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Neulich von Köln nach München und zurück:

Take 5 oder not to take 5…

Immer wieder Fünftelungsregelung: In zwei Durchführungswegen ist sie möglich, in dreien nicht – wenn es nach der Finanzverwaltung geht. Wechselhaft ist die Lage dagegen, wenn es nach den Finanzgerichten geht. Wichtig sind hier stets die zwei Prädikate „außerordentlich“ und „mehrjährig“. Eines davon wurde in München geregelt, bei dem anderen scheiden sich die Geister weiter. Claudia Veh beobachtet die unklare Entwicklung.

Claudia Veh, KPMG.

Bekanntlich kann bei einer Kapitalleistung in den Durchführungswegen Direktzusage und Unterstützungskasse die Fünftelungsregelung nach § 34 Abs. 1 EStG genutzt werden – bei einer nach § 3 Nr. 63 EStG geförderten bAV in den Durchführungswegen Direktversicherung, Pensionskasse oder Pensionsfonds jedoch nicht (BMF-Schreiben vom 12.08.2021 – IV C 5 – S 2333/19/10008 :017, Rz. 147 bzw. 149).

Über die Fünftelungsregelung ergibt sich in der Regel eine geringere Steuerlast auf die Kapitalzahlung als ohne Anwendung dieser Regelung. Rechnerisch wird ein Fünftel der Kapitalzahlung dem sonstigen zu versteuernden Einkommen hinzugefügt und die sich hieraus ergebende Steuer mit der Steuer auf das sonstige zu versteuernde Einkommen ohne die Kapitalzahlung verglichen.

Die Differenz der beiden Steuerbeträge wird dann verfünffacht und ergibt so die auf die Kapitalzahlung anfallende Steuer. Abhängig vom Steuersatz des Steuerpflichtigen kann dies eine geringere Steuerlast ergeben, als wenn die komplette Kapitalzahlung zum zu versteuernden Einkommen hinzuaddiert wird.

Maßgeblich für die Anwendung der Fünftelungsregelung ist gem. Wortlaut des § 34 Abs. 1 EStG, dass in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten sind. Als außerordentliche Einkünfte kommen gem. Abs. 2 Nr. 4 Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten in Betracht, wobei mehrjährig eine Tätigkeit ist, soweit sie sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst.

Damit müssen zwei Elemente für die Anwendung der Fünftelungsregelung gegeben sein:

  • die Kapitalzahlung muss eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten darstellen und

  • die Kapitalleistung muss außerordentlich sein.


Immer wieder Fälle vor den Finanzgerichten…

In den letzten Jahren begehrten immer wieder (ehemalige) Arbeitnehmer mit einer Versorgung in den Durchführungswegen Direktversicherung, Pensionskasse oder Pensionsfonds die Anwendung der Fünftelungsregelung, wenn sie bei Ablauf statt der Rentenzahlung für die Kapitalzahlung optierten bzw. wenn der Vertrag vorzeitig mit Auszahlung des Rückkaufswerts aufgelöst wurde.

Beispielhaft genannt sei das Urteil des FG Münster vom 29. Oktober 2020 (15 K 1271/16, rkr). Das Gericht hatte die Anwendung der Fünftelungsregelung bei Ablauf eines Direktversicherungsvertrags mit der Begründung abgelehnt, dass bereits im Versicherungsvertrag das Wahlrecht zur Kapitalleistung geregelt war, mithin könne die Kapitalleistung nicht außerordentlich sein.

Im Beschluss des FG Hessen vom 14.Mai 2020 (4 V 312/20, rkr.) hat das FG die Anwendung der Fünftelungsregelung auf eine Kapitalabfindung einer nach Rentenbeginn auf einen Pensionsfonds ausgelagerten U-Kassenzusage bejaht und als Argument für die Atypik angeführt, dass aus § 3 i.V.m. § 30g BetrAVG heraus eine Abfindung nur in seltenen Fällen möglich ist; zudem sei ein Indiz für die Atypik, dass in der ursprünglichen Versorgungszusage keine Kapitaloption beinhaltet war.

… und vor dem BFH

In zwei weiteren Fällen (FG Berlin-Brandenburg vom 12. Juni 2019 – 3 K 3058/19 und FG Köln vom 14. Februar 2019 – 15 K 855/18) wurde das Revisionsverfahren beschritten.

Während das FG Berlin-Brandenburg die Fünftelungsregelung bei zwei vorzeitig aufgelösten Direktversicherungs- bzw. Pensionskassenverträgen für anwendbar hielt, hatte das FG Köln dies im ihm vorgelegten Fall eines vorzeitig aufgelösten Pensionskassenvertrags verneint.

Beide Fälle wurden am 6. Mai 2020 vor dem BFH verhandelt (BFH-Urteile vom 6. Mai 2020 – X R 24/19 und X R 7/19).

Mehrjährige Tätigkeit – ja…

Der BFH hat in beiden Fällen entschieden, dass die (Einmal-)Zahlung des Rückkaufswertes einer nach § 3 Nr. 63 EStG geförderten bAV das Tatbestandsmerkmal „Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten“ i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG erfüllt.

…doch Außerordentlichkeit / Atypik? – zurück zum FG

Doch ob das Tatbestandsmerkmal „Außerordentlichkeit der Einkünfte“ in den Fällen einer Kapitalauszahlung bei Ablauf bzw. vorzeitigen Kapitalabfindung in den nach § 3 Nr. 63 EStG geförderten Versorgungen vorliegt, konnte der BFH mangels ausreichender vorliegender Informationen nicht entscheiden. In beiden Fällen wurde deshalb der Fall an die Vorinstanz zurückverwiesen, um anhand empirisch-statistischen Datenmaterials zu prüfen, ob die Kapitalabfindung für den betreffenden Lebens-, Wirtschafts- und Regelungsbereich atypisch sei.

 

Der Bundesfinanzhof in München.

Ob die Möglichkeit einer einmaligen Kapitalleistung bereits im Vertrag vorgesehen ist, stellt gemäß BFH nun – entgegen seiner früheren Rechtsprechung (Urteil vom 20. September 2016 – X R 23/15) – lediglich ein Indiz dar, das allenfalls gewisse Rückschlüsse darauf zulassen kann, ob eine Kapitalabfindung im betreffenden Lebens- oder Wirtschaftsbereich typisch oder atypisch ist, sie ist aber nicht von alleinentscheidender Bedeutung.

Fleißarbeit in Köln

Zum Fall des FG Köln liegt die finale Entscheidung nun vor (vom 30. September 2021 – 15 K 855/18). Das FG hatte zur Klärung der Frage der Außerordentlichkeit bei zahlreichen Institutionen Informationen und Datenmaterial angefordert: dem Statischen Bundesamt, der Verbraucherzentrale Bundesverband, dem GKV-Spitzenverband, dem BMAS, dem Ministerium für Gesundheit, dem Landesamt für Information und Technik NRW, der BaFin, dem GDV sowie der aba.

Nicht mit der erforderlichen Überzeugung zu bejahen …

Allerdings waren insgesamt keine ausreichenden Informationen über die Häufigkeit von (vorzeitigen) Kapitalleistungen bei Direktversicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds erhältlich, um eine eindeutige Klassifizierung solcher Zahlungen als außerordentlich vornehmen zu können.

und deshalb die Anwendung zu verneinen

Zwar liegen, so das Gericht, unstreitig Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten vor. Doch das erforderliche Merkmal der „Außerordentlichkeit“ konnte das FG mangels aussagekräftiger Daten nicht mit der nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO erforderlichen Überzeugung feststellen. Damit kam das Gericht für den vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass die Fünftelungsregelung bei einer vorzeitigen Auflösung aus einer nach § 3 Nr. 63 EStG geförderten bAV (hier Pensionskasse) nicht genutzt werden kann.

Es bleibt abzuwarten, ob das FG Berlin-Brandenburg zum gleichen Ergebnis kommt. Ein Termin für die Entscheidung steht derzeit noch nicht fest.

Das zur heutigen Headline anregende Kulturstück findet sich hier.

Die Autorin ist Aktuarin und 
Director 
Deal Advisory Pensions
 in der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
.

Von Autorinnen und Autoren der KPMG sind zwischenzeitlich bereits auf LEITERbAV erschienen:

#womeninpensions zum Weltfrauentag:
Spot on betriebliche Altersversorgung für diejenigen ...
von Dr. Claudia Veh und Hanne Borst

Neulich in München:
Rückabwicklung = Verzicht = steuerlicher Zufluss?
von Dr. Claudia Veh, 19. Februar 2024

Neulich in Westfalen:
Für gewöhnlich nicht außerordentlich
von Dr. Claudia Veh, 15. Januar 2024

Neulich in Nürnberg:
Wie ich dir, so ich mir?
von Dr. Claudia Veh, 21. August 2023

Neulich in Münster:
Und sind so klug als wie zuvor
von Dr. Claudia Veh, 5. Juni

Schuldbeitritt zu Pensionsverpflichtungen und der § 4f EStG:
Mütter, Töchter, vGA
von Dr. Claudia Veh, 24. April 2023

Neulich in München:
Wenn Betriebsrente in drei Teilen …
von Dr. Claudia Veh, 3. April 2023

FG Hamburg:
Von wilden Pferden und bilanziellen Sprüngen
von Dr. Claudia Veh, 22. März 2023

#womeninpensions-Kommentar – mit Wirkung auf die bAV (I):
Gender Gap in der bAV
von Dr. Claudia Veh, 15. Februar 2023

Die Effekte der Inflation außerhalb der Direktzusage:
Auch mittelbar teuer
von Dr. Claudia Veh, 23. Januar 2023

Vergangenen September in München (II):
Not a two of us?
von Dr. Claudia Veh, 22. April 2022

Neulich von Köln nach München und zurück:
Die Sache mit der Fünftelungsregelung
von Dr. Claudia Veh, 28. Januar 2022

GGF-Pensionszusage, 6a und vGA:
Indizienprozess in Düsseldorf
von Dr. Claudia Veh, 25. Oktober 2022

Zahlungsströme aus RDV und Zusage:
Künftig kongruent
von Andreas Johannleweling und Dr. Claudia Veh, 11. August 2021

Neulich in München:
Wenn der Chef einfach weitermacht ...
Von Dr. Claudia Veh, 17. Mai 2021

Insolvenzverwalter versus PSV:
Und immer lockt die GGF-Pensionszusage ...
von Dr. Claudia Veh, 11. Februar 2021

Wertgleiche Teilung beim Versorgungsausgleich?
Nicht für den beherrschenden GGF
von Dr. Claudia Veh, 28. Oktober 2020

Der Chef und seine bAV …
von Dr. Claudia Veh, 7. August 2020

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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