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BaFin-Stresstest 2017:

Neun PK-Durchfaller. Und Alarm…

LEITERbAV hatte es gestern Nachmittag schon per Sondernewsletter vermeldet: Neun Pensionskassen haben nach derzeitigem Stand den aktuellen jährlichen BaFin-Stresstest nicht in allen Szenarien bestanden. Außerdem sorgt Frank Grund für landesweites Aufsehen.

 

Bei den Kassen, die durchgefallen sind, handelt es sich nach BaFin-Angaben durchweg um kleinere Pensionskassen, die nicht zu den 30 größten Unternehmen der Branche gehören. Im Vorjahr hatten acht Pensionskassen den Stresstest nicht bestanden.

 

Auch der aktuelle BaFin-Stresstest für Pensionskassen basiert weitgehend auf den Bilanzdaten zum 31. Dezember 2017, die auf den nächsten Bilanzstichtag hochgerechnet werden. Auf dieser Grundlage simuliert der Stresstest mit Hilfe von vier Stress-Szenarien eine kurzfristige, adverse Kapitalmarktveränderung und betrachtet die bilanziellen und wirtschaftlichen Auswirkungen für die Pensionskassen. Er umfasst ein Marktänderungsrisiko für Aktien, Renten (des Umlaufvermögens) und Immobilien sowie ein Bonitätsrisiko für Fixed Income.

 

Von 137 unter Bundesaufsicht stehenden Pensionskassen waren 16 von der Pflicht zur Vorlage des Stresstests befreit. Eine der befreiten Pensionskassen hat trotzdem einen Stresstest vorgelegt, so dass insgesamt 122 Stresstests vorgelegt wurden.

 

Befreiungen von der Pflicht zur Vorlage spricht die BaFin nur bei Kassen aus, bei denen die Risikotragfähigkeit aufgrund risikoarmer Kapitalanlagen ohnehin gegeben ist. Insgesamt sind somit 128 Pensionskassen oder 93,4% (Vj: 94,2%) aller PK auf Basis des Stresstestmodells als ausreichend risikotragfähig einzustufen.

 

 

Grund zu Alarm?

 

Frank Grund…

So wenig alarmistisch die Stresstest-Ergebnisse und die Ausführungen der Anstalt dazu klingen, umso mehr tun dies die Aussagen von BaFin-Exekutivdirektor Frank Grund, die es bereits in praktisch alle Massenmedien des Landes schafften. Auf der gestrigen Jahres-Pressekonferenz der Anstalt in Frankfurt sagte Grund (Raffungen und Hervorhebungen durch LbAV):

 

Dauerzinstief und Lebensversicherer werden heute meist in einem Atemzug genannt. Doch was haben zwei weitere Niedrigzinsjahre mit den Pensionskassen gemacht, die noch stärker unter dem Zinsniveau leiden als die Lebensversicherer? Einige von Ihnen werden sich erinnern, was ich bei unserer Pressekonferenz 2016 dazu gesagt habe.

 

Die Lage ist heute noch ernster als vor zwei Jahren. Und wenn die Zinsen auf dem aktuellen Niveau bleiben, wird sie sich noch weiter verschärfen.

 

Ohne zusätzliches Kapital von außen werden einige PK nicht mehr ihre vollen Leistungen erbringen können. Diese Kassen begleiten wir besonders intensiv. Und wir drängen sie, bei ihren Träger oder Aktionären rechtzeitig Unterstützung einzufordern. In einigen Fällen ist auch bereits Geld geflossen, was wir natürlich begrüßen. In anderen Fällen sind solche Finanzspritzen bislang allerdings ausgeblieben – etwa weil eine Vielzahl von Arbeitgebern involviert ist, was eine Einigung erschwert.

 

Was aber passiert, wenn die Mittel einer PK nicht mehr ausreichen, weil Träger oder Aktionäre ihr nicht unter die Arme greifen? Bei VVaG enthält die Satzung meist eine Sanierungsklausel. Diese sieht dann Leistungskürzungen vor, wenn die Kasse zu wenige Eigenmittel hat, um Fehlbeträge aus eigener Kraft auszugleichen. Geht es um Leistungen aus der bAV, ist subsidiär der Arbeitgeber in der Haftung. Er selbst muss dann dafür sorgen, dass die Versorgungsberechtigten die volle zugesagte Leistung erhalten, was aber nur funktioniert, wenn er noch existiert und liquide ist.

 

Auch bei PK in der Rechtsform der AG haftet in der Regel der Arbeitgeber. Die meisten Pensionskassen-AGs gehören zudem Protektor an. Allerdings gibt es auch Leistungen, für die der Arbeitgeber nicht einstehen muss, etwa für solche aus Beiträgen, die Versorgungsberechtigte zusätzlich und aus eigener Tasche leisten.

 

… auf der BaFin-Pressekonferenz gestern in Frankfurt. Fotos: BaFin.

Einige PK denken über eine Auslagerung auf eine Run-off-Plattform nach. Zwei Anzeigen liegen uns derzeit vor. Wir gehen mit solchen Anzeigen um, wie man es von uns bei den Lebensversicherern gewöhnt ist: Wir prüfen sehr genau, ob die hohen gesetzlichen Vorgaben erfüllt sind und die Belange der Versicherten auch unter dem neuen Dach gewahrt wären. Haben wir Zweifel, verlangen wir Nachbesserung oder untersagen die Übertragung.

 

Ale Verantwortlichen sollten ein Interesse daran haben, Pensionskassen vor einer Schieflage zu bewahren. Nur dann bleibt die betriebliche Altersversorgung ein stabiler Pfeiler der Alterssicherung in Deutschland.“

 

Zahlreichen Medienberichten zufolge soll Grund den Anteil der Kassen, die angesichts der Lage unter verschärfter Beobachtung stehen, auf rund ein Drittel taxiert haben.

 

 

Die Worte kommen bekannt vor

 

Grund sorgt mit solchen Aussagen nicht das erste Mal für Aufsehen. So hatte er  – wie er gestern selber sagte – schon auf der Pressekonferenz 2016 (mit damals sieben PK-Durchfallern) mit scharfen, aber nahezu identischen Worten die Lage beschrieben:

 

Lassen Sie uns nicht nur über Lebensversicherer reden. Noch mehr als sie leiden PK unter dem niedrigen Zinsniveau. Sie haben fast nur Verträge im Bestand, in denen sie sich dazu verpflichtet haben, lebenslang Renten zu zahlen. Die werden im Durchschnitt immer älter, was die Ergebnisse zusätzlich belastet.

 

Die Kassen haben unter unserer Begleitung schon früh begonnen gegenzusteuern, um ihre Risikotragfähigkeit zu erhalten; fast alle haben zusätzliche Rückstellungen gebildet. Der durchschnittliche Rechnungszins liegt aber immer noch bei 3,28 Prozent, und die lassen sich in diesen Tagen nur schwer stemmen.

 

Möglicherweise können daher bald einzelne PK nicht mehr aus eigener Kraft ihre Leistungen in voller Höhe erbringen. Mit ihnen besprechen wir aktuell, wie es weitergehen kann. Im Interesse der Pensionsberechtigten bestärken wir sie darin, ihre Träger, also die Arbeitgeber, zu ermuntern, Mittel zur Verfügung zu stellen. Bei Pensionskassen, die AG sind, könnten die Aktionäre nachlegen.

 

Aber was passiert, wenn Arbeitgeber oder Aktionäre dieser Bitte nicht nachkommen? Verpflichtet sind sie dazu in aller Regel nicht. PK in Form eines Vereins haben in ihrer Satzung meist eine Sanierungsklausel. Danach werden Leistungen gekürzt, wenn Fehlbeträge nicht durch vorhandene Eigenmittel ausgeglichen werden können.

 

Meist ist dann aber über die Subsidiärhaftung nach dem Betriebsrentengesetz der Arbeitgeber in der Pflicht. Er muss dafür einstehen, dass seine Mitarbeiter die volle Leistung erhalten. Das kann er natürlich nur, wenn es ihn noch gibt und er auch leisten kann. Der PSV spränge in dieser Konstellation nicht in die Bresche.

 

Ist die PK eine AG, haftet ebenfalls in aller Regel der Arbeitgeber. Die meisten AG gehören zudem Protektor an und sind darin mit den Lebensversicherern vergleichbar.

 

Das Niedrigzinsniveau setzt auch die Pensionsfonds unter Druck, doch sie haben größtenteils selbst keine Garantien abgegeben. Im Fall der Fälle müsste der Arbeitgeber nachschießen. Sollte der nicht in der Lage sein, wäre der PSV in der Pflicht.

 

Weder die Kunden der Lebensversicherung noch die Pensionsberechtigten der Pensionskassen und –fonds stehen also ohne Schutzmechanismen da. Was die PK angeht, werden diese Mechanismen möglicherweise bald einem Praxistest unterzogen. Wir sind uns im Klaren, welche Verantwortung wir dabei tragen.“

 

Anschließend sah sich die Anstalt allerdings veranlasst, etwas zurückrudern. So erklärte sie seinerzeit im Nachgang und auf Nachfrage von LEITERbAVdass es Grund wichtig gewesen sei,

 

darauf hinzuweisen, dass das anhaltende Niedrigzinsumfeld und die sich daraus ergebenden Herausforderungen nicht ausschließlich die Lebensversicherung betreffen, sondern in vergleichbarer Weise auch die PK. Er hat in diesem Zusammenhang die bestehenden Sicherungsmechanismen erläutert, jedoch zugleich deutlich gemacht, dass aktuell keine akute Gefährdungslage besteht. Dies zeigen auch die Ergebnisse des BaFin-Stresstests 2015 für Pensionskassen.“

 

2017 ist ein ähnlicher Alarmschlagen Grunds wie 2016 übrigens komplett ausgeblieben. Nun ist es wieder da.

 

 

Fazit: drei Dinge

 

Fazit von LEITERbAV – drei Dinge verdienen Betonung:

 

  • erstens sei in Erinnerung gerufen, dass die Pathogenese dieser Entwicklung – nämlich die spätestens seit 2007 erfolgte marktferne Manipulation der Bankenkrise, der Staatsschuldenkrise, der Währung und schließlich des Zinses – maßgeblich von einem Akteur getrieben wurde und weiterhin getrieben wird: der Politik.

  • zweitens kommt dieser BaFin-Alarm zur Unzeit – nämlich just in einer Phase, in der es gilt, die Zurückhaltung der Sozialpartner zu überwinden, die diese bei Umsetzung der vom Parkett fachlich und plattformseitig zunehmend vorbereiteten Infrastrukturen des Sozialpartnermodells an den Tag legen, und in der Teile der Politik mit der Deutschland-Rente neue Störmanöver schießen.

  • drittens muss man angesichts der negativen Konnotation in Zusammenhang mit der erwähnten kleinen Anfrage der Grünen betonten, dass die 27 dort genannten Fälle des Eingriffs in den Future Service möglicherweise genau diejenigen sind, in denen Kassen sich angesichts der von der Politik maßgeblich determinierten Lage um Nachhaltigkeit bemühen.

     

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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