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ChatGPT und die bAV:

Once upon a time in the future

Die bAV ist von hoher Komplexität geprägt. Die Gestaltung mit Durchführungswegen, diversen Optionen zur Finanzierung und einer ständig steigenden Regulierung erfordert ein breites Spektrum von Experten. In der Praxis können die Herausforderungen kaum noch ohne Juristen, Aktuare, Verwaltungs- und IT Experten gemeistert werden. Könnte ChatGPT dies in Zukunft ändern? Mathias Nolle geht der Frage nach – und beginnt mit einer algorithmischen Selbstauskunft.

Mathias Nolle, Longial.

Wissenschaftliche Veröffentlichungen zur Funktionsweise von ChatGPT oder der zugrundeliegenden Technologie gibt es bereits zahlreiche. Wir können aber auch ChatGPT gleich selbst dazu befragen:

Was ist der Unterschied zwischen ChatGPT und einer klassischen Suchmaschine?

ChatGPT: „Der wesentliche Unterschied zwischen ChatGPT und einer klassischen Suchmaschine besteht darin, dass ChatGPT ein interaktives Gespräch ermöglicht, bei dem der Benutzer Fragen stellen und auf die Antworten reagieren kann. ChatGPT ist ein Machine-Learning-Modell, das auf einer Vielzahl von Daten trainiert wurde und in der Lage ist, natürliche Sprache zu verstehen und zu verarbeiten. Im Gegensatz dazu funktionieren Suchmaschinen in der Regel durch Eingabe von Suchbegriffen und geben eine Liste von Ergebnissen aus, die auf diesen Suchbegriffen basieren.

ChatGPT kann auch kontextbezogene Antworten auf Follow-up-Fragen geben, was für eine Suchmaschine schwieriger wäre, da sie in der Regel nur eine Liste von Ergebnissen basierend auf den Suchbegriffen ausgibt und keine tatsächlichen Gespräche führen kann.“

Im Wesentlichen geht es darum, ob die ChatGPT-Technologie passgenaue Antworten – auch auf komplexe Fragestellungen der bAV liefern kann – jetzt schon oder erst in der Zukunft. Mühseliges Lesen, Recherchieren und Interpretieren von Suchergebnissen aus Suchmaschinen würde demnach – sukzessive – entfallen (können).

Mit Hilfe dieser Form künstlicher Intelligenz (KI) könn(t)en sich Arbeitnehmer bspw. vor einem geplanten Arbeitgeberwechsel, einer Scheidung oder einem vorzeigten Rentenbeginn die Auswirkungen auf ihre bAV erklären lassen. Auch hier lohnt es sich, die konkrete Fragen an ChatGPT zu stellen:

Was passiert mit meiner bAV, wenn ich mich scheiden lasse?

ChatGPT: „Im Falle einer Scheidung kann es zu einer Aufteilung der bAV kommen. Dies hängt von den individuellen Vereinbarungen im Ehevertrag oder Scheidungsverfahren ab.

Wenn im Ehevertrag oder Scheidungsverfahren nichts anderes vereinbart wurde, ist eine Aufteilung der bAV im Rahmen des Versorgungsausgleichs möglich. Dabei werden die während der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften zwischen den Ehepartnern hälftig aufgeteilt. Die Ehezeit beginnt mit dem Datum der Eheschließung und endet mit dem Datum der Zustellung des Scheidungsantrags.

Es gibt aber auch die Möglichkeit einer sogenannten internen Teilung, bei der der bAV-Anspruch des ausgleichsberechtigten Ehepartners bei dem selben Versorgungsträger verbleibt, während ein eigener Anspruch für ihn entsteht.

Es ist daher empfehlenswert, sich im Falle einer Scheidung rechtzeitig an einen Fachanwalt für Familienrecht und an den Versorgungsträger zu wenden, um sich über die individuellen Möglichkeiten und Auswirkungen zu informieren.“

Diese Antworten liefern also aus Arbeitnehmersicht bereits recht gute Ergebnisse, und der Dialog kann weitergeführt werden (auch wenn die KI selbst klar macht, dass sie hier – derzeit noch – keine Beratung ersetzen könne). Spannend wird es jedoch, wenn der User seine konkreten Zahlen berechnen möchte:

Ich bin bereit Dir meine Daten zu geben. Bist Du dann in der Lage, meine Werte zu berechnen?

ChatGPT: „Als KI-Assistent verfüge ich über eine breite Wissensbasis und kann bei allgemeinen Fragen helfen. Ich bin jedoch keine personenbezogene Datenbank und habe keinen direkten Zugriff auf individuelle Daten. Es ist daher nicht möglich, Ihre spezifischen Werte zu berechnen. Ich kann jedoch allgemeine Informationen und Empfehlungen basierend auf Ihren Angaben geben.

Bitte beachten Sie auch, dass es in Bezug auf bAV und ähnliche Themen ratsam ist, sich von einem Fachmann beraten zu lassen, um individuelle Situationen und Bedürfnisse zu berücksichtigen.“

Hier kommt der ChatBot an seine Grenzen, da der Zugriff auf personenbezogene Daten noch fehlt. Aber geben wir der Technologie eine Chance, etwas Zeit und gute Datenschutzregelungen, um auf individuelle Daten zuzugreifen. Dann wird es richtig interessant. Denn dann dürfte eine spezifische KI im Dialogformat – ähnlich einer menschlichen Konversation – allgemeine und spezifische Fragestellungen zur bAV beantworten können.

Aussehen könnte so etwas folgendermaßen: Angelernt mit den Informationen zu den konkreten bAV-Systemen eines Arbeitgebers sowie den spezifischen Parametern des Arbeitnehmers können alle möglichen Berechnungen durchgeführt werden. Die entsprechenden Ergebnisse werden live präsentiert, erklärt und gegebenenfalls in Echtzeit und in beliebigen Varianten berechnet – und dies alles ohne Beteiligung von Experten und mit einer 24/7-Verfügbarkeit.

Aus Sicht des bAV-Verwalters oder der HR-Abteilung sollten derartige Technologien also so früh wie möglich zum Einsatz kommen, um auch die Verwaltungsprozesse massiv zu unterstützen. Zeitaufwendige Recherchen von relevanten Daten oder das korrekte Anwenden von Arbeitshinweisen und Richtlinien könnten dabei von der KI vorbereitet werden. Auch bei der Erstellung von Schriftstücken mit individuellen und komplexeren Inhalten wird sie deutlich unterstützen und zumindest große Teile des Dokumentes automatisch realisieren.

ChatGPT ist zudem durchaus in der Lage, mit einem Anwender ein „Gespräch“ über fachlich recht komplexe Sachverhalte zu führen. Je nach Durchführungsweg und Finanzierungsform ergeben sich in der Praxis mitunter Fragestellungen, die mit mehr oder weniger komplexen Algorithmen beantwortet werden. Erfahrungsgemäß werden dafür oft kleine Programme geschrieben. Auch hierzu liefert ChatGPT Unterstützung:

Schreibe Phyton Code, um einen Barwert zu berechnen!

Quelle: Longial. Grafik zur Volldarstellung anklicken.

Wie in einem Gespräch wird der Auftrag zur Generierung von Quellcode oder Excel-Formeln formuliert. Der von ChatGPT erzeugte Code kann direkt oder ggf. mit kleinen Anpassungen verwendet werden. Allerdings gilt auch in diesem Beispiel, dass der zeitaufwendige Programmierteil wie das Definieren von Variablen oder Schleifen zu einem großen Teil automatisch generiert wird – zugegeben ein recht simples, aber funktionierendes Beispiel.

In der bAV kommt es wiederholt vor, dass Berechnungen für einen gesamten Bestand durchgeführt werden müssen. Auch diese Anforderung soll ChatGPT im Folgenden direkt lösen:

Schreibe Phyton Code, um eine CSV-Datei einzulesen, und übergebe die Daten an eine gegebene Funktion zur Berechnung des Barwertes!

Quelle: Longial. Grafik zur Volldarstellung anklicken.

Auffallend hierbei ist, dass ChatGPT auf die vorab gestellte Frage und Lösung (Code für die Berechnung des Barwertes) aufsetzt. Klassische Suchmaschinen liefern selten so individuelle Ergebnisse und verbinden diese auch nicht.

Kann ChatGPT den Code auch um Sterbetafeln ergänzen? Einfach ausprobieren! Das Ergebnis ist auf jeden Fall sehr aufschlussreich und liefert ein Gefühl dafür, welches Potenzial in dieser Technologie steckt.

Wird die Technologie Auswirkung auf die versicherungsmathematische Bewertung von Pensionsbeständen haben?

Auch hier lohnt es sich, mit den ersten Erfahrungen und etwas Kreativität in die Zukunft zu blicken. Ein Großteil der heute noch aufwändigen Tätigkeiten, wie zum Beispiel der Parametrisierung von Zusagen, Transformation von Beständen, das Bilden von Gruppen und Aufbereiten von Ergebnissen wird KI mit ziemlicher Sicherheit übernehmen.

Ein weiterer Auftrag könnte wie folgt formuliert sein:

Erstelle ein versicherungsmathematisches Gutachten für den Pensionsplan A für HGB und IFRS sowie eine Prognoseberechnung. Der Bestand befindet sich beim Kunden A im SAP-System. Bereite die Ergebnisse so auf, dass diese den aktuellen Anforderungen eines Wirtschaftsprüfers entsprechen.

Was dann noch bleibt, ist die Einordnung der Ergebnisse im kundenindividuellen Kontext und der damit verbundenen Kundenberatung und Anpassung von Bewertungsparametern.

Fazit

Die ersten Erfahrungen mit ChatGPT sind beeindruckend und liefern ein greifbares Gefühl, was mit der Technologie in Zukunft möglich sein wird. Auch wenn die bAV in weiten Teilen sehr komplex ist, wird KI hier wohl massiv unterstützen. Wie hoch dieser Anteil genau sein wird, hängt maßgeblich davon ab, mit wievielen bAV-Daten sie bestückt wird.

Dementsprechend wird ein wesentlicher Erfolgsfaktor darin bestehen, dass sie einen Zugriff auf Firmen- und personenindividuelle Daten erhält. Eine Implementierung in die bAV-Verwaltung sollte also durchaus realisierbar sein und den Alltag hier deutlich verändern. Die Frage ist also eher nicht, ob diese Unterstützung kommt. Sondern wann!

Das zur heutigen Headline anregende Kulturstück findet sich hier.

Der Autor ist Leiter Operations & Services der Longial.

Von ihm bzw. anderen Autorinnen und Autoren der Longial sind zwischenzeitlich auf LEITERbAVerschienen:

ChatGPT und die bAV:

Once upon a time in the future

von Mathias Nolle, 25. Mai 2023

 

Urteil zum Versorgungsausgleich:

Bis dass der Tod euch ausgleicht

von Vanessa Angel, 22. Februar 2023

 

Von der Ertragssteuerbilanz zum Erwerbsfolgegewinn:

bAV bitte nicht behindern!

von Michael Gerhard, 23. Mai 2022

 

BGH, GGF, Insolvenz und Pfändung:

Hätten Sie gewusst ...

von Vanessa Angel, 29. November 2021


Absenkung der BBG ab 2022 – Willkommen im Dschungel (III):

Keine Rechtsgrundlage, geringe Auswirkungen“

von Michael Hoppstädter, 26. Oktober 2021

 

Absenkung der BBG ab 2022 – Willkommen im Dschungel (II):

Kein Erfüllungsaufwand?

von Michael Hoppstädter, 14. Oktober 2021

 

Wertguthabenkonten bei Arbeitnehmer-Ehegatten im Fremdvergleich:

Chancen nur auf einer Seite?

von Michael Gerhard, 25. Mai 2021

 

Versorgungsausgleich:

BilMoG-Zins weiter verwendbar

von Vanessa Angel, 10. Mai 2016

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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