Der eigentlich für Herbst angekündigte Entwurf der neuen Pensionsfondsrichtlinie der Europäischen Kommission wird auf unbestimmte Zeit verschoben.
Das erfuhr Leiter-bAV.de am Rande der derzeit in Berlin stattfindenden aba-Herbsttagung. Grund für die Verzögerung sei die grundsätzlich nicht ausreichende Datenlage, die zu einem Scheitern der Interservice-Konsultation, also den Beratungen zwischen den beteiligten Generaldirektionen Binnenmarkt (Michel Barnier), Arbeit und Soziales (László Andor) sowie Wirtschaft und Währung (Olli Rehn), geführt habe. Folglich muss das Impact Assessment, dessen Ergebnisse im August vorgelegt worden sind, wiederholt werden – ein Prozess, der sicher mehrerer Monate in Anspruch nehmen wird.
Nachdem Binnenmarkt-Kommissar Barnier erst Ende Mai verkündet hatte, dass mit der Säule I der Kern des geplanten Eigenkapitalregimes und damit auch der wesentliche Streitpunkt – die Frage der risikoorientierten, quantitativen Eigenkapitalanforderungen – aus der Entwicklung der neuen Pensionsfondsrichtlinie ausgeklammert bleibt, liegt nun also das ganze Projekt auf Eis. Das hat Folgen. Denn angesichts der im Mai anstehenden Wahlen zum Europaparlament kann man davon ausgehen, dass das EP ab März keinerlei Beschlüsse mehr fassen wird und damit eine Verabschiedung der Richtlinie in dieser Legislaturperiode wohl kaum mehr möglich ist. Nun gilt auch für die Kommission, dass die handelnden Beamten vor Wahlen genauso wie danach an ihren Projekten arbeiten, die Kontinuität der Bürokratie macht also auch vor Brüssel nicht halt. Doch gerade bei der Pensionsfondsrichtlinie ist der Sachverhalt komplexer: Es wäre überraschend, hätte der Franzose Barnier in seinem Denken und Handeln auch als EU-Kommissar nicht stets die Interessen seines Heimatlandes, in dem Fall die seiner großen Versicherungskonzerne, im Auge. Daher liegt es im Bereich des Möglichen, dass unter einem neuen Kommissar die versicherungslastige Sichtweise der Kommission und ihrer Beamten auf die bAV einer pragmatischeren weicht. Insofern kann sich die Verschiebung der Richtlinie noch als tatsächlicher Glücksfall für die europäische Industrie und ihre Versorgungswerke erweisen.
Und jetzt die freitägliche kommentierte Presseschau zur bAV, heute:
FAZ (25. September): „Die Lufthansa kämpft um Milliarden.“
Die Berichterstattung über die Bundestagswahl dominiert die Medienlandschaft, nicht zuletzt deswegen ist die Welle der schlechten Presse über die bAV offenbar etwas abgeebbt. Doch vorliegend nochmal ein Beitrag der FAZ über die Maßnahmen der Lufthansa. Am Ende fällt sogar das Wort „Streik“. Das wäre für die bAV aber dann vielleicht doch ein bisschen viel der Ehre…
aba-online.de (26. September): „Deutschland nach der Wahl – die bAV vor dem Aufbruch?“
Derzeit läuft die aba-Herbsttagung in Berlin. Video-Impressionen gibt es hier.
OFF TOPIC – TO WHOM IT MAY CONCERN
Die Welt (25. September): „Die Angst der SPD vor der Neuwahl.“
Ist das nicht lustig? Einerseits hat sich das gesamte etablierte Parteienspektrum in Deutschland durchsozialdemokratisiert, so dass es mittlerweile kaum noch sichtbare Unterschiede zwischen den Parteien und folglich noch weniger Berührungsängste bezüglich möglicher Koalitionen gibt. Selbst Schwarz-Grün steht zur Debatte – die Älteren unter den Lesern stellen sich das mal bitte zu Zeiten eines Alfred Dregger vor. Die Zahl an möglichen Koalitions-Kombinationen hat also erheblich zugenommen, irgendwie kann jeder fast mit jedem (wobei die Signale der Union Richtung Grün natürlich in erster Linie den Zweck haben, die SPD glauben zu machen, man habe im Zweifel auch eine Alternative zur großen Koalition). Und andererseits wird es nun gleichwohl – oder vielleicht genau deswegen – schwierig, irgendeine stabile Koalition zu bilden. Sogar das Wort „Neuwahlen“, es fällt mittlerweile zumindest. Doch käme es dazu tatsächlich, dann wäre für die bürgerliche Rechte – nicht jedoch für die Linke – die Situation unverändert tricky: Da alle drei bürgerlichen Parteien (CDU, FDP, AfD) nur knapp an wichtigen Schwellen gescheitert sind, würden sie mit Fug und Recht und auch mit subjektiven Erfolgsaussichten mit „Jetzt aber“-Kampagnen die wenigen zum Überschreiten zusätzlich notwendigen Stimmen zu erreichen suchen. Die Union würde aggressiv darum werben, nun die absolute Mehrheit zu gewinnen, FDP und AfD darum, ihre fehlenden Promille zum Einzug in den BT zu erhalten. Folge: Sollte es ernsthaft zu Neuwahlen kommen, könnte das Wahlergebnis exakt so ausfallen wie schon am 22. September. Stabilität wäre etwas anderes – und eine Bundeskanzlerin Hannelore Kraft wohl endgültig unvermeidbar.