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Revision hat in Erfurt Erfolg:

Spätehenklausel verstößt gegen AGG

Eine Spätehenklausel in einer Versorgungsordnung stellt eine unzulässige Altersdiskriminierung dar. Das hat letzte Woche der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichtes entgegen der Vorinstanzen entschieden.

 

Das BAG schreibt zu dem Urteil 3 AZR 137/13 vom 4. August 2015:

 

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin eine Hinterbliebenenversorgung zu zahlen.

 

Die Klägerin ist die Witwe eines im April 1947 geborenen und im Dezember 2010 verstorbenen ehemaligen Mitarbeiters der Beklagten. Diesem waren Leistungen der bAV einschließlich einer Witwenversorgung zugesagt worden. Die maßgebliche Pensionsregelung enthält eine „Spätehenklausel“, nach der zusätzliche Voraussetzung für die Zahlung der Witwen-/Witwerrente ist, dass der versorgungsberechtigte Mitarbeiter die Ehe vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres geschlossen hat. Diese Voraussetzung erfüllte der verstorbene Ehemann der Klägerin nicht; die Ehe war erst am 8. August 2008 geschlossen worden. Die Beklagte weigerte sich aus diesem Grund, an die Klägerin eine Witwenrente zu zahlen.

 

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die Spätehenklausel ist gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Der verstorbene Ehemann der Klägerin wurde durch die Spätehenklausel unmittelbar wegen des Alters benachteiligt. Die Benachteiligung kann weder in direkter noch in entsprechender Anwendung von § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG gerechtfertigt werden. Diese Bestimmung lässt bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit Unterscheidungen nach dem Alter unter erleichterten Voraussetzungen zu. Sie erfasst, soweit es um Altersgrenzen als Voraussetzung für den Bezug von Leistungen der bAV geht, nur die Alters- und Invaliditätsversorgung und nicht die Hinterbliebenenversorgung und damit auch nicht die Witwen-/Witwerversorgung. Die Voraussetzungen für eine Rechtfertigung der unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters nach § 10 Sätze 1 und 2 AGG liegen nicht vor. Die Spätehenklausel führt zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen der versorgungsberechtigten Arbeitnehmer.“

 

Angaben zum Alter der vom Versorgungsberechtigten im fortgeschrittenen Alter Geehelichten machte das BAG leider nicht.

 

Vorinstanz war das Landesarbeitsgericht München mit Urteil 7 Sa 573/12 vom 15. Januar 2013.

 

 

Update 14. Juni 2016 durch die LbAV-Redaktion: Zwischenzeitlich hat der EuGH entschieden, dass Späteheklauseln nach EU-Recht nicht altersdiskriminierend sein müssen. Mehr dazu hier.

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

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