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aba-Pensionskassentagung in Bonn (I):

Ora live on Stage

Die Arbeitsgemeinschaft hatte im September die Stakeholder der Pensionskassen an den Rhein eingeladen, und die Inhaltsdichte war eben so aktuell wie hoch. Für LEITERbAV berichten Caroline Braun und Günter Hainz in zwei Teilen. Heute Teil I: von EbAV-II, Opinions, Outsourcing und mehr …

 

 

Am 10. September fand in Bonn die jährliche Tagung der Fachvereinigung Pensionskassen statt, nach dem Eintritt von Joachim Schwind in den Ruhestand erstmals unter der Leitung von Jürgen Rings, Vorstandsvorsitzender der Höchster Pensionskasse und Vorstandsmitglied der aba.

 

Eingangs der Überblick

 

Jürgen Rings, Hoechster Pensionskasse.

Rings führte ein in die Themen, welche die Tagung prägen sollten. Das sind vor allem vor dem Hintergrund des extrem niedrigen bzw. negativen Zinsniveaus die Herausforderungen an die Kapitalanlage in Verbindung mit dem aufsichtsrechtlichen Postulat der jederzeitigen Bedeckung – einschließlich der Solvabilitäts- und Stresstestanforderungen – sowie die zunehmende Bedeutung von alternativen Asset-Klassen, welche im Rahmen der Tagung als Schwerpunkt in gesonderten Vorträgen beleuchtet werden.

Die Umsetzung der EbAV-II-Richtlinie, die vier EIOPA-Opinions und ihren möglichen Niederschlag in den BaFin-Rundscheiben bzw. Hinweisen zu ORA, SIPP und MaGo sowie Praxisbeispiele kündigt Rings als weitere Themenschwerpunkte an.

Vor dem Hintergrund, dass aktuell mehrere Pensionskassen von der Sanierungsklausel Gebrauch machen mussten, und der damit einhergehenden negativen Außenwirkung der Pensionskassen in der Presse nennt Rings die möglichen Quellen zur Sicherstellung der aufsichtsrechtlichen Bedeckung.

 

Rings weist insbesondere auf die Möglichkeit des nachträglichen Gründungsstocks sowie auf die Aufnahme von Nachrangdarlehen hin; auf die verschärften Bedingungen für Letzteres wird im Rahmen der Tagung auch von Vertretern der BaFin eingegangen werden.

 

Insolvenzsicherung und Doppelverbeitragung schließlich nennt Rings als Themen, die während der Tagung u.a. beim Überblick über die Rechtsprechung präsentiert werden (s.u.).

 

Umsetzung mit „Maß und Ziel“

 

Der neue aba-Vorsitzende Georg Thurnes.

Eingangs der Vorträge referiert Georg Thurnes, Chefaktuar von Aon und Vorstandsvorsitzender der aba, zu den EIOPA-Opinions vom 10. Juli 2019, die als Empfehlungen von EIOPA den nationalen Aufsichtsbehörden zur Umsetzung der EbAV-II-Richtlinie dienen. Diese Opinions werden in die Hinweise und Rundschreiben der BaFin, welche zu den verschiedenen Themenkomplexen in näherer Zukunft erwartet werden, eingehen.

 

Auch wenn die BaFin frei hinsichtlich des Grades der Adaption der Opinions ist, sollte, so Thurnes, schon aufgrund der Beteiligung von Vertretern der deutschen Aufsicht an der Erstellung der Opinions eine weitgehende Umsetzung zu erwarten sein. Die Opinions gehen dabei über das Ziel einer EU-Mindestharmonisierung deutlich hinaus, viele Stellen enthalten an Solvency II angelehnte „Vorgaben“. Die in der EbAV-II-Richtlinie enthaltene Vorgabe, nationale Besonderheiten zu berücksichtigen, würde von einer 1:1-Umsetzung der Opinions konterkariert werden. Es kommt somit darauf an, was die BaFin daraus macht, betont Thurnes, und fordert eine Umsetzung mit „Maß und Ziel“ und sachgerechter Interpretation des Grundsatzes der Proportionalität.

 

Der aba-Chef stellt in seinem Vortrag die vier Opinions der EIOPA auch kurz vor:

 

– Governance and Risk Assessment Documents: Hierzu gehören insbesondere das Statement of Investment Policy Principles (SIPP) sowie das Own Risk Assessment (ORA).

 

Zu Ersterem werde ein Rundschreiben oder Hinweis der BaFin erst mit Wirkung für 2020 erwartet, zu ORA bereits im vierten Quartal 2019.

 

Bezüglich beider Dokumente sieht Thurnes die Opinion sehr kritisch, so geht der Detaillierungsgrad bei SIPP unter anderem weit über „Grundsätze“ hinaus, und nicht alle Informationen sieht er für eine Veröffentlichung tauglich; bzgl. ORA stößt ihm vor allem die Nähe zum Common Framework auf. Positiv sieht er bzgl. ORA die Spielräume, die die Opinion bzgl. der vorzusehenden Verfügbarkeit von ORA-Erkenntnissen für die unterschiedlichen Stakeholder eröffnet.

 

– Common Framework: Hinweise zur praktischen Umsetzung.

 

– Management of operational Risk: Hierunter fallen Risiken aus allen Tätigkeiten, die von einer EbAV selbst ausgeführt oder ausgegliedert werden, einschließlich der Compliance und der rechtlichen Risiken. Thurnes bemängelt hier insbesondere die fehlende Eingrenzung auf wesentliche Risiken.

 

– Management of environmental, social and governance Risk: Diese Opinion bekommt eher positive Anmerkungen des Vortragenden. Die Berücksichtigung der Risiken bei Anlageentscheidungen ist optional, beim Risikomanagement hingegen zwingend. Die Priorität, die zugesagten Renten zu finanzieren, scheint jedoch, so Thurnes, erkannt worden zu sein. Zudem solle hier eine Bezugnahme auf andere bestehende Berichtsdokumente zugelassen werden.

 

Thurnes schließt seinen Vortrag mit dem Appell an die BaFin, von einer 1:1-Umsetzung der Opinions abzusehen und die Spielräume auszunutzen, den deutschen Pensionskassen keine Vorgaben auf Basis des Common Frameworks zu machen.

 

Alles hängt von den Annahmen ab

 

Paul Wessling, Vorstand der Müllerei-Pensionskasse VVaG, beschreibt nach einer Erläuterung der wesentlichen Inhalte des § 234d VAG zum ORA die praktische Umsetzung einer solchen mittels Leitlinien zur Beschreibung der Risikostrategie, des Umgangs mit den vorhandenen Risiken sowie der Fähigkeit, neue Risiken einzugehen.

 

Paul Wessling, Müllerei PK.

Im Rahmen des ausgesprochen praxisorientierten Vortrags „Bilanzielle Risikobewertung und eigene Risikobeurteilung“ wählt Wessling aus den verschiedenen Risiken das versicherungstechnische Risiko aus, um beispielhaft die Modellierung einer Leitlinie vorzustellen, und lässt das Auditorium live an einer eigenen Risikobeurteilung anhand einer ursprünglich nach MaRisk mit mehreren Kassen entwickelten Analyse- und Simulations-Anwendung (MaRiX) teilnehmen. Und wie immer wird klar: Prognoseergebnisse hängen entscheidend von den Annahmen ab.

 

Das vorgestellte Tool besticht auch durch die Kompatibilität seiner Ein- und Ausgaben mit dem Aufbau zusätzlicher aufsichtsrechtlicher Ergebnis-Sichten nach RechVersV und Sammelverfügung, der Solva- und Stresstestberechnung in die Zukunft sowie die Fortschreibung der Entwicklung im Versicherungs- und Kapitalanlagegeschäft auf zehn oder mehr Jahre. Es handelt sich hier um spezielle Bilanz- und Meldeformulare für das Berichts- und Meldewesen an die Bafin (z.B. Formblatt 1 VU-Bilanz und 3 VU-GuV der Rechnungslegungsverordnung), welche aber auch zu internen Zwecken und in der Kommunikation mit der Aussicht sinnvoll genutzt werden können, da diese „Sichten“ auf das Vermögen einer PK und der Aufsicht altbekannt sind und keiner weiteren Erläuterungen bedürfen.

 

Anforderungen an das Outsourcing werden nicht kleiner

 

Julian Bischof, Manager bei Ernst & Young, widmet sich in seinem Vortrag den zentralen Anforderungen unter EbAV II an das Outsourcing von Tätigkeiten an externe Dienstleister.

 

Bischof stellt zunächst die hierfür maßgeblichen Vorschriften des § 234e VAG i. V. mit den §§ 32 Abs. 3 und 47 Nr. 7 und 9 VAG vor.

 

Als zentrale Faktoren für erfolgreiches Outsourcing nennt er die Festlegung des gesamten Prozesses sowie der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten in einer eigenen Outsourcing-Leitlinie, die Identifikation aller Outsourcing-Vereinbarungen, die Zuordnung von Outsourcing-Beauftragten sowie die Verwendung weitgehend standardisierter Dokumente, insbesondere bzgl. Risikoanalyse und Outsourcing-Controlling.

 

Der Outsourcing-Entscheidung muss, so Bischof, eine Risikoanalyse bzgl. der Wirkung des Outsourcings vorangestellt werden, in welche z.B. eine Analyse bzgl. der möglichen Beeinträchtigung der Qualität der Geschäftsorganisation, einer potentiellen übermäßigen Steigerung des operationellen Risiko oder auch bzgl. der Beeinträchtigung der Fähigkeit der zuständigen Behörde, die Einhaltung der Verpflichtungen der EbAV zu überwachen, eingehen muss. Zudem sind mögliche Dienstleister vorab einer Due Diligence zu unterziehen. Outsourcing-Dienstleister sind mithin auch vertraglich auf die Möglichkeit von Vorort-Kontrollen zu verpflichten.

 

Mit dem erfolgreichen Outsourcing nach Abschluss eines detaillierten Ausgliederungsvertrags und selbstverständlich unter Beachtung der Anzeigepflichten an die Aufsichtsbehörde ist es, so Bischof weiter, jedoch nicht getan. Er betont die Notwendigkeit, ein spezifisches Outsourcing-Controlling aufzubauen, indem sowohl prozessabhängige als auch prozessunabhängige Kontrollen definiert werden. Und schließlich ist– sogar schon im Vorfeld der Outsourcing-Entscheidung – unter anderem auch die Beschreibung der Exitstrategie aus dem Outsourcing festzulegen. In einer Zeit, in der durch die Ausweitung der Funktionen in den EbAV Outsourcing an Bedeutung gewinnt, werden somit die Anforderungen an das Outsourcing nicht kleiner.

 

Anmerkung: Alle Aussagen erfolgten zur besseren Lesbarkeit im Indikativ der Referenten.

 

Der zweite Teil der Berichterstattung zu der aba-Tagung der Fachvereinigung Pensionskassen findet sich zwischenzeitlich hier auf LEITERbAV.

 

Caroline Braun, H2B.

 

 

Caroline Braun und Günter Hainz sind beide Aktuare und Geschäftsführer der H2B Aktuare GmbH in München. Von ihnen bzw. anderen Autorinnen und Autoren der H2B sind zwischenzeitlich auf LEITERbAV erschienen:

 

 

 

 

 


Guenter Hainz, H2B.

aba-Tagung Mathematische Sachverständige (II):
Alle für eine
von Korbinian Kolb, 23. Oktober 2022

aba-Tagung Mathematische Sachverständige (I):
Zwischen Hoffnungsschimmer und ...
von Korbinian Kolb, 23. Oktober 2022

Neulich in Berlin – aba-Jahrestagung 2023 (IV):
Zurück zur Sieben?
von Lisa Martin und Sven Scholz , 28. Juni 2023

Neulich in Berlin – aba-Jahrestagung 2023 (III):
Quo vadis, lebenslang?
von Lisa Martin und Sven Scholz , 13 Juni 2023

aba-Tagung Mathematische Sachverständige:
Kostenlose Vertragsprüfung von Amts wegen
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 24. Oktober 2022

Deutschland im Herbst – aba-Mathetagung (III):
Von DRÜ und doppelten Steuern, von Wiki UND IAS 19 ...
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 21. Oktober 2021

Deutschland im Herbst – aba-Mathetagung (II):
De-Risking mit und ohne EBIT-Power
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 19. Oktober 2021

Deutschland im Herbst – aba-Mathetagung (I):
Alte Welten, neue Welten, dritte Quartale
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 15. Oktober 2021

Versorgungsausgleich:
Karlsruhe konkretisiert Karlsruhe …
von Jan Hartloff, 14. Juni 2021

Deutschland im Herbst – aba-Mathetagung (IV):
Rückwirkende Disqualifikation?
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 26. Oktober 2020

Deutschland im Herbst – aba-Mathetagung (III):
Live and let die...
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 21. Oktober 2020

Deutschland im Herbst – aba-Mathetagung (II):
Aktuare pandemiefest
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 16. Oktober 2020

Deutschland im Herbst – aba-Mathetagung (I):
Von 79 Milliarden, Optimisten, Pessimisten …
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 15. Oktober 2020

Neulich in Erfurt:
Altersteilzeit kann Teilzeit sein
von Dr. Günter Hainz, 25. März 2020

aba-Pensionskassentagung in Bonn (II):
Auch rückwirkend Schluss mit Privilegien ...
von Caroline Braun und Günter Hainz, 10. Oktober 2019

aba-Pensionskassentagung in Bonn (I):
Ora live on Stage
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 2. Oktober 2019

81. aba-Jahrestagung in Bonn (III):
Wenn best practices Druck machen…
von Dr. Günter Hainz, 11. Juni 2019

81. aba-Jahrestagung in Bonn (II):
Kaum mehr zu bewerkstelligen“
von Sven Scholz, 28. Mai 2019

Die aba neulich in Königswinter (IV):
Von Einstandspflichten und Portfolios. Und ein Abschied.
von Caroline Braun, 22. Oktober 2018

Die aba neulich in Königswinter (III):
Von Vaus und Feldberg
von Caroline Braun, 15. Oktober 2018

Die aba neulich in Königswinter (II):
Wir brauchen ein bAV-PEPP“
von Caroline Braun, 2. Oktober 2018

Die aba in Königswinter (I):
Der Aktuar in der Funktion
von Caroline Braun, 27. September 2018

BGH zum Versorgungsausgleich:
Was wie zu teilen wäre...
von Jan Hartloff, 24. Mai 2018

BMF-Schreiben vom 30. November 2017:
Auf BFH folgt AIFM folgt BMF
von Dr. Günter Hainz, 7. Dezember 2017

aba-Tagung Fachvereinigung Pensionskassen:
Kein Strom aus der Steckdose
von Dr. Günter Hainz, 17. Oktober 2017

Neues BMF-Schreiben:
Zwischen praktikabel und kompliziert
von Dr. Günter Hainz, 28. September 2017

BGH zum Versorgungsausgleich:
Externe Teilung fondsgebundener Zusagen
von Dr. Günter Hainz, 7. September 2017

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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