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Endspiel in Bonn:

Sanierungskonzept abgesegnet, aber…

wie es mit der Deutschen Steuerberater-Versicherung, Pensionskasse des steuerberatenden Berufs (DSV), weitergeht, scheint offen. Die Kasse kämpft seit längerem mit massiven Unterdeckungen beim Mindestkapital und muss nun Leistungen kürzen. LbAV-Autor Detlef Pohl fasst erneut nach.

 

Die neuen Fakten sind – wie praktisch stets in dieser Angelegenheit – eher spärlich: Die Vertreterversammlung der Deutschen Steuerberater-Versicherung, Pensionskasse des steuerberatenden Berufs (DSV) habe am 11. Dezember die Sanierung beschlossen, gab der Vorstand der Bonner Einrichtung am späten Nachmittag des 12. Dezember in einer Pressemeldung bekannt.

 

Dies sei erforderlich geworden, um für die anhaltende Niedrigzinsphase „vorzusorgen“, wie es in der Mitteilung heißt (LbAV hatte bereits berichtet).

 

Es sei der Kasse nicht länger möglich, dauerhaft die Garantien von bis zu 4% auf die eingezahlten Beiträge zu erwirtschaften. Durch die Sanierung „wurde der maximale Garantiezins auf 2,25% abgesenkt“. Damit sieht sich die DSV nach eigener Aussage nunmehr in der Lage, die Ansprüche ihrer Versicherten auch in Zukunft zu erfüllen.

 

Nicht aus eigener Kraft

 

Das Sanierungskonzept sieht vor, die Leistungen an die Versicherten herabzusetzen. Ohne die Herabsetzung hätte die Deckungsrückstellung zum 31. Dezember 2018 nachträglich um rund 158 Mio. Euro verstärkt werden müssen, um den negativen Auswirkungen des Niedrigzinsumfeldes zu begegnen“, heißt es weiter aus Bonn. Diese Summe konnte die Deutsche Steuerberater-Versicherung nicht aus eigener Kraft aufbringen, erklärt der Vorstand. Welche Tarife betroffen sind und wie hoch die Kürzung ausfällt, könne die Kasse nicht generell sagen, sondern nur im Einzelfall. Dies sei abhängig von Tarif, Eintrittszeitpunkt und Alter der Versicherten.

 

Allein für die Bedienung der garantierten Leistungen benötigte die DSV zuletzt jährlich offenbar 3,48 Prozent Durchschnittsverzinsung. Aus diesem Grunde bestand Handlungsbedarf. Laut Jahresabschuss 2018, den die Vertreterversammlung auf der Basis des Sanierungskonzeptes nun ebenfalls genehmigt hat, erwirtschaftete die Kasse 2018 ein Kapitalanlageergebnis nach Aufwendungen von 32,2 Mio. Euro. Das entspricht 3,2% Nettoverzinsung (2017: 4,6%). Nun sinkt der Garantiezins im Bestand je nach Tarif auf besagte maximal 2,25%, lässt sich Aufsichtsratschef Franz Bausch, Steuerberater und vereidigter Buchprüfer in Freiburg, in der Mitteilung zitieren, und mit der Sanierung habe die Kasse „frühzeitig Vorsorge getroffen, um den Herausforderungen am Kapitalmarkt zu begegnen“. Aufgrund der aktuellen Finanzlage schließe die DSV „derzeit“ keine neuen Versicherungsverträge mehr ab.

 

Laut Jahresabschluss 2018 fielen die Beitragseinnahmen auf 20,9 Mio. Euro (2017: 24 Mio. Euro). Dazu hätten die planmäßigen Abläufe und der Eintritt der Versicherten in das Rentenalter ebenso beigetragen wie die Einstellung des Neugeschäfts ab Oktober 2018.

 

Die Leistungen erhöhten sich laut Jahresabschluss 2018 auf 47 Mio. Euro (2017: 45,5 Mio. Euro). Der Kapitalanlagenbestand betrage rund 1 Mrd. Euro. Weitere Angaben waren auch auf Nachfrage von LEITERbAV nicht zu erfahren. Der Jahresbericht war bis Redaktionsschluss am 16. Dezember abends nicht ins Internet eingestellt. Dort sind nur die Jahresberichte bis 2017 einsehbar.

 

Optimistisch klingende Pressemeldung trotz unklarer Leistungskürzungen

 

Die Keywords dieser Pressemitteilung klingen eigentlich gut: „für die anhaltende Niedrigzinsphase vorzusorgen“, „nunmehr in der Lage, Ansprüche … auch in der Zukunft zu erfüllen“, „frühzeitig Vorsorge getroffen“, „nach wie vor eine attraktive Verzinsung“, „derzeit keine neuen Versicherungsverträge mehr“, „Nettoverzinsung … etwa im Branchendurchschnitt“.

 

Allerdings fragt man sich, wie man Ende 2019 „frühzeitig“ (!) für etwas vorsorgen will, das schon seit gut zehn Jahren als Problem gilt und bei vielen Lebensversicherern und Pensionskassen längst zu energischem Gegensteuern geführt hatte. Weiter kann man fragen, inwiefern sich die jüngsten, recht gut klingenden Statements der Kasse mit der BaFin-Ankündigung decken, möglicherweise den Geschäftsbetrieb untersagen zu wollen (LEITERbAV hatte in der Causa bereits früh bemängelt, dass das Wording der Kasse einerseits und die Fatalität der Lage nicht so recht zusammen zu passen scheinen, das betraf schon den Geschäftsbericht 2017).

 

Die am 12. Dezember ebenfalls publizierte ad-hoc-Mitteilung liest sich dann schon sichtlich weniger kommod:

 

Wäre das Sanierungskonzept gescheitert, hätte der Vorstand gegenüber der BaFin nach § 311 Abs. 1 S. 2 VAG „die nun abgewendete Überschuldung anzeigen müssen“, heißt es dort. Folge wäre gewesen, dass auch die Zahlungen auf die Schuldverschreibungen der Anleihegläubiger erst hätten „erfolgen dürfen, wenn alle Ansprüche … aus nicht nachrangigen Verbindlichkeiten vollständig befriedigt sind“.

 

Die Kasse ließ gegenüber LEITERbAV erneut Fragen unbeantwortet. Unter anderem wollte der Autor wissen, wann der Geschäftsbericht 2018 vorgelegt wird und was sich bei den Kapitalanlagen seit 2017 verändert hat. Und ob man endlich auch mal auf Presseanfragen zu antworten gedenkt.

 

BaFin-Ankündigung zum Ende des Geschäftsbetriebs

 

Zur Erinnerung: Die BaFin hatte der Kasse bereits am 17. Oktober angekündigt, dass sie beabsichtigt, den vorgelegten Finanzierungsplan zu verweigern und infolgedessen die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb gemäß § 304 Abs. 1 Nr. 2 1. Fall VAG zu widerrufen. Die Kasse selbst hatte dies in einer Ad-hoc-Mitteilung im November publiziert und ergänzt, dass man hierzu im Rahmen des Anhörungsverfahrens am 4. November fristgerecht Stellung genommen habe, eine Entscheidung der BaFin aber ausstehe.

 

Genau an diesem Punkt befindet sich die Kasse mglw. im Moment. Die BaFin hatte wie erwähnt der DSV bereits mit Bescheid vom 1. Oktober 2019 das Neugeschäft untersagt. Der Verwaltungsakt war zum 12. November 2019 bestandskräftig geworden.

 

Wie die DSV jetzt erklärte, steht die Entscheidung der BaFin noch immer aus. Solche Verwaltungsprozesse ziehen sich naturgemäß hin, wenn die rechtlichen Mittel Widerspruch der Anordnung und ggf. Klage ausgeschöpft werden.

 

Die BaFin in Frankfurt am Main, Foto: Kai Hartmann.

Die BaFin äußerte sich unter Verweis auf ihre Verschwiegenheitspflicht wie üblich nur sehr eingeschränkt. Zu der Frage, ob und wann es zum Widerruf des Geschäftsbetriebes komme, gab die Anstalt erneut nur grundsätzliche Auskunft: Gemäß § 135 II VAG hat der Versicherer einen Monat Zeit, nachdem die Mindestkapitalanforderung nicht mehr bedeckt ist, der Aufsicht einen Finanzierungsplan vorzulegen, wie die anrechnungsfähigen Basiseigenmittel innerhalb von drei Monaten mindestens auf Höhe der Mindestkapitalanforderung aufgestockt bzw. das Risikoprofil entsprechend gesenkt werden sollen. Die BaFin hatte der Kasse bekanntlich mitgeteilt, diesen Plan abzulehnen. Nach § 304 I Nr. 2 VAG ist die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb dann zu widerrufen, wenn der Versicherer die Mindestkapitalanforderung nicht erfüllt und die Aufsicht der Auffassung ist, dass der vorgelegte Plan offensichtlich unzureichend ist oder es dem Versicherer nicht gelingt, innerhalb besagter drei Monate nach Feststellung der Nichtbedeckung der Mindestkapitalanforderung den genehmigten Finanzierungsplan zu erfüllen.

 

Wenn das Mindestkapital nicht bedeckt ist, droht Run-off

 

Wenn die BaFin die Erlaubnis widerriefe, hieße das, den Bestand des Unternehmens ordnungsgemäß abzuwickeln (interner Run-off). Dann hätte die Wiedererfüllung der Solva keine Priorität mehr im Aufsichtshandeln. Die Kasse könnte dazu Widerspruch einlegen und gegebenenfalls gegen den Verwaltungsakt klagen – das Verfahren dürfte sich weit ins neue Jahr hinziehen. Frühestens im späten Frühjahr dürfte demnach feststehen, ob die Aufsichtsbehörde die Steuerberater-Kasse in den Run-off schickt. Dies muss für Bestandskunden keine neue schlechte Nachricht sein – denn im Bereich Leben/Rente/bAV werden in diesem Fall die Verträge nicht gekündigt, sondern fortgeführt.

 

Das Trauerspiel der DSV und die damit einhergehende spärliche Informationspolitik ziehen sich nun schon zwei Jahre hin. Bereits Ende 2017 hatte es massive Unterdeckungen gegeben (Ad-hoc-Mitteilung vom 5. Dezember 2018), obwohl der Geschäftsbericht 2016 dies nicht erkennen ließ. Die Öffentlichkeit hatte von der Krise erst per Ad-hoc-Meldung vom 19. Oktober 2018 erfahren.

 

 

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