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Wertgleiche Teilung beim Versorgungsausgleich?

Nicht für den beherrschenden GGF

Erstens gibt es bei GGF-Zusagen praktisch keinen Ausgleich im Kollektiv, und zweitens können die Volumina zuweilen sehr groß sein. Umso betrüblicher, dass explizit für Unternehmer der Bundesgerichtshof jüngst im Widerspruch zu den Vorinstanzen einer praktikablen Regelung des Versorgungsausgleichsgesetzes eine Absage erteilt hat, erläutert Claudia Veh.

 

Claudia Veh, KPMG.

Dass bei der betrieblichen Altersversorgung des Gesellschafter-Geschäftsführers (GGF) steuerrechtlich andere Spielregeln gelten als für „normale“ Arbeitnehmer, ist hinlänglich bekannt. Dass sich diese Linie für beherrschende GGF auch bei der Teilung eines Anrechts im Rahmen des Versorgungsausgleichs fortsetzt, dürfte hingegen in Bezug auf § 45 VersAusglG für viele neu sein. Der BGH hat hier jedenfalls eine klare Sicht auf die Dinge, wie sein Beschluss vom 15. Juli 2020 (XII ZB 363/19) zeigt.

 

§ 45 VersAusglG: Teilung auf Renten- oder Kapitalbasis

 

Das VersAusglG räumt in § 45 dem Versorgungsträger bei Anrechten im Sinne des BetrAVG die Option ein, Anrechte entweder als Rentenbetrag oder als Kapitalbetrag zu teilen. Die Teilung auf Kapitalbasis ermöglicht dem Versorgungsträger, dass der Wert der beiden Anrechte des Ausgleichsverpflichteten und des Ausgleichsberechtigten nach der Teilung versicherungsmathematisch wertgleich zum ursprünglichen Anrecht des Ausgleichsverpflichteten ist.

 

Ein einfaches Beispiel soll dies verdeutlichen:

 

Für einen 55-jährigen Arbeitnehmer besteht bei seinem Arbeitgeber eine Direktzusage auf eine Altersrente in Höhe von 1.000 Euro monatlich ab Alter 67. Von der Zusage wurden 500 Euro Rente während der gemeinsamen Ehezeit erdient.

 

Teilung auf Rentenbasis

 

Bei der Teilung auf Rentenbasis beläuft sich der sog. Ehezeitanteil auf 500 Euro Altersrente. Dieser wird nun – ohne Berücksichtigung von Teilungskosten – zu gleichen Teilen à 250 Euro auf die beiden Ehegatten aufgeteilt. Damit erhält die ausgleichsberechtigte Ehefrau eine Zusage über eine Altersrente in Höhe von 250 Euro monatlich ab Alter 67, die Zusage des Mannes beläuft sich nur noch auf 750 Euro (500 Euro, die nicht während der Ehezeit erdient wurden, und 250 Euro Anteil aus der gemeinsamen Ehezeit).

 

Es sollte unmittelbar klar sein, dass in der Regel der versicherungsmathematische Wert der ursprünglichen Zusage nicht identisch ist mit der geteilten Zusage nach Durchführung des Versorgungsausgleichs:

 

Zum einen ist die Biometrie der Frau eine andere als die des Mannes, und zum anderen ist der Zeitraum bis zum Erreichen der Altersgrenze länger oder kürzer, damit auch der Zeitraum, in dem die Mittel zur Finanzierung der Versorgung angespart werden können.

 

Die Teilung auf Rentenbasis kann für das Unternehmen versicherungsmathematisch zu einer geringeren Gesamtverpflichtung führen als das ursprüngliche Anrecht, aber auch zu einer höheren. Welcher Effekt sich im Einzelfall ergibt, hängt von der konkreten Biometrie der Ehepartner ab, vom Altersunterschied zwischen den beiden und dem zugesagten Leistungsspektrum.

 

Teilung auf Kapitalbasis

 

Teilt man die Zusage auf Kapitalbasis, ermittelt man mit der Biometrie des Ausgleichsverpflichteten den Kapitalwert des Ehezeitanteils, der im Beispiel bei 84.482 Euro liegt (Heubeck-Richttafeln, BilMoG-Rechnungszins, 1% Rententrend zur pauschalen Berücksichtigung von § 16 BetrAVG). Dieser Kapitalwert wird dann hälftig geteilt.

 

Für den Ausgleichsverpflichteten führt dies zum gleichen Ergebnis wie die Teilung auf Rentenbasis: Vom Ehezeitanteil entfällt auf ihn die Hälfte (84.482 : 2 = 42.241 Euro), was ein Anrecht in Höhe von 250 Euro Altersrente bedeutet.

 

Anders ist es bei der ausgleichsberechtigten Frau. Denn nun wird „ihr“ Ehezeitanteil in Höhe von 42.241 Euro mit ihren biometrischen Rechnungsgrundlagen zurückgerechnet in eine Altersrente ab Alter 67 (Heubeck-Richttafeln 2018 G, BilMoG-Rechnungszins, 1% Rententrend). Hieraus kann eine Altersrente resultieren, die höher oder niedriger ist als die Teilung auf Rentenbasis ergeben würde. Ist die Frau z.B. 53 Jahre alt, würde sich eine Altersrente in Höhe von 218 Euro ergeben. Das sind 32 Euro monatliche Rente weniger als bei Teilung auf Rentenbasis.

 

Damit ist die geteilte Zusage (750 Euro Altersrente für den Mann, 218 Euro Altersrente für die Frau) versicherungsmathematisch wertgleich (korrespondierender Kapitalwert = 84.482 Euro) zur ursprünglichen Zusage (1.000 Euro Altersrente für den Mann).

 

Würde die Firma für die externe Teilung votieren, würde bei der Teilung auf Rentenbasis der nötige Kapitalbetrag bei 48.432 EUR liegen, bei der Teilung auf Kapitalbasis bei 42.241 Euro.

 

Die folgende Tabelle fasst die Ergebnisse zusammen.

 

Tab.: Beispiel, Vergleich Teilung auf Renten- und Kapitalbasis, ohne Teilungskosten.

Grafik zur Volldarstellung anklicken.

 

Teilung auf Kapitalbasis zur Vermeidung eines Anstiegs des Verpflichtungsumfangs

 

Bestehen in einem Unternehmen nur eine oder wenige Pensionszusagen, wie es gerade bei GGF-Zusagen die Regel ist, kann die Teilung auf Rentenbasis zu zwei Anrechten führen, die zusammengenommen wertmäßig mitunter deutlich von der ursprünglichen Zusage abweichen.

 

Bei einem großen Kollektiv könnte man, wählt man die Teilung auf Rentenbasis, noch davon ausgehen, dass sich die Mehr- bzw. Minderbelastungen aus der Teilung im großen Kollektiv ausgleichen. Bei einer einzelnen Zusage ist dies jedoch nicht der Fall. Hier ist die Teilung auf Kapitalbasis – eigentlich – ein wichtiges Gestaltungselement im Zusammenhang mit dem Versorgungsausgleich, um Mehrbelastungen aus der Versorgungszusage infolge des Versorgungsausgleichs für den Arbeitgeber auszuschließen.

 

Der § 45 Abs. 1 VersAusglG räumt das Wahlrecht für Rente bzw. Kapital explizit für „ein Anrecht im Sinne des Betriebsrentengesetzes“ ein, doch diese Wahlmöglichkeit wurde in der Praxis bislang im Allgemeinen auch für Unternehmerzusagen herangezogen. So hatte auch die Vorinstanz im aktuellen BGH-Beschluss, das OLG Karlsruhe, die Meinung vertreten, dass das Wahlrecht aus § 45 VersAusglG auch für in Unternehmerstellung erdiente Anrechte gilt, wenn sie in einem bestimmten Durchführungsweg des Betriebsrentengesetzes eingerichtet und dem Grunde und der Höhe nach hinreichend verfestigt sind.

 

Arbeitsrechtlich beherrschender GGF: kein Wahlrecht nach § 45 VersAusglG

 

Dem hat der BGH hat nun widersprochen: Die Wahlmöglichkeit für die Teilung des Anrechts auf Renten- oder Kapitalbasis gilt nur für Anrechte im Sinne des BetrAVG. Handelt es sich beim Versorgungsberechtigten jedoch um einen Unternehmer, also einen arbeitsrechtlich beherrschenden GGF, für den das BetrAVG keine Geltung hat, ist das Anrecht im jeweiligen System zu teilen.

 

Der BGH im Erbgrossherzoglichen Palais. Foto: Joe Miletzki.

 

Das heißt: Lautet das Anrecht auf Rente, ist das Anrecht auf Rentenbasis zu teilen (eine Kapitalzusage wird beim arbeitsrechtlich beherrschenden GGF nicht in den Versorgungsausgleich einbezogen, was sich aus § 2 VersAusglG ergibt und ebenfalls bereits höchstrichterlich bestätigt wurde; vgl. z.B. BGH-Beschluss vom 16. Januar 2014 – XII ZB 455/13; BGH-Beschluss vom 1. April 2015 – XII ZB 701/13).

 

Das bedeutet, dass die GmbH als Versorgungsträger keine Möglichkeit hat, eine Rentenzusage des beherrschenden GGF so zu teilen, dass der Verpflichtungsumfang aus den beiden Anrechten nach Teilung versicherungsmathematisch gleich hoch ist wie der Verpflichtungsumfang der ursprünglichen Pensionszusage.

 

Zu beachten ist hierbei, dass der Versorgungsausgleich beim GGF mit einer zu teilenden Pensionszusage generell eine andere Relevanz hat als bei einem „normalen“ Arbeitnehmer. Angefangen bei der Höhe der Pensionszusage: Diese ist in der Regel deutlich höher als das obige Beispiel – im vor dem BGH verhandelten Fall (XII ZB 363/19) betrug der Ehezeitanteil 525.347,35 Euro – mit entsprechender Konsequenz auf die Höhe des Ausgleichswerts sowie den möglichen absoluten Unterschied zwischen Teilung auf Renten- und Kapitalbasis. Hinzu kommen Bilanzauswirkungen aus der Bewertung der beiden Anrechte sowie mögliche Abstimmungsschwierigkeiten bei der Einrichtung eines Pfandrechts (es soll vorkommen, dass die ausgleichsberechtigte Person – wenn auch irrational – der Einräumung eines Pfandrechts nicht zustimmt, wenn die GmbH zur Finanzierung ihres Anrechts eine Rückdeckungsversicherung abschließt; damit kann handelsbilanziell insofern keine Saldierung der Pensionsrückstellungen mit dem Aktivwert der Rückdeckung erfolgen), bis zur schlichten oftmals unerwünschten Tatsache, für die geschiedene Ehefrau in der eigenen GmbH eine Pensionszusage zu haben. All dies spricht dafür, „in guten Zeiten“ die Pensionszusage des GGF in einer notariell beglaubigten Vereinbarung nach § 6 VersAusglG vom Versorgungsausgleich auszuschließen.

 

Achtung bei Statuswechseln

 

Im konkreten vor dem BGH behandelten Fall hatte sich zudem der Status des Versorgungsberechtigten im Zeitablauf von Arbeitnehmer zum Unternehmer geändert. Damit muss das Anrecht zeitratierlich auf zwei Teile aufgesplittet werden, die im Versorgungsausgleich jeweils separat zu behandeln sind (§ 45 bzw. §§ 39 bis 42 VersAusglG). Dies macht die Berechnungen wiederum aufwändiger.

 

Thema Insolvenzschutz

 

Der BGH hat in dem aktuellen Beschluss erneut bestätigt, dass gem. § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VersAusglG alle für die Pensionszusage des Ausgleichsverpflichteten bestehenden Sicherheiten anteilig auch für das zu übertragende Anrecht begründet werden müssen. Damit ist das Pfandrecht des GGF an zum Ehezeitende bestehenden Rückdeckungsversicherungen anteilig der Ehefrau zwecks Besicherung ihres durch den Versorgungsausgleich erworbenen Anrechts zuzuordnen, und zwar im Umfang des zum Ehezeitende bestehenden Deckungsgrads am Ehezeitanteil.

 

Praktikabler und passender dürfte es grundsätzlich sein, für die Finanzierung des Anrechts der ausgleichsberechtigten Person ebenfalls eine Rückdeckung samt Pfandrecht einzurichten, wobei der Finanzierungs- und Sicherungsgrad dem der Zusage des Ausgleichsverpflichteten zu entsprechen hat.

 

Insgesamt mag man durchaus die Frage aufwerfen, warum für den beherrschenden GGF andere Spielregeln beim Versorgungsausgleich betrieblicher Anrechte gelten sollen als für Anrechte auf Basis des BetrAVG. Letztlich geht es bei Arbeitnehmern und Unternehmern um betriebliche Altersversorgung, an der beide Ehepartner gerecht teilhaben sollen.

 

Die Autorin ist Director Deal Advisory Pensions der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in München.

 

Von Autorinnen und Autoren der KPMG sind zwischenzeitlich bereits auf LEITERbAV erschienen:

 

GGF-Pensionszusage, 6a und vGA:

Indizienprozess in Düsseldorf

von Dr. Claudia Veh, 25. Oktober 2021

 

Zahlungsströme aus RDV und Zusage:

Künftig kongruent

von Andreas Johannleweling und Dr. Claudia Veh, 11. August 2021

 

Neulich in München:

Wenn der Chef einfach weitermacht …

Von Dr. Claudia Veh, 17. Mai 2021

 

Insolvenzverwalter versus PSV:

Und immer lockt die GGF-Pensionszusage …

von Dr. Claudia Veh, 11. Februar 2021

 

Wertgleiche Teilung beim Versorgungsausgleich?

Nicht für den beherrschenden GGF

von Dr. Claudia Veh, 28. Oktober 2020

 

Der Chef und seine bAV …

von Dr. Claudia Veh, 7. August 2020

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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