprüfung stehen“, blickt Meissner, die auch Leiterin der Fachvereinigung Unterstützungskassen der aba ist, voraus.

 

in der Praxis

 

Doch was bedeutet das nun für die Praxis? BMF und GDV sprechen von einer Mindestgarantie. „Da die Steuer regelmäßig an das Arbeitsrecht anknüpft und dort die mittlerweile herrschende Meinung für als Untergrenze für eine BoLZ mindestens 50% Garantie annimmt, sollte dies auch bei RDV für U-Kassen als Untergrenze beachtet werden“ so Meissner gegenüber LEITERbAV. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass der Betriebsprüfer im Einzelfall davon ausgeht, dass keine bAV vorliege.

 

Henriette Meissner, Stuttgarter.

Auf der diesjährigen aba-Jahrestagung wurde in mehreren Vorträgen klar, dass die Möglichkeit einer höheren Renditechance durch fondsgebundene Gestaltungen gerade auch für die breite Belegschaftsversorgung eine wichtige Rolle spielt, erinnert Meissner. Es sei auch aufgrund des Arbeitskräftemangels mit einer Ausweitung der arbeitgeberfinanzierten Versorgung zu rechnen. „Dafür bieten sich die bilanzneutrale U-Kasse an, da die Durchführungswege nach § 3 Nr. 63 EStG häufig schon für die Entgeltumwandlung genutzt werden“, betont die Leiterin der Fachvereinigung Unterstützungskassen der aba. Daneben spiele die U-Kasse immer eine Rolle für die Versorgung höher dotierter Geschäftsführer und Führungskräfte. „Aufgrund des demographischen Drucks, der die Tür weit öffnet für arbeitgeberfinanzierte Benefits, ist mit einer Ausweitung der U-Kassenversorgungen in den nächsten Jahren zu rechnen“, ist Meissner überzeugt.

 

Größenordnungen – relativ klein

 

 

Ralf Klein, Hoechster Penka.

Im Juni 2022 bezifferte Ralf Klein von der Höchster PK die Deckungsmittel in U-Kassen für 2020 mit insgesamt 38,9 Mrd. Euro (+4% gegenüber 2019) für ca. 460.000 Rentner und ca. 1,72 Mio. Versorgungsanwärter. Das entspricht ca. 5,8% Anteil aller Deckungsmittel in der deutschen bAV; somit ist die U-Kasse der Durchführungsweg mit den wenigsten Deckungsmitteln. Eine Unterscheidung nach rückgedeckten und pauschal dotierten U-Kassen wurde nicht vorgenommen. Auch Meissner kennt keine Zahlen dazu.

 

Zur Erinnerung: Der Arbeitgeber gründet allein oder mit anderen Unternehmen einen rechtlich selbstständigen Versorgungsträger oder bedient sich einer schon bestehenden Gruppen-U-Kasse. Er muss in der Firmenbilanz keine Rückstellungen bilden. So werden viele steuerliche und bilanzielle Fragen vermieden, die bei Pensionszusagen auftreten. Der Arbeitgeber zahlt nur Beiträge, die Kasse lagert das Risiko auf eine kongruente RDV aus. „Dabei können auch Kapitalzusagen erteilt werden, die das Langlebigkeitsrisiko und die Anpassungsprüfungspflicht vermeiden und mittlerweile auch bei Pensionszusagen ein beliebtes Instrument sind“, betont Meissner.

 

Die Regeln für SV- und Körperschaftsteuerfreiheit

 

Übrigens: Zuwendungen des Arbeitgebers zur U-Kasse sind erst ab Alter 23 möglich. Ausnahmen bestätigen die Regel, etwa Entgeltumwandlung oder unverfallbare Zusagen. Der Arbeitnehmer kann Entgelt zwar unbegrenzt in die U-Kasse umwandeln, ohne Einkommensteuer zu zahlen. Bei der Sozialversicherung gilt aber: Bei Entgeltumwandlung können zusätzlich zum § 3 Nr. 63 EStG und § 40b EStG a.F. nochmals 4% der BBG SV-frei umgewandelt werden, für arbeitgeberfinanzierte Versorgungen sind die Zusagen unbegrenzt steuer- und SV-frei.

 

Es gibt aber Grenzen für die Anerkennung als Betriebsausgaben: Für die körperschaftsteuerrechtliche Freistellung der U-Kasse als soziale Einrichtung gelten seit Jahrzehnten unverändert die körperschaftsteuerrechtlichen Höchstgrenzen (nach § 2 Abs. 1 KStDV). Demnach sind für jeden Arbeitnehmer körperschaftsteuerrechtlich 25.769 Euro Leistungen p.a. mögich (2.147 Euro pro Monat), bestätigt Meissner. In bis zu 12% der Fälle einer Belegschaft sind es 38.654 Euro pro Jahr (3.223 Euro pro Monat) und in bis zu 4% der Fälle sogar Leistungen in unbegrenzte Höhe. „Das hört sich hoch an, aber gerade, wenn jüngere Beschäftigte zusätzlich eine Invaliditätsversorgung erhalten, werden die Grenzen schnell erreicht“, weiß die Fachfrau aus Erfahrung. Wird eine größere Belegschaft versichert, können für einzelne Führungskräfte sogar Versorgungsleistungen von 75% des aktuellen Gehaltes zugesagt werden.

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