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ZWK zwischen Admin, Kapitalanlage und Datentransfer:

Tui gutes…

und rede darüber: Wie alles in der bAV sind auch Zeitwertkonten keine triviale Sache. Von Beginn an sollten zahlreiche Abteilungen eingebunden sein, und auch externe IT-Dienstleister müssen sicher und zuverlässig verknüpft werden. Andreas Schillig erläutert, wie sein Konzern vorgegangen ist.

 

Andreas Schillig, Tui.

Erwerbsbiographien verlaufen heute nicht mehr geradlinig, wie es früher einmal war. Zum heutigen Erwerbsleben gehören Unterbrechungen bspw. durch Sabbaticals, Elternzeit, aber auch der mehrfache Wechsel zwischen Vollzeit auf Teilzeit sowie Vorruhestandsregelungen. Neben einer flexiblen Verbindung von Arbeits- und Familienleben besteht bei den Beschäftigten der Wunsch nach passenden Finanzierungslösungen.

 

Mit Zeitwertkonten (ZWK) können längere sozialversicherungsrechtlich geschützte Freistellungszeiträume finanziert werden. Sie bieten Mitarbeitern Flexibilität sowie eine Balance zwischen Berufs- und Privatleben. Arbeitnehmer können je nach Angebot des Arbeitgebers eine große Vielfalt von Vergütungs- und Arbeitszeitbestandteilen in die ZWK einbringen. Das Ansparen kann durch die Einbringung von Geld bzw. Zeitkomponenten erfolgen.

 

Das Zeitwertkonto TUI Auszeit ist die Antwort von TUI auf die Flexibilisierung des Arbeitslebens. Es dient TUI seit seiner Einführung im Frühjahr 2019 als Instrument der Mitarbeiterbindung und zur Positionierung als innovativer, familienfreundlicher und attraktiver Arbeitgeber. Gleichzeitig ist es für die Unternehmensführung ein flexibles Personalsteuerungsinstrument.

 

Rahmenbedingungen der TUI Auszeit

 

Das ZWK TUI Auszeit wird ausschließlich in Geld geführt. Zeitelemente, wie z.B. Resturlaub, können nicht eingebracht werden.

 

 

 

 

Die angesparten Guthaben werden in einem risikooptimierten Investmentfonds angelegt, in dem gemäß SGB IV maximal 20% in Aktien allokiert wird.“

 

 

 

 

Mitarbeiter des TUI Konzerns und der dazugehörenden Gesellschaften haben die Option, Vergütungsbestandteile aus den monatlichen Bruttobezügen sowie Sonderzahlungen wie Boni, Weihnachts- und Urlaubsgeld zur Finanzierung einer späteren Freistellung in das ZWK einzubringen. Die Einzahlung ist auf maximal 25% beim monatlichen Bruttoentgelt begrenzt. Auch der Arbeitgeber TUI kann freiwillige Beiträge beisteuern.


Die angesparten Guthaben werden in einem risikooptimierten Investmentfonds angelegt, in dem gemäß den Vorgaben aus dem SGB IV maximal 20% in Aktien allokiert wird. TUI gewährleistet den Werterhalt des angesparten Kapitals zum Zeitpunkt der Freistellung.

 

Mit den angesparten Wertguthaben können flexible Freistellungen wie z.B. Elternzeit, Pflegezeit, Teilzeitarbeit und Sabbaticals sowie rentennahe Freistellungen unmittelbar vor Renteneintritt finanziert werden. Eine Auszeit ist frühestens fünf Jahre nach der ersten Einzahlung möglich und muss mindestens einen Monat umfassen.

 

Projektverlauf, Kooperationspartner und laufende Administration


Das ZWK-System gilt für den gesamten TUI Konzern und alle Tochtergesellschaften. Mit dem Betriebsrat wurde eine Konzernbetriebsvereinbarung abgeschlossen. Die Tochterunternehmen haben die Möglichkeit, Zusatzvereinbarungen vorzunehmen. Die vollständige Implementierung der
TUI Auszeit erfolgte über die Konzerngesellschaft TUI AG. Auf die Tochtergesellschaften entfiel lediglich die Organisation der Wertguthabenabsicherung über ein CTA (Treuhand) sowie die Steuerung der lokalen Mitarbeiterkommunikation. Der administrative Aufwand bei den lokalen TUI Konzerngesellschaften ist äußerst gering.

 

TUI entschied sich bei Projektstart für eine Investmentgesellschaft als Kooperationspartner für die Entwicklung und Umsetzung der TUI Auszeit. Bei der Entscheidung spielten die folgenden Kriterien eine Rolle:

 

Form und Renditechancen der Kapitalanlage

Übernahme der Projektorganisation und des Projektmanagements

Unterstützung bei der Implementierung

Kommunikationswege

Zuordnung und Verfügbarkeit von Ansprechpartnern

Einbindung weiterer Dienstleister

Kosten.

 

In die Projektentwicklung wurden von vorneherein die Abteilungen Group IT, Accounting/Bilanzen, Payroll, Tax und Kommunikation einbezogen. Bezüglich der voll automatisierten Administration des ZWK-Modells entschied TUI sich für Lurse mit der digitalen Verwaltungsplattform P·LIVE. Über die Online-Portale erfolgt die gesamte ZWK-Administration nahezu komplett automatisiert.

 

Die laufende Betreuung der TUI Auszeit wird über das Team des TUI Business Services gesteuert. Dazu gehört der direkte Kontakt zu teilnehmenden Mitarbeitern, Informationen zur Kapitalanlage und Depotführung, Unterstützung der teilnehmenden TUI Konzerngesellschaften, die laufende Administration, Payroll, Mitarbeiterkommunikation, Weiterentwicklung des Angebots und die interne Berichterstattung. Von den Dienstleistern stehen Relationship Manager zur unterstützenden Beratung zur Verfügung. Die teilnehmenden TUI Konzerngesellschaften entscheiden über Freistellungen und werden ansonsten über alle relevanten Tatbestände informiert.

 

Digitale Administration

 

Die komplette Administration des ZWK-Systems sowie die Steuerung der Prozesse erfolgen automatisiert über die digitale Plattform P·LIVE. Über Portale können Mitarbeiter, Arbeitgeber und alle beteiligten Akteure Eingaben und Steuerungen vornehmen. Der Datentransport erfolgt per Schnittstelle zum HR-Core-System. Die Datensicherheit ist über eine zentrale Datenbank mit einem Berechtigungskonzept gewährleistet.

 

Über das Mitarbeiterportal TUI Auszeit können die Beschäftigten ihren Kontostand einsehen, verwalten, Umwandlungen in Auftrag geben und Simulationsrechnungen für Freistellungen vornehmen. Das Portal bietet einen zuverlässigen Service rund um die Uhr für alle digitalen Endgeräte. Der Zugang zum Portal wird nach einer Teilnahmeerklärung des Mitarbeiters gewährt.

 

An das Administrationsportal TUI Auszeit Team sind die HR-Verwaltung sowie sämtliche eingebundenen Akteure wie das CTA und die Investmentbank über Schnittstellen angebunden, um ihre Geschäftsvorfälle zu bearbeiten. Sämtliche Prozesse und Daten werden auf einer zentralen Datenbank gespeichert und historisiert. Beispielsweise werden folgende ZWK-Geschäftsvorfälle vom HR-Team über die digitale Plattform gesteuert:

 

reguläre Einbringung und Entnahme (Freistellung)

konzerninterner Organisationswechsel

Störfall-Bearbeitung bei Ausscheiden des Mitarbeiters

Personalstammdaten

Reporting gemäß Vergabe von Zugriffsrechten.


Der Datenaustausch zwischen dem HR-System SAP Paradis und der Plattform P·LIVE findet über eine interne, von SAP geschaltete, Prozessorganisation statt. Diese sorgt für einen sicheren Transport der Daten. Alle internen und externen Systeme kommunizieren über SSL. Aus Datenschutzgründen erfolgt die Kommunikation mit der Plattform über Zertifikate und Passworte. Alle Dateien werden zusätzlich verschlüsselt.


Zwischen dem HR-System SAP Paradis und der Plattform P·LIVE kommt es zu einem regelmäßigen Datenaustausch. TUI übermittelt täglich die mitarbeiterspezifischen Stammdatenänderungen in SAP an P·LIVE. Vor der Gehaltsabrechnung erhält TUI die Umwandlungsdaten der teilnehmenden Mitarbeiter und übermittelt nach dem Abrechnungslauf die aktualisierten Gehaltsdaten. Einmal im Monat bekommt TUI Informationen für die Störfall- und Freistellungsauszahlungen. Alle Daten werden an festgelegten Terminen ausgetauscht.


Abb.: Datenaustausch zwischen SAP und P·LIVE.

Quelle: Tui AG. Grafik zur Volldarstellung anklicken.

 

 

Kommunikation und Verbreitung


Die Information der Mitarbeiter über das ZWK-System
TUI Auszeit erfolgt nahezu komplett online über Webinare und das Intranet. Zusätzlich wurden die Beschäftigten auf Betriebs- und Mitarbeiterveranstaltungen, mittels Flyer und eine Hotline informiert und beraten. In den ersten vier Monaten nach Einführung war die Teilnahmeresonanz sehr hoch. Seit Ausbruch der Corona-Krise und dem damit verbundenen Beginn der Kurzarbeit bei TUI sind die Teilnahmequoten nahezu unverändert. TUI ist zuversichtlich, dass das ZWK-System mit Ende der Corona Krise Aufschwung erhält.


In der auf den Vortrag folgenden Diskussion waren sich die 13 Teilnehmer des Lurse Round Tables aus der bAV-Unternehmenspraxis einig, dass ZWK-Systeme komplex sind und die Verwaltung aufwändig ist. Viele Unternehmen präferieren daher einfache Wahlmodelle für die Sabbatical-Anfragen ihrer Beschäftigten. In diesen Modellen verzichten Beschäftigte vor und nach der Freistellung auf Entgeltbestandteile (z.B. Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld). Sie werden vom Arbeitgeber einbehalten, was mit wenig Aufwand verbunden ist.


Fazit: Digitale Administration und automatisierte Prozesssteuerung sind unerlässlich für das Angebot eines effizienten, sicheren und nachhaltigen Z
WK-Modells.

 

Der Autor ist Leiter Pensionsmanagement, TUI Business Services GmbH.

 

Der Beitrag beruht auf einem Vortrag gehalten auf dem Lurse Round Table bAV 4.0 im Februar 2022.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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