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Studie zur Eigenbeteiligung:

Ohne Matching wird das nichts

Die bAV als zweite Säule der Altersversorgung gewinnt Attraktivität und Stabilität nicht zuletzt, weil bei ihr anders als bei anderen Formen der Vorsorge mehrere Akteure zusammenwirken: Staat, Kapitalmarkt, Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Vor allem der Wechselwirkung der beiden Letztgenannten hat sich eine Studie gewidmet. Ein Langzeittrend ist in seiner Dominanz unübersehbar – und ernüchternd.

 

Was kommt für die Mitarbeiter unter dem Strich heraus, wenn sie zwischen 22 und 42 Jahre auf eine ausschließlich arbeitgeberfinanzierte bAV setzen? Diese Frage hat die HR-Strategieberatung Lurse im Rahmen ihrer aktuellen bAV-Spezialstudie untersucht und dabei den Bruttoversorgungsgrad für drei Mustermitarbeiter

 

  • Sachbearbeiter
  • Professional
  • Manager

 

ermittelt. Für die Studie wurden branchenübergreifend wesentliche Gestaltungsmerkmale von 74 Versorgungsplänen von großen und mittelständischen Unternehmen untersucht.

 

Von einst 40 auf heute 4 Prozent

 

Das De-Risking der bAV, also die Verbesserung der finanziellen Planbarkeit für den Arbeitgeber, ist inzwischen zumindest unter den Studienteilnehmern weitgehend abgeschlossen – eine Erkenntnis, die man wohl auf weite Teile der bAV-betreibenden Arbeitgeber Deutschlands anwenden kann. Bei nahezu allen in der Lurse-Studie untersuchten Regelungen orientieren sich die späteren Leistungen am Beitrag, sodass Zusagen mit fest definierten Leistungen kaum noch existent sind. Zudem wurden hohe Garantie- und Verzinsungsversprechen deutlich zurückgefahren.

 

Die Garantieverzinsung auf die eingebrachten Beiträge ist dabei mit durchschnittlich einem Prozent p.a. ebenfalls deutlich zurückgegangen. Zwar nutzen drei Viertel der Teilnehmerunternehmen als Durchführungsweg für ihre bAV die Direktzusage, jedoch überwiegen mit 90 Prozent diejenigen Direktzusagen deutlich, bei denen das Funding über CTA oder Rückdeckungsversicherung erfolgt. Zins- und biometrische Risiken sind somit (zumindest bei letzterer) weitestgehend ausgelagert – ein gravierender Unterschied zu den Studienergebnissen aus 2015.Quelle: Lurse AG. Grafik zur Volldarstellung bzw. pdf anklicken.

 

Zusätzlich werden Pläne mit einem ausschließlich fest zugesagten Zins aufgrund der derzeitigen Marktgegebenheiten zunehmend von Plänen mit Kapitalmarktorientierung abgelöst (85 Prozent).

 

Miroslaw Staniek. Lurse AG.

Dieser massive Trend zum De-Risking hat ausgeprägte Folgen. „Das De-Risking wirkt sich massiv auf den Bruttoversorgungsgrad aus. Noch um die Jahrtausendwende waren in manchen Branchen Versorgungswerke verbreitet, in denen Mitarbeiter eine Betriebsrente von bis zu 40 Prozent ihres letzten Einkommens erreichen konnten. Aktuell – das zeigt die Studie – liegt eine Startrente, die sich ausschließlich aus den arbeitgeberfinanzierten Beiträgen ergibt, zwischen vier und sechs Prozent des letzten Bruttoeinkommens“, sagt Miroslaw Staniek, Partner und Aktuar bei Lurse. Dabei sind bei den Matching-Plänen die Eigenbeteiligungen der Arbeitnehmer, die zur Ausschöpfung des maximalen Arbeitgeberbeitrages genutzt werden müssten, nicht berücksichtigt, um den alleinigen Effekt der maximalen Arbeitgeberfinanzierung zu ermitteln. 1)

 

42 Jahre Dienst bringt 5 Prozent

 

Zu den konkreten Bruttoversorgungsgraden, wie sie die Studie mustermäßig ermittelt hat: Im Durchschnitt erhält der Muster-Sachbearbeiter nach einer 42-jährigen Dienstzeit eine Altersleistung in Höhe von 5,0 Prozent des letzten Bruttogesamteinkommens.

 

Der Muster-Professional hat durch die arbeitgeberfinanzierte bAV durchschnittlich eine Altersleistung von 4,6 Prozent des letzten Bruttogesamteinkommens zu erwarten. Damit wird trotz Annahme einer um zehn Jahre kürzeren Dienstzeit ein mit dem Sachbearbeiter vergleichbares Niveau erreicht.

 

Der Bruttoversorgungsgrad für den Muster-Manager, bei dem lediglich eine 22-jährige Dienstzeit unterstellt wurde, liegt im Durchschnitt bei 5,7 Prozent des letzten Bruttogesamteinkommens.

 

Entscheidend: Eigenbeteiligung, Flexibilität, Kommunikation

 

Lurse schlussfolgert aus diesen Ergebnissen, dass die Eigenbeteiligung der Mitarbeiter immer wichtiger wird. Knapp zwei Drittel der Unternehmen haben daher in den letzten fünf Jahren Matching-Pläne aufgelegt, so die Studie. Ihre Attraktivität gewinnen sie daraus, dass sie eine Eigenbeteiligung der Arbeitnehmer vorsehen, die automatisch einen Zuschuss des Arbeitgebers nach sich zieht. „Die besondere Leistung des Arbeitgebers, die dadurch transparent wird, erhöht deutlich messbar die Bereitschaft der Beschäftigten, eigene Mittel zu investieren“, sagt Staniek, „und die Beteiligungsquote an Matching-Plänen ist mit durchschnittlich 62 Prozent dann auch mehr als doppelt so hoch wie bei rein arbeitnehmerfinanzierten Plänen.“

 

Betrachtet man nur die Pläne, die in den letzten fünf Jahren neu eingeführt wurden, so beinhalten 88 Prozent eine arbeitnehmerfinanzierte Komponente, bei 56 Prozent in Form von einem Matching-Plan.

 

Matching macht flexibel

 

Neben der Altersleistung deckt ein Großteil der analysierten Regelungen grundsätzlich auch Leistungen im Fall von Invalidität oder Tod ab. Insbesondere Matching-Pläne sind dabei mit Wahlrechten ausgestattet, die dem Mitarbeiter eine Absicherung vorzeitiger Risiken nach persönlichem Bedarf anbieten. Dies gibt den Mitarbeitern z.B. die Möglichkeit, auf eine Hinterbliebenenleistung zugunsten einer höheren Altersleistung zu verzichten. Daneben hat sich die Flexibilität in Bezug auf die Auszahlungsform für die Altersleistung erhöht.Quelle: Lurse AG. Grafik zur Volldarstellung bzw. pdf anklicken.

 

Über alle Finanzierungsquellen hinweg sind rund die Hälfte der jeweiligen Pläne mit Wahlrechten ausgestattet, wonach der Mitarbeiter die Form der Auszahlung – entweder als lebenslange Rente oder als Kapital- bzw. Ratenzahlung – bestimmen kann. Im Vergleich zur Studie 2015 hat die Flexibilität in Bezug auf die Auszahlungsoption damit deutlich zugenommen.

 

Persönlich und elektronisch

 

Auch den Komplexen Kommunikation und Information hat sich die Studie gewidmet – ein Thema, dass durch die Regulierung ohnehin an Fahrt aufnimmt.

 

Die Zukunft der bAV-Kommunikation wird in den webbasierten Kanälen gesehen, das sagen 93 Prozent der befragten Unternehmen. Denn vor allem Mitarbeiterportale ermöglichen es, nicht nur allgemein über die jeweilige Versorgungslandschaft zu informieren. Die Mitarbeiter können vielmehr individuelle Berechnungen anstellen oder Details zu ihren Anwartschaften abrufen. Die persönliche Informationsmöglichkeit, z.B. über eine Hotline oder persönliche Beratungstermine, bleibt dennoch weiterhin fester Bestandteil des Kommunikationskonzeptes und zeigt Lurse zufolge, dass die bAV ein wichtiges, aber auch erklärungs- und beratungsbedürftiges Benefit darstellt.Quelle: Lurse AG. Grafik zur Volldarstellung bzw. pdf anklicken.

 

Auf die Strategie „Förderung der Eigenbeteiligung, Flexibilität und Kommunikation“ setzt auch der Maschinenbauer KraussMaffei, den der Consultant als Beispiel anführt.

 

Mit dem Pensionsplan 2018 bieten wir für unsere Mitarbeiter ein attraktives Altersversorgungsmodell an, das die Eigenbeteiligung belohnt. Zudem werden die unterschiedlichen Bedürfnisse unserer Mitarbeiter durch attraktive Wahlmöglichkeiten bezüglich der Berufsunfähigkeits- und Todesfallabsicherung berücksichtigt“, sagt Jutta Wenzl, Head of Global HR bei der KraussMaffei Group GmbH.

 

Da scheint etwas dran zu sein. Denn immerhin hat das Unternehmen mit seiner bAV beim neulichen „Deutschen bAV-Preis 2019 in der Kategorie der kleinen und mittleren Unternehmen den zweiten Platz gemacht. Der Maschinenbauer hat seine bAV neu gestaltet und dabei das arbeitgeberfinanzierte Leistungsniveau erheblich aufgestockt. Die Jury würdigte dabei eine neue, ganzheitlich konzipierte Lösung mit Arbeitnehmerbeiträgen, die Integration von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträgen, Wahlmöglichkeiten bei Leistungen und Auszahlung sowie eine von Anfang an mitgedachte vereinfachte Administration.

 

Mehr Details zu der Studie sind bei Lurses Miroslaw Staniek erhältlich.

 

FN1) Bei den Berechnungen werden ausschließlich Leistungen betrachtet, die vom Arbeitgeber finanziert sind. Bei Matching-Plänen wird unterstellt, dass der Arbeitnehmer den in der Höhe erforderlichen Eigenbeitrag leistet, um den maximalen Matching-Beitrag des Arbeitgebers zu erhalten. Nicht mit in die Untersuchung einbezogen sind tarifvertraglich begründete Beiträge des Arbeitgebers, wie sie z.B. in der Chemischen Industrie in Form der Chemietarifförderung oder der Demografie- beiträge vereinbart sind.

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