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Umsetzung der Pensionsfonds-Richtlinie (II):

„…offensichtlich nicht dazu genutzt werden soll, den Besonderheiten der bAV angemessen Rechnung zu tragen“

Jüngst hat das Bundesfinanzministerium seinen Entwurf zur Anpassung des VAG vorgelegt, mit dem die neue Pensionsfondsrichtlinie bzw. EbAV-II-RL in nationales Recht umgesetzt werden soll. Die Konsultationsfrist, die das BMF den bAV-Stakeholdern ließ, um zu dem Entwurf Stellung zu nehmen, war bekanntlich reichlich kurz bemessen. Doch diese Frist haben viele von ihnen gleichwohl genutzt.

 

Am Montag hat die aba im Zuge der Verbändeanhörung ihre 25-Seiten starke Stellungnahme, die sich grundsätzlich ebenso wie en Detail mit dem Referentenentwurf befasst und die der Redaktion vorliegt, im BMF eingereicht.

 

Der BMF-Referentenentwurf sei zwar aus Sicht der aba im Wesentlichen geeignet, die einzelnen Anforderungen der EbAV-II-RL national umzusetzen, setze aber „den Geist der EbAV-II-RL“, das heißt den Geist einer aufsichtsrechtlichen EU-Mindestharmonisierung für EbAV, derzeit nicht um.

 

Cornelia Schmid, aba.

Dabei verweist die aba darauf, dass das BMF höchstselbst in der Begründung die großen Unterschiede der Systeme der bAV in den Mitgliedstaaten betont, die maßgeblich an das jeweilige nationale Arbeits- und Steuerrecht anknüpften. Weiter betont das BMF, dass entsprechend daher die Richtlinie auf eine Mindestharmonisierung ausgelegt sei und die Mitgliedstaaten damit größere Spielräume in der Umsetzung hätten.

 

Die aba kritisiert nun, dass der Referentenentwurf just eben diesen größeren Umsetzungsspielraum nicht nutze, um die künftige Regulierung von Pensionskassen und -fonds auf das nationale Arbeits- und Sozialrecht abzustimmen. Mit dem Fokus „individueller Verbraucherschutz“ würden Pensionskassen weiterhin als Lebensversicherer definiert und die Regulierung der Pensionsfonds darauf aufgebaut. 

 

 

Die Doppelung (und mehr) der Informationspflichten…

 

Ein Hauptkritikpunkt der Arbeitsgemeinschaft: Die Überschneidung der vorgesehenen Informationspflichten mit den bestehenden Informationspflichten im VVG und BetrAVG sowie mit den Pflichten für das Sozialpartnermodell. Unmissverständlicher O-Ton aus der aba-Stellungnahme:

 

Das Gesetzgebungsverfahren muss sicherstellen, dass im Bereich der bAV künftig nicht doppelt und dreifach sowie mit verschiedenen Inhalten und Methoden zu informieren ist. Eine Verordnungsermächtigung zu Informationspflichten allein ans BMF, die auch noch an die BaFin weitergegeben werden kann, lehnen wir daher ab.“

 

 

…das Eigenleben der EIOPA…

 

Die aba weist auf die Gefahr hin, dass der bewusst den Mitgliedstaaten gegebene Umsetzungsspielraum von der europäischen Aufsichtsbehörde EIOPA genutzt werde und es faktisch zu einer EU-Vollharmonisierung mittels der entstehenden EIOPA-„Guidances“ komme. Wie die aba betont, wurde der Begriff der Guidances erstmals in einem EIOPA-Folienvortrag vom März 2018 zur EbAV-II-Umsetzung verwendet. Dies werfe jedoch Fragen auf, da der Begriff in der EIOPA-Verordnung überhaupt nicht vorkommt. Dort findet sich nur den Begriff der „Leitlinien und Empfehlungen“(„Guidelines“, Art. 16 EIOPA-Verordnung), welche die nationalen Aufsichtsbehörden grundsätzlich einzuhalten haben („Comply or explain“).

 

Der nationale Gesetzgeber sollte, wie die aba vorschlägt, zumindest prüfen können, welche EIOPA-Empfehlungen auf welche Weise diese für die Regulierung deutscher EbAV angemessen genutzt werden. Denn die aba betont: Die aktuellen Pläne von EIOPA beträfen nicht nur alle wichtigen Anforderungen der EbAV-II-RL, sondern gingen dabei auch deutlich über die EbAV-II-RL hinaus. Hierzu verweist die aba auf das EIOPA-Planungsdokument 2017-2019.

 

 

 

…Solvency II durch die Hintertür…

 

Im Zentrum steht hier die „Eigene Risikobeurteilung“. So sollen, wie die aba fürchtet, die für EbAV ungeeignete Solvency-II-Bewertungsmethodik (vormals Holistic Balance Sheet HBS, inzwischen Common Framework genannt) und Berichtspflichten für EbAV in Anlehnung an Säule III von Solvency II eingeführt werden. Überregulierungen und unpassende Regulierungen für EbAV müssen jedoch für bestehende EbAV und künftige Systeme wie das Sozialpartnermodell vermieden werden, fordert die aba.

 

Die EbAV-II-RL weiß um den sozialen Charakter der bAV und den Beitrag der Arbeitgeber hierzu. Daher stellt sie in ihrem Erwägungsgrund 77 klar, dass „auf Unionsebene keine quantitativen Eigenmittelanforderungen – wie etwa Solvabilität II oder davon abgeleitete HBS-Modelle – für EbAV konzipiert werden, da sie möglicherweise die Bereitschaft von Arbeitgebern, ein bAV-System anzubieten, schmälern könnten.“Doch würde der Common Framework durch EIOPA-Guidances verbindlich für das Risikomanagement eingeführt, käme es zu einer völligen Aushöhlung dieses Leitgedankens der EbAV-II-RL, so die aba. Auch die Säule I von Solvency II und damit neue Solvenzanforderungen für EbAV würden – trotz klarer Ablehnung in der EbAV-II-RL – durch die Hintertür eingeführt.

 

Außerdem sieht die aba eine Gefahr in dem Sponsor Support, ein wesentliches und auch heftig kritisiertes Element des Common Frameworks, das letztlich Bewertungen und Beurteilungen des Trägerunternehmens zum Inhalt hat. Doch eben dies„liegt, mit Ausnahme der Trägerunternehmen, die gleichzeitig beaufsichtigte Unternehmen sind, völlig außerhalb der Zuständigkeit der Versicherungsaufsicht“.

 

 

der vorauseilende Gehorsam der nationalen Aufsichten…

 

Die aba verweist darauf, dass nach bisherigen Erfahrungen der Versicherer die VAG-Regelung zum Umgang mit Leitlinien und Empfehlungen von EIOPA (§ 329 Abs. 1 VAG) in der Praxis von der BaFin so verstanden werde, dass alle EIOPA-Vorgaben umgesetzt werden müssen. Selbst der Bundesrat schrieb, wie die aba zitiert, dazu in seinem Beschluss zur Überarbeitung der EU-Aufsichtsstruktur vom Februar 2018:

 

In diesem System aus EU- und nationalen Aufsichtsbehörden haben die EU-Aufsichtsbehörden – vielfach ohne spezifischen Auftrag des EU- Gesetzgebers – gerade in den letzten Jahren eine Vielzahl von sehr detailgenau ausgestalteten Level-3- Regelungen für die Aufsichtspraxis geschaffen. Diese Level-3-Maßnahmen haben sich für viele kleine und mittlere regional orientierte Marktteilnehmer zu einem kaum noch zu bewältigenden und vollkommen unverhältnismäßigen Regulierungsrahmen entwickelt. Dabei bleiben die regionalen Besonderheiten und eine für diese Marktteilnehmer nach Größe und Geschäftsmodell angemessene Regulierung auf der Strecke.“

 

Die aba ruft in Erinnerung, das sich dieses Problem durch die geplante Überarbeitung der EU-Aufsichtsstruktur, die mit einer deutlichen Entmachtung der nationalen Aufsichtsbehörden einherginge, verschärfen könnte – sofern EP und Rat die zentralen Gesetzesänderungen des Verordnungsvorschlags zum ESA Review unterstützen, den die EU- Kommission am 20. Sept. 2017 vorgelegt hatte.

 

Deshalb rät die aba, den § 329 I S. 2 zu ersetzen. Dort heißt es derzeit:

 

(1) Die Aufsichtsbehörde arbeitet gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1094/2010 für die Zwecke der Richtlinien 2009/138/EG und 2003/41/EG mit der EIOPA zusammen. Sie berücksichtigt so weit wie möglich deren Leitlinien und Empfehlungen und begründet eventuelle Abweichungen.“

 

Der Satz 2 sollte geändert werden und die BaFin vielmehr darauf festlegen, bei der Umsetzung von EIOPA-Leitlinien und -Empfehlungen und der Beantwortung von deren Informationsgesuchen sowie sämtlichen anderen Formen von EU-Standardisierung der jeweiligen Zielsetzung der zugrunde liegenden Richtlinien (im Fall der EbAV-II also EU-Mindestharmonisierung) Rechnung zu tragen und bei der bAV zwingend das nationale Arbeits- und Sozialrecht zu berücksichtigen – samt nötiger Zustimmung des BMF und im Bereich des nationalen Arbeits- und Sozialrecht der des BMAS.

 

 

…und die Wirkung auf das Sozialpartnermodell

 

Mit Blick auf die bAV-Reform wird die aba in ihrer Stellungnahme durchaus grundsätzlich:

 

Wir bedauern, dass die Umsetzung der EbAV-II-RL offensichtlich nicht dazu genutzt werden soll, den Besonderheiten der bAV angemessen Rechnung zu tragen. Der nationale aufsichtsrechtliche Rechtsrahmen sollte dem Charakter und insbesondere der in der bAV typischen Dreiecksbeziehung zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und EbAV sowie der starken Einbindung in das nationale Arbeits- und Sozialrecht gerecht werden.“

 

Dies gelte umso mehr vor dem Hintergrund der Einführung der reinen Beitragszusage als neuer Zusageart. Hier ist der Zusammenhang zwingend, so die aba:

 

Soll das Sozialpartnermodell die in es gesetzten Erwartungen erfüllen, ist eine Verankerung des Arbeitsrechts im Aufsichtsrecht für eine nachhaltige Entwicklung entsprechender Versorgungssysteme unverzichtbar.“

 

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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