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Pensions ständig under construction:

PEPP für die bAV?

Die Pläne der EIOPA zu einem Pan-European Personal Pension Product betreffen eigentlich die dritte Säule. Eigentlich. Denn wer sagt denn, dass dies nicht ein Modell für die zweite sein kann? „Gute Idee“ dachte man sich wohl auch in Frankfurt.

 

 

Die deutsche bAV-Reform nimmt Fahrt auf, die neue EU-Pensionsfondsrichtlinie geht in die finale Phase und anschließend in die nationale Umsetzung, der Common Framework der EIOPA ist keinesfalls vom Tisch – doch wer gehofft hat, dass nun die Zeit reif sei für eine regulatorische Pause, um all das legislativ Neue erst einmal operativ zu verdauen, der muss sich getäuscht sehen. Denn nun hat EU-Aufsichtsbehörde gleich die nächste Baustelle eröffnet.

 

Gabriel Bernardino, Chairman EIOPA.
Gabriel Bernardino, Chairman EIOPA.

Auf der diesjährigen, sechsten EIOPA-Tagung am 18. Oktober in Frankfurt hat Amts-Chef Gabriel Bernardino vor allem über die mögliche PEPP-Ausgestaltung in der dritten Säule gesprochen. Die von ihm hier angesprochenen Punkte lauteten u.a. „long-term investment policy“, „minimum holding periods“, „sustainable investment in illiquid assets“, „transparency“, „centralized information system“, „online updated and easily accessible information of the costs, risks and returns of all PEPP’s“ und natürlich „benefits for European Union citizens.“

 

Mittlerweile spricht man bei der EIOPA übrigens von einem „2nd Regime“. Der früher übliche Terminus des „28th“ respektive „29th Regime“ ist angesichts der spätestens nach dem Brexit volatiler werdenden Zahl von EU-Mitgliedern wohl nicht mehr recht standesgemäß.

 

 

PEPP als Vorbild für DC-Pläne

 

Später in der Rede spann Bernardino dann den Bogen zur bAV, laut Manuskript sagte der Portugiese:

 

Whilst the PEPP is designed as a personal product, I believe that some of its learnings can benefit occupational pensions, too.”

 

Im Weiteren bezog er sich konkret auf reine Beitragszusagen, also auf etwas, das mit der bAV-Reform nun in Deutschland just neu Realität werden soll:

 

Looking forward, a further important step would be the design of a simple and transparent 2nd regime for Defined Contribution Occupational Pensions Schemes. This framework should be capable to take full advantage of the potential of the European Union internal market, by providing a cross-border platform which European companies could use to manage the retirement plans of their employees, reduce costs, support long term funding of the European Union economy and ultimately deliver better pension outcomes.”

 

Wenig begeistert zeigt sich die aba von dem Vorstoß, den sie nicht zuletzt auch wegen der Frage der europaweiten steuerlichen Harmonisierung für schwer umsetzbar hält. So erklärte Klaus Stiefermann, Geschäftsführer der aba, gegenüber LEITERbAV:

 

Klaus Stiefermann. aba.
Klaus Stiefermann, aba.

Die Euphorie von Gabriel Bernardino für PEPP beschränkt sich offenbar nicht auf die dritte Säule. Nun soll also eine EU-Regulierung für DC-Pläne geschaffen werden, die parallel zu den gegebenenfalls national existierenden Anforderungen an die bAV bestehen soll. Würde sich die EU-Kommission mit der PEPP-Vorstellung auch bei der bAV durchsetzen, nämlich dergestalt, dass die Mitgliedstaaten dem EU-Regime mindestens die gleichen steuerlichen Rahmenbedingungen gewähren sollen wie den nationalen Altersvorsorgeprodukten beziehungsweise der bAV, dann wären die Konsequenzen für das betriebliche Pensionswesen enorm.“

 

Das Interesse multinationaler Unternehmen an EU-weit einheitlichen DC-Plänen und der Nutzung von Größenvorteilen sei zwar nachvollziehbar, denn in einem zweiten Regime würde allein das EU-Aufsichtsrecht die Anforderungen definieren. Arbeits-, sozial- und steuerrechtliche Hemmnisse wären damit weitgehend beseitigt, so Stiefermann weiter. Jedoch müssten die Mitgliedstaaten hierfür „nur“ ihre Kompetenz im Bereich der Altersversorgung aufgeben.

 

 

Mehr Macht. Mehr Geld.

 

Des weiteren könnte eine Einführung eines solch zentralisierten zweiten Regimes den generellen Wunsch der Behörde nach einer Ausweitung ihres Mandats argumentativ untermauern. Denn Bernardino forderte in seiner Rede nicht zuletzt auch mehr Geld und Macht, nämlich dass

 

…the forthcoming review of the European System of Financial Supervision should guarantee a proper financing mechanism for EIOPA and strengthen the supervisory convergence area with a clearer mandate to ensure common supervisory culture and practices.“

 

Bei der aba sieht man auch dies kritisch. Nochmal Stiefermann: „Im Hinblick auf die Umsetzung von PEPP hat Bernardino bereits gefordert, dass ihre Umsetzung mit einer Weiterentwicklung der Befugnisse und Instrumente von EIOPA einhergehen müsse. Diese Bestrebungen verbunden auch mit der Forderung nach einem direkten finanziellen Beitrag der Versicherungsunternehmen und der EbAV zur Finanzierung von EIOPA stehen im Kontext der anstehenden Überarbeitung der EU-Aufsichtsstrukturen und damit auch der EIOPA-Verordnung.“

 

Nach über fünf Jahren müsse für die bAV endlich die zentrale Frage geklärt werden, welche Aufgaben eine EU-Aufsichtsbehörde (die laut EIOPA-Verordnung auf Harmonisierung und Konvergenz ausgerichtet ist) im Hinblick auf die bAV haben soll, deren Ausgestaltung primär durch nationales Arbeits- und Sozialrecht geprägt ist. Die EbAV-II-Richtlinie setzte konsequenterweise auf aufsichtsrechtliche Mindeststandards – statt auf eine EU-weite Vollharmonisierung. „Das Selbstverständnis und die Ambitionen von EIOPA passen dazu wohl kaum,“ so Stiefermann weiter.

 

 

Versicherer für Vielfalt

 

Auch die europäische Versicherungswirtschaft fühlt sich offenbar unwohl angesichts des ungebrochenen Drangs der Europäischen Kommission und der EIOPA zur Vereinheitlichung der Standards in Europa. In ihrer Antwort auf die Konsultation der Kommission zu Personal Pensions beschwört der europäische Versicherungsverband InsuranceEuropa die Vielfalt der Mitgliedstaaten:

 

The EC argues that the personal pension market is inefficient, fragmented along national borders and dominated by a limited number of national players. Furthermore, it suggests that national tax requirements would hamper the purchase of products by foreign clients. As a result, cross-border provision of personal pension products is found to be limited.

[…]

Insurance Europe strongly disagrees with the bulk of this analysis. […] Member states have arranged their pension systems differently, according to their socio-economic model and local practices. The respective roles of and interaction between statutory, occupational and personal pensions are unique to each member state. These aspects have been shaping national pension markets for decades and resulted in different pension products features.“

 

Und das soll nun auf einmal schlecht und abschaffungswürdig sein? Nein, ganz im Gegenteil, denn:

 

Insurance Europe questions why these national features should automatically be deemed as 'barriers'. On the contrary, they should be seen as justified given the environment in which they have developed.“

 

 

Kritik gibt es schon länger

 

Übrigens war schon der PEPP-Vorstoß der EIOPA, der sich auf die dritte Säule bezieht, bereits in der Vergangenheit nicht ohne schwere Kritik geblieben, namentlich ob seiner Widersprüche und zahlreichen offenen Fragen. Diese Kritik findet sich auch auf LEITERbAV, so in den Gastbeiträgen von Christian Röhle („PEPP – Wohin geht die Reise?“) und Alfred Gohdes („So schlicht wie blauäugig.“).

 

Fazit von LEITERbAV: Kaum ein Kelch scheint an der bAV vorbeizugehen, selbst die nicht, bei denen es zwischenzeitlich so schien. Wie bei den ständig neuen, zumeist umwälzenden Regulierungsvorstößen, von denen manche in die Tat umgesetzt werden und manche nicht, eine stetige Weiterentwicklung des betrieblichen Pensionswesens in Europa entstehen soll, bleibt schleierhaft.

 

Die Rede Bernardinos vom 18. Oktober findet sich hier.

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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