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Am 25. April in Berlin (II):

Stehen die Zeichen auf halbe Verbeitragung?

Zur Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages zur Doppelverbeitragung von Betriebsrentnern am kommenden Mittwoch liegen erste Stellungnahmen von Spitzenverbänden vor. Vor allem die Tarifpartner – Arbeitgeber und Gewerkschaften – wollen eine pragmatische Lösung. Der Zugzwang für die Bundesregierung könnte wachsen. Manfred Brüss beobachtet.

 

Deutscher Bundestag in Berlin. Foto: Bruess.

Von den bislang acht vorliegenden Stellungnahmen dürften vor allem die der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) und die des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) von besonderen Gewicht sein. Schließlich sollen gerade die Tarifpartner mit Hilfe des seit Januar geltenden BRSG der bAV zu neuem Schwung verhelfen.

 

Beim Thema Doppelverbeitragung – manche sprechen sogar von Dreifachverbeitragung – geht es vereinfacht um zwei Ebenen: zum einen um bereits verbeitragte Einzahlungen in einen der Durchführungswege, die dann in der Leistungsphase erneut verbeitragt werden; zum anderen darum, dass die Betriebsrentner in der Leistungsphase sowohl den Arbeitnehmer- als auch den Arbeitgeberanteil tragen müssen (sieht man vom Zusatzbeitrag in der GKV ab).

 

 

BDA: dort, wo ohne weiteres möglich

 

Die BDA verweist in ihrer Stellungnahme auf die gute Neuregelung bei Riester in der bAV durch das BRSG und folgert:

 

Notwendig ist jedoch, dass der Gesetzgeber nun auch darüber hinaus Doppelverbeitragungen beseitigt, wo dies ohne weiteres möglich ist.“

 

Eine Korrektur bei den Altfällen dürfte dagegen abgesehen von den Kosten kaum möglich sein, schreibt die BDA weiter, vor allem wegen lückenhafter Dokumentationen und neuer Ungleichbehandlungen bei nicht kompletter Rückabwicklung.

 

Keine Lösung wäre es für die BDA, Betriebsrenten generell oder teilweise von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen freizustellen, denn jedenfalls in der Mehrzahl seien die heute ausgezahlten Betriebsrenten aus beitragsfreiem Einkommen aufgebaut worden. Eine allgemeine Beitragsentlastung käme daher einer ungerechtfertigten Privilegierung der meisten Betriebsrentner gleich, so die Bundesvereinigung. Ihr Fazit:

 

Private und betriebliche Altersvorsorge sollten stets nur einmal mit Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen belastet werden: entweder durch Belastung des Einkommens, das der Finanzierung der Altersvorsorge dient, oder durch Belastung der Versorgungsleistung. Eine darüber hinausgehende Belastung würde der Bereitschaft zur zusätzlichen Altersvorsorge schaden, weil sie dadurch ungerechtfertigt für den Einzelnen zu höheren Beitragslasten führen würde.“

 

 

DGB: Klarstellung und Kompromisslosigkeit

 

Der DGB sieht sich zunächst zu einer Klarstellung veranlasst:

 

Die Probleme der Doppelverbeitragung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sind differenzierter als im Antrag der Fraktion die Linke enthalten. Dort wird fälschlicherweise der Schwerpunkt zu einseitig auf die Direktversicherung gelegt. Denn die Problematik der doppelten Verbeitragung kann in allen anderen Durchführungswegen der bAV (Direktzusage, Unterstützungskasse, Pensionskasse und Pensionsfonds) vorkommen.“

 

Recht kompromisslos gibt sich der DGB betreffend der Altfälle:

 

So berechtigt die auch vom DGB und seinen Mitgliedsgewerkschaften geteilte Kritik an der Doppelverbeitragung ist, so wenig kann grundsätzlich ein Vertrauensschutz für sogenannte Altfälle, in denen bereits vor dem 1. Januar 2004 eigenfinanzierte Anwartschaften in den Durchführungswegen Direktversicherung und Pensionskasse erworben wurden, anerkannt werden. Ein allgemeines, nicht durch besondere Vertrauenstatbestände gestütztes Vertrauen in den unbegrenzten Fortbestand einer bestimmten Rechtslage zu einem bestimmten Zeitpunkt kann es nicht geben.“

 

Allerdings schade die Verbeitragung mit dem vollen Beitragssatz der Akzeptanz der bAV, deshalb sollte zu der vor 2004 geltenden Regelung der hälftigen Verbeitragung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zurückgekehrt werden. Einnahmeverluste der GKV müsste dann nach Ansicht der Gewerkschaften der Staat ausgleichen.

 

BDA wie DGB fordern, dass Leistungen aus privat fortgeführten Pensionskassen-Verträgen ebenso gemildert verbeitragt werden wie im Durchführungsweg der Direktversicherung.

 

 

aba: Fehlanreiz beseitigen

 

Auch die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (aba) sieht die Regierung in der Pflicht zu handeln:

 

Die Beseitigung der zweimaligen Verbeitragung ist zwar rechtlich nicht zwingend geboten, ihre Abschaffung würde in der Praxis der bAV aber einen außerordentlich wirkungsvollen Fehlanreiz beseitigen.“

 

Die aba, die ebenfalls die Ungleichbehandlung zwischen privat fortgeführten Verträgen bei Direktversicherungen und Pensionskassen kritisiert, adressiert auch neue Doppelverbeitragung im Zuge des BRSG. Im Zuge des Gesetzes wurde die Steuerfreiheit im § 3 Nr. 63 EStG von 4% der BBG (West) auf 8% erhöht. Demgegenüber bleiben weiterhin nur 4% beitragsfrei. Die aba dazu:

 

Der Gesetzgeber sorgt damit erneut systematisch für einen neuen Fall der Doppelverbeitragung. […] Die Ausweitung der Steuerfreiheit ohne sozialversicherungsrechtliche Begleitung macht für diese Gruppe von Arbeitnehmern mit mittleren Einkommen die bAV unnötig unattraktiv.“

 

Auch die aba erinnert daran, dass bis zum 31. Dezember 2003 nur der halbe Beitragssatz auf laufende Versorgungsbezüge zu leisten gewesen seien. Folge:

 

Ohne Vertrauensschutz- und Übergangsregelungen wurden die Betriebsrenten der gesetzlich versicherten Betriebsrentner um 9 bis 19% gekürzt. Das Vertrauen in verlässliche Rahmenbedingungen der bAV wurde dadurch stark beeinträchtigt.“

 

Zuletzt hatte es Stimmen aus der SPD-Fraktion gegeben, dass Betriebsrentner nur noch den halben Beitragssatz zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung leisten sollten. Diese Meinung vertritt etwa die Ausschussvorsitzende im Gesundheitsausschuss Sabine Dittmar (SPD). Allerdings müsse man noch die Union mit ins Boot holen, sagte Dittmar in einem Medieninterview.

 

 

Auch Sozialverbände sehen Handlungsbedarf

 

Der Sozialverband Deutschland (SoVD) plädiert in seiner Stellungnahme dafür, das „beitragsrechtliche Sonderopfer“ zu korrigieren und zum halben Beitragssatz zurückzukehren. Der Sozialverband VdK Deutschland unterstützt in seiner Stellungnahme das Prinzip, dass Beiträge zu Sozialversicherung nur einmal zu leisten seien. Wenn die Betriebsrentner nur noch den halben Beitrag leisten sollten, dann müsse es eine Kompensation für die GKV über eine höhere Beitragsbemessungsgrenze und höhere Versicherungspflichtgrenzen geben. Der VdK fordert auch, für die „relativ kleine Personengruppe“, die auf Einzahlungen zur Direktversicherung und Betriebsrenten bereits Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge gezahlt hätten, eine Ausnahme von der Verbeitragung der Versorgungsbezüge in der Auszahlungsphase zu schaffen.

 

Der GKV-Spitzenverband verweist in seiner Stellungnahme auf die aktuelle Rechtsprechung. Zudem würden Einnahmeausfälle von sechs Milliarden Euro auf dem Spiel stehen. Und wenn man rückwirkend nachbessern wolle, würden unübersehbare Bürokratiekosten entstehen. Die Deutsche Rentenversicherung Bund erinnerte daran, dass bei der Entgeltumwandlung mit den entsprechenden Einnahmeausfällen für die Sozialversicherungen eben auch die Rentenanwartschaften langsamer anwachsen würden. Dabei müsse man auch sehen, dass es unterschiedliche Dynamisierungsregelungen in der gesetzlichen Rentenversicherung und der betrieblichen Altersversorgung gebe. Vor allem Bündnis 90/Die Grünen teilen die Kritik an der Entgeltumwandlung zur bAV, die die Rentenanwartschaft schmälert.

 

Zur Anhörung im Gesundheitsausschuss eingeladen wurde auch der Verein der Direktversicherungsgeschädigten (DVG), der insbesondere die rückwirkende Wirkung des ab 1.Januar 2004 geltenden Gesundheitsmodernisierungsgesetzes kritisiert, mit dem die klamme GKV finanziell wieder gestärkt werden sollte. “Erst angelockt … dann abgezockt“, schreibt der DVG, der von sieben Millionen Betroffenen von der Doppelverbeitragung spricht.

 

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