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Peter Görgen auf dem aba-Pensionskassentag:

Noch nicht soweit. Aber guter Hoffnung.

 

Heute morgen in Mannheim. Eigentlich wollte er gar nichts neues sagen. Sagte er gleich zum Anfang. Tat es dann aber doch. Zumindest punktuell.

 

 

Manch einer – auch der Chronist – hatte leise gehofft, dass das BMAS die Gelegenheit nutzen könnte, auf der heutigen Tagung der aba-Fachvereinigung Pensionskassen den Referentenentwurf zu dem lang erwarteten Betriebsrentenstärkungsgesetz der Fachöffentlichkeit vorzustellen – nicht zuletzt weil der eingeladene Peter Görgen seinen Vortrag gleich als erster, direkt nach den einleitenden Worten von Gastgeber Joachim Schwind, hielt.

 

Doch gleich zu Beginn machte der Leiter des BMAS-Referats „Zusätzliche Altersvorsorge“ klar: „Wir sind noch nicht soweit.“ Es gebe noch zahlreiche offene Punkte, die zu klären seien, doch „sind wir guter Hoffnung, das dies in den nächsten Wochen geschehen werde. Vielmehr könne er daher heute gar nicht viel sagen, so Görgen weiter. Doch zu einigen wesentlichen Aspekten der Planungen gab er dann doch ein Update. Der Reihe nach:

 

 

Die verästelte Grundsicherung

 

Die Frage der Anrechnung der Grundsicherung ist zwar zweifelsohne ein wichtiger Hemmschuh für eine Verbreitung der bAV bei Geringverdienern, andererseits aber infolge der Verästelung im Sozialrecht schwer zu beantworten. Görgen betonte, dass hier gegensätzliche Interessen im Raum stünden, und das betreffe auch das Ministerium selbst. Er zeigte Verständnis für die Sorgen, dass bei einer Abschaffung der Anrechnung von Betriebsrenten auf die Grundsicherung die ganze Systematik dieses Instrumentes ins Rutschen geraten könnte. Eine Lösung in dieser Frage scheint sich also derzeit nicht abzuzeichnen.

 

 

Gutachten, dritte EbAV, Opting-out, Rückwirkung und Zielrenten

 

Stellung nahm Görgen auch zu den vier Kernthesen des von seinem Haus in Auftrag gegebenen Gutachtens „Sozialpartnermodell Betriebsrente“, angefertigt von Professor Peter Hanau von der Universität zu Köln und Rechtsanwalt Marco Arteaga (DLA Piper).

 

Hier bekräftigte der Beamte, dass die Sozialpartner in dem Modell nicht unbedingt eigene Einrichtungen werden aufstellen müssen, sondern sich durchaus auch bestehender EbAV werden bedienen können.

 

Wichtig sei der Politik dabei, dass in einem solchen Fall Arbeitgeber und Gewerkschaften beteiligt bleiben, beispielsweise über eine ständige Vertretung in den Aufsichtsgremien. Das Gesetz werde hier dabei keine genauen Vorgaben machen, so Görgen weiter.

 

Zweitens: Opting-out. Hier sollen, so der BMAS-Beamte, die Voraussetzungen geschaffen werden, dass die Tarifparteien dies rechtssicher vereinbaren können. Dem dritten und wohl radikalsten Kernaspekt des Gutachtens – der Anwendung der neuen Regeln auch auf den Bestand – erteilte Görgen dagegen eine ebenso knappe wie eindeutige Absage: „Davon werden wir die Finger lassen.“

 

Schließlich viertens die Zielrente als der wohl bedeutendste Vorschlag des Gutachtens. Immerhin war der ursprüngliche Gedanke des Modells, den Arbeitgeber zu enthaften und gleichzeitig dem Arbeitnehmer weiter seine althergebrachte Garantien zu gewähren, was technisch wie politisch eine der komplexesten und umstrittensten Frage überhaupt war. Skepsis gab es besonders gegenüber der Idee, eine solche Garantie über den PSV sicherzustellen. Zielrentensysteme könnten diese Diskussion weitgehend obsolet machen.

 

Die Experten sind sich weitgehend einig, dass Zielrentensysteme eine gute Antwort auf den anhaltenden Druck von Märkten, Zins und Demografie wären“, erläuterte Görgen, gab aber zu bedenken, dass dies gleichwohl äußerst schwer zu kommunizieren sei: „Man müsste den Beschäftigten also sagen 'Wir entlassen den Arbeitgeber aus der Haftung für die Mindestleistung Deiner Rente, damit du eine höhere bekommst'. Das wird ein mühsamer Prozess, der Zeit und Geduld brauchen wird.“ Schließlich sei der Gedanke, dass Betriebsrenten auch mal fallen können, in Deutschland ein völlig neuer. Wie man diese Volatilität im einzelnen zähmen könne, sei noch unklar, doch fest stehe, dass man hierzu auch neue Vorschriften im VAG brauchen werde, und eben dies sei einer der Punkte, bei denen die Stakeholder noch uneinig seien.

 

 

GKV: vor 2004 ist utopisch

 

Im BMAS weiss man sehr gut um die Brisanz des Themas der GKV-Beitragspflicht in der Rentenphase. Teils lokale Rentnerverbände, die zunehmend Druck auf ihre heimischen Bundestagsabgeordneten machen, sowie zunehmende Berichte in den Massenmedien hierzu kommen schließlich auch in der Wilhelmstraße an. Gleichwohl hält Görgen die gesetzgeberische Maßnahme von 2004 für nachvollziehbar, und „dass wir nun auf den Stand von vor 2004 zurückkehren, halte ich für utopisch.“ Hoffnung bestehe einzig, dass die Unsystematik zwischen der GKV-Beitragspflicht betrieblicher Riesterrenten und der Beitragsfreiheit privater Riesterrenten zugunsten ersterer abgeschafft werde (was aber gleichwohl eine neue Unsystematik schaffte, nämlich innerhalb der bAV selbst, Anmerkung der Redaktion).

 

 

Die Steuerseite: 3.63 und Zulage

 

Die Bemessungsgrundlage für den Paragrafen 3 Nr. 63 soll verbreitert werden, kündigte Görgen an, und zwar vermutlich von 4 auf 6,5 Prozent bei Wegfall des Sonderpostens von 1.800 Euro gemäß 3. Nr. 63 Satz 3, Details noch unklar.

 

Des weiteren werde weiter an dem Zulagenmodell gearbeitet, bei dem die Arbeitgeber bei Geringverdienern ihre Zuschüsse zur Betriebsrente bis maximal 480 Euro zu 30 Prozent über die Lohnsteuerabrechnung zurückerhalten, Einzelheiten auch hier noch unklar.

 

Fazit: Dass die Politik sich nicht aus dem Fenster lehnt – insbesondere in der fachlich klaren und kaum abwendbaren, aber politisch heiklen Frage der Zielrentensysteme – ohne ein wasserdichtes Commitment wirklich aller Stakeholder und vorneweg der Sozialpartner zu haben, ist angesichts der leichten Erregbarkeit der Deutschen in Fragen der Alterssicherung nicht überraschend und durchaus nachvollziehbar. Denn eine bAV-Reform würde ihre Erfolge – wenn sie außerhalb unseres Parketts überhaupt registriert werden – nur sehr langfristig zeigen. Kurzfristig zu gewinnen gibt es politisch also wenig, zu verlieren aber umso mehr. Selbstlosigkeit zeigt die Politik – wenn überhaupt – aber nur dann, wenn wirklich alle in einem Boot sitzen.

 

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