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10. Oktober – Großkampftag in Kassel (I):

Sind Sie Makler oder EbAV?

In Sachen Beitragspflicht findet morgen vor dem Bundessozialgericht ein regelrechter Großkampftag statt. Zwei der fünf anstehenden Verfahren betreffen das Versorgungswerk der Presse. Hier haben die vier Vorinstanzen uneinheitlich entschieden. Eine will gar eine bAV „eigener Art“ entdeckt haben.

 

Morgen geht es vor dem 12. Senat des BSG einmal mehr um die Frage der Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung.

 

Bundessozialgericht in Kassel. Foto: Dirk Felmeden.

Das sind zunächst zwei Verfahren betreffend das Versorgungswerk der Presse in Stuttgart. Strittig ist, ob auf Versicherungsleistungen, die unter Beteiligung des Versorgungswerks der Presse gewährt werden, Beiträge zur gKV geleistet werden müssen. Die vier Vorinstanzen haben nicht ganz einheitlich entschieden.

 

Das Gericht erläutert zu den beiden Revisionsverfahren B 12 KR 2/16 R und B 12 KR 7/15 R:

 

Das in der Rechtsform einer GmbH organisierte VwdP ist im Bereich der Alters- und Berufsunfähigkeitsvorsorge tätig. Es hat mit einem privaten Versicherungskonsortium einen Rahmenvertrag abgeschlossen, wonach jenes den Versicherungsschutz für die in der Satzung des Versorgungswerks genannten Personenkreise übernimmt. Hierzu zählen insbesondere Redakteure und Journalisten, journalistisch tätige Personen, aber auch zum Beispiel leitende Angestellte oder Personen, deren Aufnahme der Verwaltungsrat zustimmt. Vereinbart wurde auch, dass das Versorgungswerk den gesamten Geschäfts- und Zahlungsverkehr zwischen den Versicherern und den VN durchführt, ohne selbst Gläubiger oder Schuldner aus den abgeschlossenen Versicherungsverträgen zu werden.

 

In dem von der beklagten Krankenkasse geführten Revisionsverfahren B 12 KR 2/16 R hat das LSG NRW die Auffassung vertreten, die einem Lokalredakteur gewährten BU-Leistungen seien als Bezüge aus einer privaten Versicherung einzustufen und damit beitragsfrei. In dem zweiten, vom dortigen Kläger, einem Marketing- und Öffentlichkeitsberater, betriebenen Revisionsverfahren B 12 KR 7/15 R hat das LSG Rheinland-Pfalz entschieden, die Rentenzahlungen stellten in der gesetzlichen Krankenversicherung beitragspflichtige Versorgungsbezüge dar.“

 

Soviel zu den Verfahren im Grundsätzlichen. Darüber hinaus gibt der Senat im Vorfeld weitere Details zu den Verfahren bekannt (macht allerdings bei beiden Verfahren keinerlei Angaben darüber, wie während der Ansparphase mit den Prämien steuer- und beitragsseitig umgegangen worden ist).

 

 

Prämien durchgehend selbst bezahlt

 

Zunächst zu dem Fall B 12 KR 2/16 R:

 

Der Kläger, früher Lokalredakteur bei einem Zeitungshaus und nun versicherungspflichtiger Rentner, bestreitet die Beitragspflicht von Rentenzahlungen aus einer BU-Zusatzversicherung. Diese hatte er 1993 aufgrund eines zwischen dem VwdP und einem Versicherungskonsortium bestehenden Vertrags freiwillig abgeschlossen. Der Kläger, VN sowie versicherte Person, hat die monatlichen Prämien durchgehend selbst gezahlt. Die beklagte Krankenkasse stellte die Beitragspflicht der vierteljährlichen, wegen BU gewährten Rentenzahlungen als Versorgungsbezug fest, lehnte einen Antrag auf Erstattung bereits einbehaltener Krankenversicherungsbeiträge ab und forderte weitere Beiträge nach.

 

Das SG hat nach erfolglosem Widerspruchsverfahren die Anfechtungsklage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das LSG das erstinstanzliche Urteil geändert und die angefochtenen Bescheide aufgehoben: Die Rentenzahlungen stellten in der GKV beitragsfreie Bezüge aus einer privaten Lebensversicherung dar. Das VwdP sei nicht als Versicherungs- und Versorgungseinrichtung iS von § 229 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB V einzustufen, weil der versicherbare Personenkreis nicht wie erforderlich berufsspezifisch eingegrenzt sei. Die Rentenzahlungen seien auch nicht als beitragspflichtige Renten der bAV iS des § 229 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB V zu bewerten. Das VwdP vermittele lediglich als 'Makler mit Inkassofunktion' Versicherungen zu günstigen Konditionen. Weder sei es eine Pensionskasse noch führe es hinsichtlich der BU-Zusatzversicherung eine Direktversicherung durch.

 

Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten. Das VwdP stelle eine Versicherungs- und Versorgungseinrichtung iS des § 229 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB V dar. Jedenfalls seien die Rentenzahlungen der bAV zuzurechnen. Der Zusammenhang zwischen früherer Erwerbstätigkeit und der Zugehörigkeit zum VwdP ergebe sich daraus, dass der Zugang zum VwdP auf der Medien- und Kommunikationsbranche angehörige Personen beschränkt sei. Der Kläger habe die Versicherung nur aufgrund des mit dem VwdP bestehenden Rahmenvertrags abschließen können.“

 

Vorinstanzen waren:

SG Gelsenkirchen – S 11 KR 71/13 –

LSG Nordrhein-Westfalen – L 5 KR 35/14 –

 

 

Eigenartig: die bAV „eigener Art“

 

Hier weitere Details zu dem Fall B 12 KR 7/15 R:

 

Der Kläger war freiberuflicher Marketing- und Öffentlichkeitsberater, ist nunmehr Rentner und bei der beklagten Krankenkasse als solcher pflichtversichert. Er bezieht vierteljährliche Sofortrentenzahlungen aus einem Rentenversicherungsvertrag, den er auf der Grundlage eines zwischen dem VwdP und einem Konsortium von Versicherungsunternehmen bestehenden Vertrags im Jahr 1995 freiwillig abgeschlossen hatte. Die Beklagte stellte die Beitragspflicht der Rentenzahlungen fest und lehnte den Antrag des Klägers auf Erstattung der ab 1.9.2004 einbehaltenen Krankenversicherungsbeiträge ab.

 

Das SG hat nach erfolglosem Widerspruchsverfahren die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte zur Beitragserstattung verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen: Bei der Rentenversicherung des Klägers handle es sich nicht um eine private Lebensversicherung, sondern um eine betriebliche Altersversorgung 'eigener Art'.

 

Es könne offenbleiben, ob es sich bei dem VwdP um eine Versicherungs- und Versorgungseinrichtung für Angehörige bestimmter Berufe iS von § 229 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB V handele, jedenfalls beziehe der Kläger mit seinen Sofortrentenzahlungen Leistungen nach § 229 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB V. Die satzungsmäßige Begrenzung des versicherbaren Personenkreises auf in der Medien- und Kommunikationsbranche Tätige genüge den Anforderungen an die Annahme eines Zusammenhangs mit der früheren Erwerbstätigkeit.

 

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 229 Abs 1 S 1 Nr 3 und 5 SGB V sowie von Verfassungsrecht. Das VwdP sei weder Allgemeinversicherer noch – wie eine Pensionskasse – leistende, eine bAV 'durchführende' Institution. Der Kläger hat darüber hinaus zahlreiche Verfahrensrügen erhoben.“

 

Vorinstanzen waren:

SG Koblenz – S 13 KR 1066/13 –

LSG Rheinland-Pfalz – L 5 KR 130/14

 

Im Kern der Rechtslage steht bei beiden Verfahren § 229 SGB V Versorgungsbezüge als beitragspflichtige Einnahmen. Dort heißt es:

 

(1) Als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) gelten, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden,

(…)

3. Renten der Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen, die für Angehörige bestimmter Berufe errichtet sind,

(…)

5. Renten der bAV einschließlich der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst und der hüttenknappschaftlichen Zusatzversorgung.


Die Berichterstattung zu den beiden Urteilen findet sich zwischenzeitlich hier.

 

Der 12. Senat hat am morgigen Dienstag drei weitere Verfahren zu entscheiden, eines davon mit direktem Bezug zur bAV.

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