Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Eben in Erfurt – in Sachen Pensionskasse (III):

Noch mehr Geduld bitte!

bAV über Pensionskasse, diese unterdeckt, Arbeitgeber pleite. Was dann? PSV? Obwohl doch Pensionskassen gar nicht der gesetzlichen Insolvenzsicherung unterliegen? Und weder Arbeitgeber noch Kasse je PSV-Beiträge entrichtet haben? Für heute hatte das BAG seine Entscheidung angekündigt – und die ist keine, zumindest keine finale. Eine Meinung hat der Dritte Senat gleichwohl. Außerdem ist zu jung nunmal zu jung.

 

Wie berichtet, hatte das Bundesarbeitsgericht im September 2017 zu dem auch politisch wichtigen Verfahren 3 AZR 142/16 den heutigen 20. Februar 2018 als Tag der Verkündung seiner Entscheidung festgelegt.

 

Doch so eine richtige Entscheidung gibt es immer noch nicht. Stattdessen hat der Dritte Senat den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um eine Vorabentscheidung zur Auslegung und unmittelbaren Geltung von Artikel 8 der Richtlinie 2008/94/EG ersucht.

 

In besagtem Artikel 8 heisst es:

 

Die Mitgliedstaaten vergewissern sich, dass die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer sowie der Personen, die zum Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers aus dessen Unternehmen oder Betrieb bereits ausgeschieden sind, hinsichtlich ihrer erworbenen Rechte oder Anwartschaftsrechte auf Leistungen bei Alter, einschließlich Leistungen für Hinterbliebene, aus betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen außerhalb der einzelstaatlichen gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit getroffen werden.“

 

Der Dritte Senat ruft die Details des zugrundeliegenden Falls nochmal in Erinnerung (gerafft):

 

Der Kläger bezieht u.a. eine Pensionskassenrente, die von der Pensionskasse aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten gekürzt wird. In der Vergangenheit hat die frühere Arbeitgeberin des Klägers diese Leistungskürzungen aufgrund ihrer gesetzlichen Einstandspflicht ausgeglichen. Nachdem sie zahlungsunfähig geworden ist, fordert der Kläger, dass der PSV als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung für die Leistungskürzungen der Kasse eintritt. Das ArbG hatte die Klage abgewiesen, das LAG ihr stattgegeben.“

 

 

Eigentlich nicht, höchstens nach EU-Recht

 

Bertram Zwanziger. Foto: BAG

Der Dritte Senat geht nun, wie er heute schreibt, zwar durchaus davon aus, dass das nationale Recht keine Eintrittspflicht des PSV für Kürzungen von Leistungen der bAV vorsieht, wenn die Leistungen im Durchführungsweg Pensionskasse erbracht werden. Eine Haftung des PSV könne sich daher allenfalls aus Artikel 8 der Richtlinie ergeben. Dies setze voraus, dass die Norm auch auf Sachverhalte anwendbar ist, in denen – wie vorliegend – ein Arbeitgeber aufgrund eigener Zahlungsunfähigkeit die Kürzungen der Pensionskassenrente nicht ausgleichen kann. Entscheidungserheblich, so der Senat weiter, sei zudem, unter welchen Voraussetzungen nach Artikel 8 der Richtlinie ein staatlicher Insolvenzschutz gewährleistet ist. Weiter komme es darauf an, ob die Richtlinienvorschrift unmittelbare Geltung entfaltet und ob sich der Arbeitnehmer deshalb auch gegenüber dem PSV auf sie berufen kann. Für die Beantwortung der Fragen sei der EuGH zuständig.

 

Das BAG hat das Revisionsverfahren bis zur Entscheidung des EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen ausgesetzt.

 

Nun, ob es sich bei der sehr, sehr spezifisch deutschen Gemengelage aus PK, Einstandspflicht, PSV und Mindestleistung um eine Problematik handelt, die unbedingt in die Zuständigkeit des EuGH fallen muss, sei dahingestellt, doch fest steht: Zeit gewinnt man somit allemal – angesichts der Brisanz der Sache ist das keine Kleinigkeit. Außerdem darf man je nach Ausgang des Verfahrens auf eine Drittwirkung auf andere Zusatzversorgungseinrichtungen gespannt sein.

 

BAG, Beschluss vom 20. Februar 2018 – 3 AZR 142/16 (A) – Vorinstanz: LAG Köln, Urteil vom 2. Oktober 2015 – 10 Sa 4/15 –

 

 

Zu jung ist zu jung – das legitime Interesse des Arbeitgebers

 

Außerdem ging es heute in Erfurt wie berichtet um die Frage, ob eine altersabhängige Abstandsklausel in einer Versorgungsordnung diskriminierend sein kann.

 

Hier hat der Dritte Senat eine klare Entscheidung gegen die beiden Vorinstanzen getroffen:

 

Sieht eine Regelung in einer Versorgungsordnung vor, dass Ehegatten nur dann eine Hinterbliebenenversorgung erhalten, wenn sie nicht mehr als 15 Jahre jünger als der Versorgungsberechtigte sind, liegt darin keine gegen das AGG verstoßende Diskriminierung wegen des Alters.“

 

Der Senat führt aus:

 

Der Arbeitgeber, der eine Hinterbliebenenversorgung zusagt, hat ein legitimes Interesse, das hiermit verbundene finanzielle Risiko zu begrenzen. Die Altersabstandsklausel ist auch erforderlich und angemessen. Sie führt nicht zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen der versorgungsberechtigten Arbeitnehmer, die von der Klausel betroffen sind. Bei einem Altersabstand von mehr als 15 Jahren ist der gemeinsame Lebenszuschnitt der Ehepartner darauf angelegt, dass der Hinterbliebene einen Teil seines Lebens ohne den Versorgungsberechtigten verbringt. Zudem werden wegen des Altersabstands von mehr als 15 Jahren nur solche Ehegatten von dem Ausschluss erfasst, deren Altersabstand zum Ehepartner den üblichen Abstand erheblich übersteigt.“

 

BAG, Urteil vom 20. Februar 2018 – 3 AZR 43/17 –

Vorinstanz: LAG Köln, Urteil vom 31. August 2016 – 11 Sa 81/16 –

 

 

Der Wortlaut der Fragen an den EuGH

 

Nochmal zurück zu dem Verfahren 3 AZR 142/16. En Detail richtet der Dritte Senat folgende Fragen an den EuGH:

 

I. Der EuGH wird gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) um die Beantwortung der folgenden Fragen ersucht:

 

1. Ist Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG des EP und des Rates vom 22. Oktober 2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers anwendbar, wenn Leistungen der bAV über eine der staatlichen Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegenden überbetriebliche Versorgungseinrichtung erbracht werden, diese aus finanziellen Gründen ihre Leistungen mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde berechtigt kürzt und der Arbeitgeber nach nationalem Recht zwar für die Kürzungen gegenüber den ehemaligen Arbeitnehmern einzustehen hat, seine Zahlungsunfähigkeit jedoch dazu führt, dass er seine Verpflichtung, diese Leistungskürzungen auszugleichen, nicht erfüllen kann?

 

2. Falls die erste Vorlagefrage bejaht wird:

Unter welchen Umständen können die durch die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers erlittenen Verluste des ehemaligen Arbeitnehmers bei den Leistungen der bAV als offensichtlich unverhältnismäßig angesehen werden und damit die Mitgliedstaaten verpflichten, hiergegen einen Mindestschutz zu gewährleisten, obwohl der ehemalige Arbeitnehmer mindestens die Hälfte der Leistungen erhält, die sich aus seinen erworbenen Rentenansprüchen ergeben?

 

3. Falls die erste Vorlagefrage bejaht wird:

Entfaltet Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG unmittelbare Wirkung, und verleiht die Bestimmung, wenn ein Mitgliedstaat diese Richtlinie nicht oder nur unzulänglich in nationales Recht umgesetzt hat, dem Einzelnen Rechte, die dieser vor einem nationalen Gericht gegenüber dem Mitgliedstaat geltend machen kann?

 

4. Falls die dritte Vorlagefrage bejaht wird:

Ist eine privatrechtlich organisierte Einrichtung, die von dem Mitgliedstaat – für die Arbeitgeber verpflichtend – als Träger der Insolvenzsicherung der bAV bestimmt ist, der staatlichen Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegt sowie die für die Insolvenzsicherung erforderlichen Beiträge kraft öffentlichen Rechts von den Arbeitgebern erhebt und wie eine Behörde die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung durch Verwaltungsakt herstellen kann, eine öffentliche Stelle des Mitgliedstaates?“

 

Eben die Politik (in Form der Exekutive) hält sich in dieser kritischen Frage vorsichtig bedeckt. Bereits vor nach dem Kölner LAG-Urteil hatte LEITERbAV im zuständigen BMAS nachgefragt, wie es die Angelegenheit bewerte. Antwort seinerzeit: Es handele sich nach dem Dafürhalten des BMAS um eine theoretische Rechtsfrage, die bislang in der Praxis keine Rolle gespielt habe, und zu hypothetischen Sachverhalten nehme man nicht Stellung. Konfrontiert mit dem BAG-Verfahren, erklärte das Ministerium seinerzeit erneut gegenüber der Redaktion, dass es weiterhin keine Veranlassung sehe, sich zu einer offenen Rechtsfrage im Zusammenhang mit der bAV zu äußern.

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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