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Deutscher bAV-Preis 2019:

Sieger zwischen Jets, Panzern und Laboren – und mehr…

Zum bereits sechsten Mal wurde gestern in Berlin der Deutsche bAV-Preis vergeben. Prämiert wurden wieder innovative bAV-Pläne. Und: Ein Gesetz scheint erste Wirkung zu zeigen, ein anderes eine Renaissance zu erleben.

 

Airbus, Baxter und Siemens sowie die ComTS-Gesellschaften, KraussMaffei und Brand sind die Gewinner des Deutschen bAV-Preises 2019. Die Preisträger wurden gestern im Rahmen der Konferenz „Zukunftsmarkt Altersvorsorge“ in Berlin gewürdigt. Der jährlich verliehene Deutsche bAV-Preis hat damit insgesamt zum sechsten Mal vorbildliche betriebliche Altersversorgungsprojekte ausgezeichnet. Erstmals stehen dabei auch durch das BRSG neu geschaffene Möglichkeiten im Rampenlicht.

 

Das Gesetz entfaltet erste Wirkung“. Zu diesem Fazit kommt die Jury des Deutschen bAV-Preises. „Vor allem die mit weniger Aufwand umzusetzenden Optionen wie bAV-Riester oder Geringverdiener-Förderung finden sich in einigen der prämierten Pensionspläne wieder. Die reine Beitragszusage mit ihrer hohen Komplexität und ihrem großen Abstimmungsbedarf wurde dagegen noch nicht implementiert. Jedoch inspiriert sie Unternehmen offenbar, die schon lange bewährten Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne einer Zielrente klug zu nutzen“, berichtet Heribert Karch, aba-Chef und Mitglied der Jury.

 

Typisch deutsche bAV – kein one size fits all

 

Die preisgekrönten Projekte zeigen eindrucksvoll, welchen Stellenwert die bAV heute für viele Unternehmen besitzt. Im Wettbewerb um talentierte Mitarbeiter werfen viele Unternehmen eine innovative bAV in die Waagschale – und fast alle Preisträger berichten, dass die Beteiligungsquoten der Mitarbeiter bei den neuen Modellen sprunghaft gestiegen sind“, kommentiert bAV-Experte Thomas Jasper, Leiter Retirement Westeuropa bei Willis Towers Watson. Jasper betont, dass gerade die bestehende Gestaltungsfreiheit für die bAV in Deutschland dies erst möglich macht. „In der bAV gibt es kein ‚one size fits all‘ – und wer sich die Preisträger anschaut, wird sich das auch nicht wünschen“, so Jasper.

 

Abgehoben: der erste Platz bei Großunternehmen

 

Den ersten Platz in der Kategorie Großunternehmen belegte Airbus. Der Luft- und Raumfahrtkonzern überarbeitete seine bAV dem kollektiven Gedanken folgend. Die Jury sieht bei Airbus exzellente Risikobegrenzung bei gleichzeitig hoher Leistung: Dem Gedanken der Zielrente folgend, stellt Airbus statt eines Festzinses ein variables Zinsmodell mit kollektivem Anlagekonzept (vor allem in Aktien) in den Vordergrund. Die damit einhergehenden kurz- und mittelfristig zu erwartenden Kapitalmarktschwankungen sollen weitgehend durch kollektive Sicherungselemente ausgeglichen werden.

 

Mit dem neuen Plan verfolgt Airbus das Ziel, eine sehr attraktive Altersversorgung anbieten zu können, die sich von den Wettbewerbern deutlich unterscheidet. Zugleich wird aus finanzwirtschaftlicher Sicht die Planungssicherheit bzgl. der Kosten der Altersvorsorge sowie die Risikoposition des Arbeitgebers allgemein deutlich verbessert.

 

Airbus weiß dabei von der Herausforderung zu berichten, dass die Mitarbeiter das bestehende Festzinsmodell sehr schätzten – sowohl die Leistungshöhe als auch seine Einfachheit. Die neue Zusage mit dem variablen, kollektiven Zinsmodell sei weniger leicht zu durchdringen.

Die Preisträger 2019 in der Kategorie Großunternehmen: Martin Brixner, Marcus Wilhelm, Heidi Diercks, Thomas Bannert (alle Airbus), Anja Arl-Erichsen (Baxter), Thomas Nitz und Daniel Eppinger (beide Siemens), v.l.n.r., Foto: Peter Adamik.

Auch durch substanzielle Beiträge und eine Absicherung für Invaliditäts- und Todesfälle will Airbus einen deutlichen Mehrwert für die Mitarbeiter schaffen. Je weiter das Entgelt unter der Renten-Beitragsbemessungsgrenze liegt, umso höher ist dieser Zuschuss. Durch eine umfassende Kommunikation und die Aufstockung von Mitarbeiterbeiträgen zur bAV sollen Skeptiker überzeugt und zahlreiche Mitarbeiter für die notwendige Eigenvorsorge motiviert werden. Offenbar mit Erfolg: „Die Teilnahmequote an der freiwilligen Entgeltumwandlung zugunsten der bAV sind bereits vier Wochen nach Einführung des neuen Modells höher als beim vorherigen Modell“, berichtet das Unternehmen.

 

Serviert: der erste Platz bei KMU

 

In der Kategorie KMU steht der Pensionsplan der ComTS Gesellschaften ganz oben auf dem Treppchen. Die Jury würdigt die optimale Nutzung der neuen Fördermöglichkeiten: Die ComTS Gesellschaften folgen dem Fokus des BRSG, indem sie ihre bAV spezifisch auf Mitarbeiter mit niedrigen Einkommen zuschneiden, und setzen auf bAV-Riester und Geringverdienerzuschuss. Durch die zu weiten Teilen arbeitgeberfinanzierte bAV erreichen die ComTS Gesellschaften eine deutliche Verbesserung für die Altersversorgung ihrer Mitarbeiter, so die Jury.

 

Die ComTS hat ein faktisch arbeitgeberfinanziertes bAV-Modell entwickelt: Der Mitarbeiter erhält einen Arbeitgeberzuschuss von 30 Euro monatlich, er selbst trägt nur die anfallenden Steuern und Sozialabgaben. Trotz geringer Kapitalmarkterwartung erreicht er so nach 40 Jahren die Zielgröße von 100 Euro monatlich. Da die bAV als Riestervertrag gestaltet ist, profitieren insbesondere Mütter und Väter davon.

 

Bisher, so erklärt man, hatten Mitarbeiter mit Jahresgehältern unterhalb von 20.000 Euro vor allem eine Schwierigkeit: Nach 40 Jahren in der gesetzlichen Rentenversicherung erreichten sie gerade einmal Grundsicherungsniveau. Gleichzeitig wurde die komplette betriebliche Altersrente auf die Grundsicherung angerechnet. Das bAV-Modell kann ihnen nun eine zusätzliche, anrechnungsfreie Altersvorsorge in Höhe von 100 Euro monatlich bieten. „Mit diesem Modell ist die ComTS eines der ersten Unternehmen, die im unteren Lohnsektor eine zusätzliche arbeitgeberfinanzierte Altersvorsorge anbietet“, erklärt das Unternehmen.

 

Die weiteren Preisträger in der Kategorie Großunternehmen

 

Den zweiten Platz unter den Großunternehmen belegt Baxter Deutschland. Als Hersteller von Arzneimitteln und Medizinprodukten sieht die Jury bei Baxter eine starke bAV für starkes Employer Branding – mit einer bAV, die umfassend auf die Wünsche und Bedürfnisse der Mitarbeiter abgestimmt ist. „Im Hinblick auf eine sichere Altersversorgung ist eine Garantieverzinsung – bei Baxter drei Prozent per annum – für die Mitarbeiter sehr attraktiv. Ebenso bedeutend sind die großzügigen Risikoleistungen wie Zeitrente und Zurechnung von Eigenbeiträgen. Eine besondere Incentivierung wird darüber hinaus durch Zusatzbeiträge vom Unternehmen erreicht,“ so der Preisträger. Als Ziel seiner bAV nennt Baxter eine klare Positionierung der bAV als Instrument zur Gewinnung und Bindung der besten Talente in einem stark umkämpften Markt – insbesondere am Standort München – bei gleichzeitiger Risikominimierung.

 

Den dritten Platz hat Siemens gewonnen. Laut Jury nutzen die Münchner eine clevere Technologie für effiziente Planverwaltung und optimale Eigenvorsorge der Mitarbeiter. So können diese Beitragshöhe und Risikoabsicherung flexibel wählen, Fördermöglichkeiten genau vergleichen und Verträge online abschließen, während gleichzeitig eine effiziente und kostengünstige bAV-Verwaltung gewährleistet ist. Basis dafür ist ein Pensionsplan, der die bAV-Riester als gleichberechtigte Option neben die Brutto-Entgeltumwandlung stellt. Mit nur wenigen persönlichen Angaben kann jeder Mitarbeiter mit dem Optimierungsrechner feststellen, ob Bruttoentgeltumwandlung oder Riester günstiger ist. Dabei werden nicht nur die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Parameter in der Anwartschafts-, sondern auch in der Rentenphase berücksichtigt. Übrigens vermeldet Siemens infolge des Wegfalls doppelter Sozialversicherungsbeiträge eine Art Renaissance von Riester in der bAV, wie man am deutlich gestiegenen Anteil von Riester-Verträgen feststelle.

 

Mit durchdachter Kapitalanlage und innovativer Verrentung ergänzt das Konzept die arbeitgeberfinanzierte bAV bei Siemens, bewertet die Jury. Der Konzern selbst verspricht sich durch den vollständig digitalisierten Online-Prozess von der Produktinformation über den Vertragsabschluss im Siemens-Altersvorsorgeportal bis zur automatisierten Datenübermittlung an den R+V Pensionsfonds niedrige laufende Verwaltungskosten.

 

Mit neuen Kommunikationsansätzen wie einer Quiz-App oder Chat-Option können wir unsere Mitarbeiter besser auf die Entgeltumwandlung aufmerksam machen“, führt das Unternehmen aus. Insgesamt sei mit dem neuen Entgeltumwandlungsmodell die Teilnehmerzahl in den ersten Monaten gegenüber dem vorherigen Modell deutlich gestiegen.

 

Die weiteren Preisträger in der Kategorie KMU

 

Unter den kleinen und mittleren Unternehmen kommt der Maschinenbauer KraussMaffei auf den zweiten Platz. Das Unternehmen hat seine bAV neu gestaltet und dabei das arbeitgeberfinanzierte Leistungsniveau erheblich aufgestockt. Die Jury würdigte eine neue, ganzheitlich konzipierte Lösung mit Arbeitnehmerbeiträgen, die Integration von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträgen, Wahlmöglichkeiten bei Leistungen und Auszahlung sowie eine von Anfang an mitgedachte vereinfachte Administration. Entsprechend vermeldet KraussMaffei eine „sehr hohen Beteiligungsquote“: Der Pensionsplan 2018 wurde bereits in der initialen Umsetzungsphase offenbar sehr gut angenommen, in den ersten vier Wochen erreichte man eine Teilnahmequote am neuen Matching-Modell von 76 Prozent. Die darüber hinausgehende Beteiligung am Entgeltumwandlungsmodell über das Branchenversorgungswerk konnte von 16 auf 45 Prozent ausgebaut werden. Der Kommunikationsmix, bestehend aus individuellen Mitarbeiterschreiben, Gruppenveranstaltungen, telefonischer Hotline sowie bAV-Portal, ist für das Unternehmen dabei ein Schlüssel zum Erfolg.

 

Den dritten Platz unter den KMU belegt das Unternehmen Brand. Auch der Laborgerätehersteller setzt bei der Überarbeitung seiner bAV auf Matching-Finanzierung. Selbst leistet das Unternehmen wesentliche Beiträge und stockt darüber hinaus die Zahlungen seiner Mitarbeiter auf.

Die Preisträger 2019 in der Kategorie KMU. Sylvia Steiniger, Kars Hermann (beide Brand), Andreas Keuchel, Olaf Heinemann (beide ComTS), Jutta Wenzl und Harald Nippel (beide KraussMaffei), v.l.n.r., Foto: Peter Adamik.

Für das Unternehmen bietet das neue Modell die Möglichkeit der Anpassung an künftige Entwicklungen in der bAV durch Begrenzung der Laufzeit des arbeitgeberfinanzierten Teils (Tranchenmodell). Darüber hinaus steigt Sicherheit für Brand, da es keine nachlaufenden Finanzierungspflichten und keinen bilanziellem Ausweis der bAV-Verpflichtung gibt.

 

Nicht zuletzt eine treffsichere Kommunikation würdigte die Jury. „Die Zahl der Anmeldungen zum neuen bAV-Modell übertraf alle bisherigen Angebote in der bAV seit Einführung der arbeitnehmerfinanzierten bAV in den Unternehmen im Jahr 1985“, so das Fazit bei Brand, wo man eine wirkungsvolle Altersvorsorge auch für ein gewichtiges Argument bei der Mitarbeitergewinnung und -bindung hält.

 

Der Deutsche bAV-Preis

 

Initiiert wurde der Deutsche bAV-Preis im Jahr 2013 (damit ist er übrigens nur rund ein halbes Jahr jünger als LEITERbAV) von MCC und Willis Towers Watson. Der unabhängigen Jury des Deutschen bAV-Preises gehören an:

Prof. Bernd Raffelhüschen, Universität Freiburg

Heribert Karch, Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e. V., MetallRente AG

Klaus Morgenstern, Deutsches Institut für Altersvorsorge

Jürgen Dahmen, MAN HR Services GmbH

Sabine Oxenknecht, SICK AG

Thorsten Schecke, Deutsche Lufthansa AG

Evelyn Stoll, Volkswagen AG

Marcus Wilhelm, Airbus Group (nur für die Kategorie KMU).

 

Unterstützung erhält dieser Vorstoß von zahlreichen Organisationen, darunter die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), das DIA und das ddn – Das Demographie Netzwerk e.V.. Ebenso zählen namhafte Unternehmen wie Allianz, DWS, Fidelity International, KAS Bank, Metzler Asset Management und Zurich zu den Förderern des Deutschen bAV-Preises. Medienpartner sind u.a. Absolut Research, Comp & Ben, dpn, Finanzwelt, Personalmagazin und Personalwirtschaft sowie LEITERbAV.

 

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Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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