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Olaf Keese im Interview (I):

Nicht den Opportunitäten hinterherlaufen

 

Die Sparkassen Pensionskasse AG sieht sich gut aufgestellt. Auf Dauer ist aber auch die zweitgrößte Wettbewerbspensionskasse Deutschlands nicht gegen das Niedrigzins-Virus immun. Bereits im laufenden Jahr wirkt zudem ausgerechnet die regulatorische Medizin kontraproduktiv. Über unsinnige Automatismen, gesunde Kapitalpolster und das Asset Management der Kasse sprach Olaf Keese, Vorstand der Sparkassen Pensionskasse AG, im Kölner Rheinauhafen mit Rita Lansch – Teil I eines Interviews.

 

 

Herr Keese, den Hoffnungen von Pensionskassen und Lebensversicherern auf eine baldige Erleichterung bei der Zinszusatzreserve hat BaFin-Präsident Felix Hufeld auf einer Versicherungskonferenz am 22. Juni gerade einen Dämpfer verpasst. Was bedeutet das für die Sparkassen Pensionskasse?

 

Zunächst einmal: Die Grundidee der Zinszusatzreserve ist es, die Erfüllbarkeit der von Lebensversicherern und Pensionskassen ausgegebenen Garantien in Niedrigzinsphasen abzusichern. Dagegen ist im Prinzip nichts einzuwenden. Doch der Gesetzgeber hat es dabei ganz offenkundig versäumt, seine neue Vorschrift mit bereits bestehenden in Einklang zu bringen. Und die konkrete, mechanistische Ausgestaltung wird unternehmensindividuellen Gegebenheiten zu wenig gerecht. Wir investieren beispielsweise fast ausschließlich in festverzinsliche Wertpapiere mit einer Laufzeit von über 20 Jahren, die Zinszusatzreserve muss aber mit einem 10-Jahreszins kalkuliert werden. Die Folgen zwingen uns jedenfalls zu einem Verhalten, das der Pensionskasse langfristig mehr schadet als nutzt.

 

 

 

Bisher beschweren sich hauptsächlich Lebensversicherer über die Zinszusatzreserve, weil die Reservestärkung die Eigenmittel-Bildung für Solvency II erschwert. Pensionskassen fallen doch gar nicht unter Solvency II. Wo liegt hier das Problem?

 

Wir fallen zwar nicht unter Solvency II, das stimmt. Aber die Bildung der Zinszusatzreserve zieht bei uns eine Erhöhung der freien Rückstellung für Beitragsrückerstattung nach sich. Die Zinszusatzreserve muss ja zusätzlich noch mit entsprechenden Eigenmitteln bedeckt werden. Unsere freie RfB hat damit die steuerliche Höchstgrenze des Paragrafen 21 KStG überschritten, muss in der Steuerbilanz zwangsaufgelöst werden und zieht damit die Abführung von Körperschaftsteuer nach sich. Das ist ein unnötiger Substanzabfluss. Leider ist hier das Steuerrecht noch nicht mit dem Lebensversicherungs-Reformgesetz synchronisiert worden, das – sinnvollerweise in Abhängigkeit vom Zinsniveau – eine erhöhte freie RfB erlaubt.

 

 

 

Leider ist hier das Steuerrecht noch nicht mit dem Lebensversicherungs-Reformgesetz synchronisiert worden.“

 

 

 

Gibt es weitere negative Auswirkungen?

 

Leider ja. Wir werden gezwungen, unser Kapitalanlageportefeuille zu verschlechtern. Wir haben Bestände an festverzinslichen Papieren, von denen manche noch 4 Prozent Rendite bringen. Die müssen wir dann verkaufen, um mit den realisierten Kursgewinnen die Zinszusatzreserve bilden zu können. Aktuell können wir ja nur zu deutlichen niedrigeren Renditen neu anlegen. Das bedeutet, dass unsere Substanz langfristig sogar geschwächt wird. Das ergibt einfach keinen Sinn.

 

 

 

Das Switch-Problem haben Sie aber doch grundsätzlich bei jeder fälligen Rentenauszahlung?

 

Olaf Keese, S-Pension.
Olaf Keese, S-Pension.

 

 

Grundsätzlich ist das so, wenn Leistungen fällig werden, fließen entsprechend Kapitalanlagen ab. Aber bei uns ist das etwas anders. Wir sind ein recht junges Unternehmen, trotz unserer Größe. Aktuell haben wir 370.000 Anwärter, aber erst knapp 4.000 Rentner. Das bedeutet, wir haben nur Zuflüsse und können, nein müssen entsprechend langfristig anlegen. Das beginnt sich frühestens in etwa fünf, eher in zehn Jahren langsam zu ändern.

 

 

 

Und wie langfristig – gerade auch im Hinblick auf die Langfristigkeit ihrer Verbindlichkeiten – ist das? Stichwort Asset-Liability-Management. Betriebsrentenverträge können ja locker mehr als 50 Jahre lang laufen. Haut das einigermaßen hin?

 

Wir erreichen mit unserer konservativen Kapitalanlagestrategie eine modifizierte Duration von knapp 13 Prozent. Das ist recht gut, mehr ist am Markt kaum zu kriegen. Zum Vergleich, auf der Passivseite liegen wir bei ungefähr 20 Prozent modifizierte Duration. So haben wir zwar immer noch ein Duration Gap, können damit aber gut leben. Und im Laufe des Älterwerdens unserer Pensionskasse wird sich die Duration auf der Passivseite entsprechend verkürzen.

 

 

 

Wir kaufen keine strukturierten Papiere mehr.“

 

 

 

Wären daher Infrastrukturinvestitionen eine Alternative für Sie?

 

Grundsätzlich ja. Wir haben uns Einiges angeschaut und auch versucht, uns an einer Ausschreibung zu beteiligen. Letztlich passten uns allerdings die Konditionen nicht. Unter den derzeitigen Marktkonditionen glaube ich nicht an eine attraktive, risikogerechte Verzinsung, zumal netto, nach Abzug der intern verursachten Kosten und der Unterlegung mit Risikokapital nicht viel übrig bleibt. Wir kaufen auch keine strukturierten Papiere mehr.

 

 

 

Warum nicht?

 

Nicht nur, weil die Aufpreise für das Kündigungsrecht des Emittenten kaum noch wahrnehmbar sind und der wahre Wert oft kaum nachvollziehbar ist, sondern auch, weil sie unserer Steuerungslogik entgegenlaufen. Denn wenn die Zinsen niedrig sind, werden sie gekündigt und erhöhen damit die Risiken im ALM-Kontext. Hinzu kommt eine eingeschränkte Liquidierbarkeit.

 

 

 

Wir haben 92 Prozent unserer Kapitalanlagen in festverzinslichen Wertpapieren angelegt.“

 

 

 

Sie sagen, Sie legen sehr konservativ an. Im Laufe des Jahres 2014 sind ihre Kapitalanlagen um 12 Prozent auf 3,5 Milliarden Euro gestiegen. Wie ist der Bestand denn strukturiert?

 

Wir haben 92 Prozent unserer Kapitalanlagen als Direktbestand in festverzinslichen Wertpapieren angelegt. Größtenteils in Schuldscheine, Pfandbriefe und Anleihen deutscher Emittenten, ein paar österreichische Papiere und ein holländisches. Zu 98 Prozent sind unsere Festverzinslichen mit AAA oder AA gerated, 2 Prozent weisen ein A auf. Die restlichen acht Prozent der Kapitalanlagen halten wir in einem Masterfonds. Der setzt sich zu 80 Prozent zusammen aus weltweiten Staatsanleihen bester Bonität, über die wir ein Credit Overlay aus CDS-Indizes legen und somit quasi über ein sehr diversifiziertes, hoch liquides Unternehmensanleihen-Portfolio verfügen. Die anderen 20 Prozent von den acht Prozent investiert der Masterfonds etwa zu einem Drittel in REIT-ETFs und zu zwei Dritteln in Aktien-ETFs. Das dahinter liegende Konzept und seine Umsetzung im Masterfonds haben sich als sehr erfolgreich erwiesen und den Praxistest bestanden. Soweit es unsere Risikotragfähigkeit erlaubt, stocken wir ihn weiter auf, in diesem Jahr wohl um knapp 100 Millionen Euro.

 

 

 

Haben Sie keine Staatsanleihen aus Griechenland oder Italien, Spanien? Die bringen Ihren Kunden doch mehr Rendite, und das Risiko trägt letztlich die gesamte Euro-Gruppe. Das ist zugegebenermaßen etwas spitzt formuliert, aber im Ernst?

 

In Staaten wie Griechenland, Italien, Spanien, Portugal, und Irland waren und sind wir im Direktbestand nicht investiert. Auf der Passivseite haben wir Verpflichtungen ausschließlich gegenüber deutschen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, und das für Vertragslaufzeiten von bis zu 80 Jahren. Und ebenso im Ernst: Wir haben uns in der Eurozone Vieles angeschaut, auch Pfandbriefe, und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass dort, wo höhere Renditen möglich sind, die Risiken auch entsprechend höher liegen. Dazu wäre im Übrigen dann in unserer Risikosteuerungs-Logik noch mehr Risikokapital erforderlich, und das ist ein knappes Gut.

 

 

 

Sie gehen also auf Nummer sicher. Wie sieht denn die Performance aus?

 

Seit seiner Auflegung 2009 hat der Masterfonds mit den Anleihen 40 Prozent Plus erwirtschaftet. Die Aktien und REITs haben im gleichen Zeitraum 133 Prozent gebracht. Dabei weist er eine sehr niedrige Volatilität und somit eine hohe Sharpe Ratio auf.

 

 

 

Im Direktbestand liegt unsere laufende Durchschnittsverzinsung bei 3,6 Prozent.“

 

 

 

Das betrifft ja nur den Masterfonds, also acht Prozent ihrer Kapitalanlagen. Was ist mit den Festverzinslichen, beschränken Sie sich auf die Kupons oder leihen Sie ihre Bestände auch aus?

 

Wir verleihen keine Wertpapiere. Im Direktbestand liegt unsere laufende Durchschnittsverzinsung bei 3,6 Prozent, Stand Ende 2014.

 

 

 

Steuern Sie die Kapitalanlangen allein oder im Sparkassen-Verbund?

 

Die Allokations- und Risikostrategie übernehmen wir selber, unterstützt von RMC. Die Versicherungskammer Bayern verwaltet unsere Versicherungsbestände und bis auf den Masterfonds auch unsere gesamten Kapitalanlagen. So profitieren wir von der Effizienz und der Expertise eines großen Lebensversicherers. Denn als Nummer 2 unter den Wettbewerbs-, Nummer 10 unter allen Pensionskassen, und etwa Nummer 40 unter den Lebensversicherern sind wir dennoch nur ein mittelgroßer Marktteilnehmer.

 

 

 

Wir müssen nicht irgendwelchen tatsächlichen oder vermeintlichen Opportunitäten hinterherlaufen.“

 

 

 

Also alles durch und durch konservativ, trotz der niedrigen Zinsen. Warum?

 

Eine ausfallsichere, langfristige Passivseite erfordert eine ebensolche Aktivseite. Das Mehr an Rendite erzielen wir kontrolliert mit unserem Masterfonds, den wir entsprechend unserer Möglichkeiten, also der Risikotragfähigkeit, ausbauen. Mit ihm haben wir eine hohe Liquidität, geringe Transaktionskosten und gute Steuerbarkeit, auch in Stresssituationen. Wir müssen nicht irgendwelchen tatsächlichen oder vermeintlichen Opportunitäten hinterherlaufen.

 

 

 

Ende des ersten Teils des Interviews mit Olaf Keese.

Teil II findet sich hier.

 

 

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