Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

4. Berliner bAV-Auftakt – Impressionen im Stakkato (II):

Schneller Ritt über das Rechtsparkett

Neben der jüngsten Reform wurden auf der bAV-Auftakt-Fachtagung Ende Januar in Berlin-Dahlem auch die Rechtsthemen Renteninformation, bAV-Urteile und DSGVO diskutiert. LbAV-Autor Detlef Pohl war gibt die wichtigsten Aussagen der Experten im Telegrammstil wieder. Heute: Redner von BMAS, BAG und Kanzlei BLD.


Auch den Nachmittag des von Prof. Mathias Ulbrich von der Hochschule Schmalkalden veranstalteten Events dokument
iert LEITERbAV wegen der Eichte der Informationen im Stakkato-Stil (sämtlich im Indikativ die Meinungen der nacheinander auftretenden Referenten).

 

BMAS: Wenn die Niederländer das schaffen, sollte es auch bei uns möglich sein

 

Konrad Haker, Ministerialrat und Referatsleiter „Grundsatzfragen der Alterssicherung, Finanzierung der Rentenversicherung“ im BMAS:

 

Konrad Haker, BMAS…

+++ Renteninformation soll Ansprüche aus allen Säulen der Altersvorsorge auflisten. Bisher sind Informationen nur zersplittert und offline zu haben +++ Noch keine abschließende Entscheidung der Bundesregierung zum „Produkt“, aber „wir arbeiten daran“ +++ Verlässlicher, vollständiger und verständlicher Vergleich unterschiedlicher Produkte ist Herausforderung, die ohne Abstriche nicht lösbar ist +++ 2017 gestartetes Forschungsprojekt von BMAS und BMF kurz vor dem Abschluss +++ Gesamtüberblick in einem System bieten schon Schweden, Niederlande, Belgien und in Ansätzen Großbritannien, aber „deren Rahmenbedingungen weichen stark von unseren ab“ +++ Bedenken wegen Datenschutz? „Wenn die Niederländer das schaffen, für die ebenfalls DSGVO gilt, sollte es bei uns auch möglich sein“ +++ „Rundes“ Endprodukt ist nicht im ersten Schritt zu erwarten, „Konzept für ersten Schritt wird in nächsten zwei bis drei Monaten zur Diskussion gestellt“ +++ Darauf aufsetzend rechtliche und organisatorische Umsetzungsschritte zu identifizieren und anzugehen +++ „Ersten Umsetzungsschritte sollen 2020 eingeleitet werden +++

 

Podiumsdiskussion: Tarifpartner am 20. Februar zu SPM bei Minister Heil

 

Rechtsanwalt Volker Landwehr, Abteilungsleiter Steuern GDV, Moderator Mathias Ulbrich, Konrad Haker, BMAS, und Peter Görgen, Referatsleiter „Zusätzliche Altersversorgung“ im BMAS (v.l.n.r.):

…und die Podiumsdismussion mit Volker Landwehr, Mathias Ulbrich, Konrad Haker, Peter Görgen (v.l.n.r.)…

+++ Haker: In Renteninfo werden nur Altersvorsorgeprodukte einbezogen, keine Immobilien +++ Zusätzliche Info-Pflichten und Kosten will niemand; Bürger bekommt hier eine Holschuld von der Online-Plattform +++ Görgen: Renteninfo-Projekt „soll noch in dieser Legislatur fliegen“ +++ Zum SPM wird Spitzentreffen beim Bundesarbeitsminister am 20 Februar mit den Spitzen der Tarifparteien hoffentlich einen Impuls zur Umsetzung liefern +++ Landwehr: BRSG hat steuerlich viel Gutes gebracht, zu Zweifelsfragen muss aber BMF-Schreiben vom Dezember 2017 renoviert werden +++ 8-Prozent-Förderung sollte auf SV ausgeweitet werden, da sonst weiter zwei Durchführungswege (etwa Direktversicherung und Unterstützungskasse) nötig, um SV-Problem zu vermeiden +++ Präzisierung durch BMF-Schreiben nötig, wie Formulierung „lediglich“ im Kontext des 3 Nr. 55c EStG (steuerfreier Anbieterwechsel des bAV-Vertrages ohne Arbeitgeberwechsel) zu verstehen ist +++ Positiv ist gesetzliche Normierung der zulässigen Auszahlungsformen in 82 EStG inklusive Kapitalwahlrecht zu Beginn der Auszahlungsphase sowie Aussagen zur Leistung bei rBZ +++ Görgen: Auslegungsfragen zum 15-Prozent-Arbeitgeberzuschuss können abschließend nur Arbeitsgerichte entscheiden; wenn Einrichtung wegen geänderter Rechnungsgrundlagen Annahme verweigern, kann Zuschuss auch an andere Einrichtung gezahlt werden +++ Haker: Renteninfo muss einfach sein und wird schon deswegen „Macken“ haben +++ Haftung für Renteninfo muss ausgeschlossen werden (Disclaimer) +++

 

BAG: Einstandspflicht des PSV und bei Betriebsübergang in Insolvenz beim EuGH

 

Bertram Zwanziger, Vorsitzender Richter des Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts:

 

…und Bertram Zwanziger, BAG…

+++ Solange Betriebsrentner noch lebt, kann allein er Rechte aus der Hinterbliebenenversorgung –durch Feststellungsklage – geltend machen (Urteil vom 31. Juli 2018; Az.: 3 AZR 731/16) +++ Bei vorzeitigem Ausscheiden durch Invalidität errechnet sich bAV-Anspruch grundsätzlich zeitanteilig nach tatsächlicher Dauer des Arbeitsverhältnisses im Vergleich zur möglichen. Maßstab ist die Rente, die ohne vorzeitiges Ausscheiden erreicht worden wäre (Urteil vom 23. Januar 2018; Az.: 3 AZR 448/16) +++ Bei vorzeitigem Ausscheiden und Anspruch auf beitragsorientierte Leistung besteht Anspruch auf die umgewandelten Beiträge sowie die bis zum Ausscheiden erzielten Erträge, Zinsen aber nicht zwingend erfasst (Urteil vom 23. Januar 2018; Az.: 3 AZR 359/16) +++ Mittels U-Kasse, bei der keine Leistungsansprüche mehr von Berechtigten existieren, aber ein erheblicher Rückkaufswert aus der RDV aufgelaufen ist, kann Insolvenzverwalter des Trägerunternehmens diesen nicht beanspruchen, wenn dies satzungsmäßig ausgeschlossen war, was zulässig ist (Urteil vom 16. Oktober 2018; Az.: 3 AZR 402/16) +++ Wenn Arbeitnehmer wegen Diebstahls gekündigt und verurteilt wird, kann er später trotzdem seine bAV-Ansprüche geltend machen, wenn diese vor der Tat schon unverfallbar waren und die Tat nicht Existenz des Arbeitgebers gefährdet hat (Urteil vom 26. April 2018; Az.: 3 AZR 738/16) +++ Ablösung von Versorgungszusagen durch Tarifvertrag ist zulässig – auch wenn Versorgungsfall schon eingetreten ist, sofern die Grundsätze von Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit eingehalten sind (Urteil vom 31. Juli 2018; Az.: 3 AZR 731/16) +++ Probleme der Altersbenachteiligung stellen sich oft in Hinterbliebenenversorgung: unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters z.B. liegt vor, wenn Beschäftigungszeiten nach Alter 60 nicht mehr zu Rentensteigerungen führen (Urteil vom 17. Oktober 2017; Az.: 3 AZR 199/16) +++ Aber: Begrenzung der Zeiten möglicher Rentensteigerungen auf Zeiten vor Alter 60 durch die Tarifvertragsparteien kann angemessen sein (ebenfalls Az.: 3 AZR 199/16) +++ In bAV ist auch unternehmerischen Belangen einer begrenz- und kalkulierbaren Belastung Rechnung zu tragen: Denkbar sei, „Unwuchten“ im Rahmen einer Versorgungsordnung zu beseitigen +++ Mittels Späteheklauseln darf Versorgung ausgeschlossen werden, falls der hinterbliebene Ehegatte mehr als 15 Jahre jünger ist als der unmittelbar Versorgungsberechtigte (Urteil vom 20 Februar 2018; Az.: 3 AZR 43/17) +++ Wenn Pensionskassenrente mit Zustimmung der Aufsicht gekürzt wird, muss Arbeitgeber für die Leistung einstehen, doch im Insolvenzfall wurde PSV in Anspruch genommen. Der lehnte nach deutschem Recht zu Recht ab. Doch könnte der Betriebsrentner Ansprüche aus der Insolvenzschutzrichtlinie herleiten? Das BAG legte die Frage dem EuGH vor (Az.: 3 AZR 142/16). Mündliche Verhandlung: 14. Februar 2019 +++ Betriebserwerber tritt in die Rechte und Pflichten aus den bei Betriebsübergang bestehenden Arbeitsverhältnissen ein, aber nach BAG nicht bei Betriebsübergang in der Insolvenz für die bis dahin erworbenen Anwartschaften. Mit Unionsrecht vereinbar? BAG legt Frage ebenfalls dem EuGH vor (Urteile vom 16. Oktober 2018; Az.: 3 AZR 139/17 und 3 AZR 878/16). Verhandlungstermine nannte Zwanziger nicht +++

 

BLD Rechtsanwälte: DSGVO nicht so furchtbar, wie sie aussieht

 

Dr. Tobias Britz, Fachanwalt für Versicherungsrecht, Partner der Kanzlei BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnergesellschaft mbH:

 

…und Tobias Britz, BLD Bach Langheid Dallmayr. Alle Fotos: Yvonne Weigert.

+++ DSGVO gilt nicht für die Verarbeitung personenbezogener Daten juristischer Personen – einschließlich Namen, Rechtsform oder Kontaktdaten der juristischen Person +++ In bAV kommen als „verantwortliche Stelle“ für die Verarbeitung personenbezogener Daten namentlich Arbeitgeber, Dienstleister, Vermittler und Versorgungsträger in Betracht (müssen alle wesentlichen Verarbeitungsmaßnahmen dokumentieren) +++ Unverschlüsselte E-Mails mit personenbezogenem Inhalt sind im Hinblick auf Vertraulichkeit, Authentizität und Integrität problematisch +++ Datenverarbeitung auch ohne Einwilligung erlaubt, wenn zur Erfüllung eines Vertrages oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen auf Antrag der betroffenen Person erforderlich, etwa bei bAV +++ Datenverarbeitung zur Vertragserfüllung ohne Mitwirkung der betroffenen Personen im Zusammenhang mit Versicherungsverhältnissen in vielen Fällen zulässig (auch bei Gruppenversicherungen und U-Kasse), sofern präziser Zweck angegeben (auch Zweckänderung) +++ DSGVO erlaubt Datenverarbeitung, wenn zur Wahrung berechtigter Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten (etwa bAV-Dienstleister oder Versicherer) erforderlich, sofern nicht Interessen des Arbeitnehmers überwiegen (Art. 6 I) +++ In bAV müssen häufig auch besonders sensible Kundendaten verarbeitet werden, etwa Gesundheitsdaten, Religions- und Gewerkschafszugehörigkeit, was in Kollektivvereinbarungen unproblematisch geregelt werden kann, ansonsten aber Einwilligungserklärung des Betroffenen in der Regel erforderlich (Art. 7) +++ +++ In bAV-Praxis ist die Einwilligung unproblematisch für Versicherer, wenn sie von versicherter Person stammt, für den Vertrieb, wenn Kunde in Angebotsphase einwilligt und für Arbeitgeber bei Kollektivlösungen (sonst Einwilligungserklärung des Arbeitnehmers zur Datenweitergabe an Dritte nötig) +++ DSGVO beinhaltet keine detaillierten Regelungen zum Beschäftigtendatenschutz und für die bAV +++ Aber: Art. 88 liefert mit Öffnungsklausel auch Anforderungen an bAV, deren Umsetzung in der Praxis wohl letztlich vom EuGH zu bewerten ist +++ Kollektivverträge und Betriebsvereinbarungen sind privilegiert +++ Das heißt: Verarbeitung samt Übermittlung „einfacher“ personenbezogener Daten der Arbeitnehmer an bAV-Vertrieb und Versorgungsträger ist zulässig, sofern erforderlich (z.B. Name, Adresse, Geschlecht, Geburtsdatum, Kontoverbindung, Gehaltsabrechnung) +++ Fazit: DSGVO ist im bAV-Bereich nicht „so furchtbar, wie sie aussieht, aber man muss sauber dokumentieren“, dann riskiert man auch kein Bußgeld, zumal bei Anwendung „noch vieles im Fluss“ +++

 

Die Berichterstattung zu dem Vormittag des Berliner bAV-Auftakts findet sich hier auf LEITERbAV.

 

Veranstalter Matthias Ulbrich gab bekannt, dass die nächste Veranstaltung dieser Reihe am 23. Januar 2020 stattfinden wird.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

© Pascal Bazzazi – LEITERbAV – Die auf LEITERbAV veröffentlichten Inhalte und Werke unterliegen dem deutschen Urheberrecht. Keine Nutzung, Veränderung, Vervielfältigung oder Veröffentlichung (auch auszugsweise, auch in Pressespiegeln) außerhalb der Grenzen des Urheberrechts für eigene oder fremde Zwecke ohne vorherige schriftliche Genehmigung. Die Inhalte einschließlich der über Links gelieferten Inhalte stellen keinerlei Beratung dar, insbesondere keine Rechtsberatung, keine Steuerberatung und keine Anlageberatung. Alle Meinungsäußerungen geben ausschließlich die Meinung des verfassenden Redakteurs, freien Mitarbeiters oder externen Autors wieder.