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Studie zu Employer Branding:

Netflix, Spotify, Personal-Trainer und Ladeplatz…

statt Altersvorsorge? Oder zumindest zusätzlich? Die bAV zeigt sich in den großen und mittleren Unternehmen robust, bekommt aber zunehmend Konkurrenz, denn Arbeitnehmer sprechen stark auf kreative Zusatzleistungen an. Details einer neuen Studie lassen erahnen, dass Arbeitgeber künftig zur Mitarbeiterbindung andere Formen der Wertschätzung anwenden könnten. In der Sache ist Bewegung, berichtet Detlef Pohl. Und am Ende Sonder-Kassandra.

 

Kreative Benefits gewinnen für die Mitarbeiterbindung zunehmend an Bedeutung. Der aktuelle Benchmark „Benefits und Employer Branding“ der HR-Strategieberatung Lurse gibt eine aktualisierte Übersicht der gefragtesten Zusatzleistungen, auch solche nicht-monetärer Art. Als wichtiger Baustein der Vergütungskonzepte seien sie längst nicht mehr wegzudenken.

 

Elke Tausch, Lurse.

Unternehmen werden zunehmend kreativ, wenn es um Benefits für ihre Mitarbeiter geht“, hat Studienautorin Elke Tausch, Senior Consultant bei Lurse, beobachtet. Das reiche vom Ladeplatz fürs Elektroauto über ein Netflix- oder ein Spotify-Abo und Bezahlung eines Personal-Trainers bis zum Hunde-Sitter oder der Möglichkeit, im Auslands-Home-Office zu arbeiten.

 

In Zeiten des Fachkräftemangels sind diversifizierte Formen der Wertschätzung besonders gefragt. „Employer Branding gewinnt zusehends an Bedeutung“, bestätigt Studienautor Philipp Dienstbühl, ebenfalls Senior Consultant bei Lurse. Kein Wunder: „Im Benefit Portfolio spiegelt sich nicht zuletzt das äußere Image und die innere Kultur eines Unternehmens wider“, so Dienstbühl weiter.

 

Benefits auf breiter Front im Kommen

 

Für die Benchmark-Studie befragte Lurse 50 mittlere und Großunternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen. Zwei Drittel von ihnen sind im DAX oder MDAX gelistet bzw. Firmen vergleichbarer Größe, davon etwa 60 Prozent tarifgebunden, zumeist über den Tarifvertrag der Metallindustrie.

 

Satte 84% verfolgten eine dezidierte Employer-Branding-Strategie, Tendenz steigend. Zwar schätzen nur knapp 40% die Bedeutung von Benefits für diese Strategie aktuell als „wichtig“ oder „sehr wichtig“ ein. Aber: Dieser Wert verdoppelt sich auf rund 80%, wenn nach der künftigen Rolle von Benefits gefragt wird.

 

Fast alle im Rahmen der Studie befragten Unternehmen (96%) bieten ihren Mitarbeitern flexible Arbeitszeitmodelle an. Dabei gehören Teilzeitarbeit sowie gelegentliches Home-Office zum Standard. In 23% der Firmen können Angestellte dauerhaft von zu Hause arbeiten, und knapp ein Drittel ermöglicht es, zusätzliche Urlaubstage zu kaufen. Etwa jedes fünfte Unternehmen bietet Jobsharing an.

 

Bemerkenswert: Fast die Hälfte der Unternehmen hat die Benefits nicht bewertet – siehe Grafik. Das mag auch daran liegen, dass sich nicht-materielle Zusatzleistungen eben nicht so leicht wie die bAV oder ein Dienstwagen bewerten lassen und es an einer definierten Kalkulationsgröße fehlt. Allerdings: Eine Benefit nicht bewerten zu müssen, also keine Bilanzberührung zu haben, sollte manch ein Arbeitgeber auch als wichtigen Komplexitäts-Vorteil empfinden.

Quelle: Lurse. Grafik zur Volldarstellung anklicken.

 

Fast alle Firmen (98%) planen derzeit, ihre Benefit-Portfolios zu überarbeiten oder auszubauen, davon 30% in allen Bereichen. „Die meisten wollen damit auf veränderte Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter reagieren“, sagt Tausch. Darüber hinaus wollten sie auch ihr Image als Arbeitgeber schärfen und Aspekte ihrer Unternehmenskultur hervorheben. „Die Kosten spielen in diesem Kontext eine eher untergeordnete Rolle“, so Tausch weiter.

 

bAV noch stark ausgeprägt

 

All das heißt aber nicht, dass die Unternehmen bislang Basics bei den Benefits vernachlässigen wollten. So wird 100% der Angestellten eine Betriebsrente angeboten (aber nur 88% aller Mitglieder der Geschäftsführung – der Rest machte keine Angaben – siehe Grafik).

 

Konkret zur bAV weist die Studie aus, dass über 50% der Unternehmen eine Kombination von zwei Finanzierungsquellen bevorzugen, etwa AG-/AN-Finanzierung oder typische Matching-Pläne. Eine finanzielle Beteiligung des AG an der bAV bieten 70% der befragten Akteure für Angestellte und 76% für die Geschäftsführung. „In Großunternehmen finden sich häufiger Matching-Pläne, in kleineren Firmen sind AN-finanzierte Modelle stärker vertreten“, so Tausch.

Quelle: Lurse. Grafik zur Volldarstellung anklicken.

 

Eine wichtige Zusatzleistung ist auch die Gehaltsfortzahlung bei Krankheit über die gesetzliche Sechs-Wochen-Frist hinaus. Hier differenziert knapp ein Drittel der Unternehmen grundsätzlich zwischen den Mitarbeitergruppen – nach Dauer der Gehaltsfortzahlung (30%), zudem nach Dauer nach der Betriebszugehörigkeit (20%).

 

Zahlreich sind auch Rabatte für alle Mitarbeiter der Firma. Als erwähnenswerte Angebote einzelner Unternehmen erachtet Lurse den Check-up für Fahrräder auf dem Werksgelände sowie Konzerttickets. Nennenswert sind auch Tankgutscheine (22%), Firmenrabatte auf den Kauf von Privatwagen (24%), auf private Versicherungen (36%) und Firmenprodukte (38%). Einige Unternehmen (12%) bieten sogar ein Corporate Benefits-Portal als Anbieter für Rabatte auf unternehmensfremde Produkte (Rabatte dazu bieten auf diesem oder anderem Weg sogar 68% der Firmen). Bei Großunternehmen sind die Rabatte jeweils meist noch etwas größer. Interessant: 8% offerieren Mitarbeitern gegen Entgeltumwandlung auch die Anschaffung privater Geräte, darunter Laptops und Smartphones.

 

Vielfältige indirekte und direkte finanzielle Zusatzleistungen

 

Vergünstigungen betreffen auch die Verpflegung. 84% geben einen Zuschuss für vergünstigtes Essen in der Kantine oder Restaurantschecks, 82% bieten kostenlos Getränke im Büro, 42% Obst.

 

Rund 80% der Unternehmen wollen die Vergünstigungen überarbeiten; mitunter sogar ausbauen sagen 22% der Befragten. Die wichtigsten drei Gründe: veränderter Bedarf der Mitarbeiter, das Image des Unternehmens sowie unternehmerischer Drang nach Harmonisierung und Vereinfachung.

 

Fast alle Unternehmen (96%) bieten finanzielle Zusatzleistungen an, darunter jeweils 69% Weihnachtsgeld und vermögenswirksame Leistungen (Mehrfachnennungen möglich). Auch Urlaubsgeld (63%) und freiwillige Zahlungen, gemessen am Unternehmenserfolg (63%), sind populär:

Quelle: Lurse. Grafik zur Volldarstellung anklicken.

 

Im Fokus der Benefits-Verantwortlichen stehen der Studie zufolge Änderungen vor allem bei den Mobilitätsleistungen, sagen 80% der Befragten. Es folgten Maßnahmen zur Gesundheitsförderung (78%) und zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf (66%) sowie flexible Arbeitszeitmodelle (64%).

 

Top-Themen sind Mobilität, Gesundheit und Familie

 

Mit neuen Angeboten zur Mobilität tragen die Unternehmen aktuellen Entwicklungen Rechnung. Stichwort: Klimawandel und Reduzierung der CO2-Emissionen. Bemerkenswert: Schon heute stellen mehr als 50% der befragten Firmen Ladestationen für Elektrofahrzeuge zur Verfügung. Ein weiterer Trend: die Firmenwagenberechtigung in ein flexibleres Mobilitätsbudget umzuwandeln. So sei ein deutlicher Anstieg bei der Bezuschussung öffentlicher Verkehrsmittel erkennbar. Etwa zwei Drittel der Unternehmen zahlen Zuschüsse zu öffentlichen Verkehrsmitteln. In 75% der Fälle werden dazu Job-Tickets angeboten, in 25% der Firmen auch Barzuschüsse – zum Teil nach Mitarbeitergruppen (zumeist AT- sowie Tarif-Angestellte). Private Bahncards werden in knapp ein Fünftel der Firmen gewährt, vorwiegend für Führungskräfte. Immerhin etwa ein Viertel der befragten Unternehmen stellt auch Firmenfahrräder bereit.

 

Gesundheitsförderung steht in allen Firmen im Blickpunkt. Am häufigsten genannt: Ergonomie am Arbeitsplatz (74%), Betriebssport (64%) und die psychische Gefährdungsanalyse (58%). 42% der Firmen planen die Einführung neuer Gesundheits-Benefits, etwa Fitnesskooperationen oder Eröffnung eines Gesundheitszentrums. Die Zahl unterschiedlicher Leistungen sei aber kaum noch überschaubar. Folgerichtig gaben einige Unternehmen an, die Zahl der bestehenden Angebote reduzieren und dafür mehr auf Qualität achten zu wollen.

 

Viele Unternehmen ergänzen herkömmliche Familien-Leistungen wie Familienservice oder Kinderbetreuung. So werden von 65% der Firmen Servicestellen für Familien angeboten. Teilzeit und gelegentliches Home-Office ist bei nahezu allen Unternehmen üblich. Sie bieten ihren Mitarbeitern beispielsweise an, Essen aus der Kantine für die Familie mit nach Hause zu nehmen. Oder sie kümmern sich um die Trauerbegleitung beim Tod eines Familienmitglieds.

 

An Stellenwert gewinnen auch nicht-materielle Benefits. „Besonders kreativ werden die Unternehmen, wenn es um Ideen geht, die auf ein besseres Arbeitsklima und Teambuilding (71%) abzielen“, hat Tausch beobachtet. Viele setzen etwa auf gemeinnützige Aktionen oder auf Benefits, die von der Performance des gesamten Teams abhängen. Genannt werden so genannte „Brown Bag Lunches“, also Vorträge von Mitarbeitern für Mitarbeiter während der Mittagspause. Viele dieser Ideen seien im Kern nicht neu, würden aber laut Studie derzeit diversifiziert und ausgebaut. Zum klassischen Firmenlauf käme beispielsweise die Teilnahme an einem Drachenboot-Rennen; ergänzend zum Ruheraum würde eine Kegelbahn eingerichtet, eine Mitarbeiter-Lounge oder ein Aufenthaltsraum mit Spielekonsole.

 

Gemeinsames soziales Engagement als Benefit

 

Philipp Dienstbühl, Lurse.

Nachgefragt würden auch Angebote für gemeinschaftlich soziales Engagement. Zunehmend stellten die befragten Firmen auch Mitarbeiter einen Tag lang für gemeinnützige Tätigkeiten frei, etwa in Kindergärten oder Seniorenheimen. Dazu kämen Motto-Tage zu Themen wie Frauenförderung oder Diversität.

 

Solche Aktionen stärken offenbar die Identifikation der Mitarbeiter mit der eigenen Tätigkeit und dem Arbeitgeber. In den meisten Bereichen ist entweder ein Ausbau oder eine Überarbeitung der Ausgestaltung aktueller Benefits geplant. „Der Trend, Benefits als wesentlichen Bestandteil der Gesamtvergütung und als Instrument sowohl zum Transport der Firmenkultur nach innen als auch zur Profilierung der eigenen Arbeitgebermarke nach außen zu nutzen, setzt sich fort“, sagt Dienstbühl.

Quelle: Lurse. Grafik zur Volldarstellung anklicken.

 

Fazit von LEITERbAV: Mehr unkomplizierte Zusatzleistungen

 

Angesichts der wachsenden Komplexität und des weiter steigenden Aufwandes für die bAV darf man die Studienergebnisse indirekt auch als Konkurrenzausweis für die bAV sehen. Die meisten finanziellen Benefits sind deutlich einfacher umzusetzen, als ein betriebliches Versorgungswerk zu unterhalten. Und eine schnelle Gehaltserhöhung oder sofort verfügbare Dienstwohnung dürften bei so manchem mehr ziehen als eine Betriebsrente in 30 oder mehr Jahren, deren Höhe und Nachhaltigkeit angesichts der verbreiteten Beitragszusage, der kritischen Geldpolitik und der schwierigen Kapitalmärkte ohnehin ungewiss ist.

 

Hinzu kommt: Gesetzlich angeschobene bAV-Neuerungen wie das Sozialpartnermodell werden – auch hier steht Komplexität im Weg – bisher nicht angenommen. Der Aufbau neuer Versorgungswerke – derzeit bspw. im Verkehrsbereich angedacht – hakt und verzögert sich ebenfalls. Eine zuweilen recht arbeitnehmerfreundliche Rechtsprechung des Erfurter Dritten Senats vermiest Arbeitgebern neben den politisch verordneten Niedrigzinsen weiter die Freude an der bAV. Warum sollen da künftig nicht einfache Benefits für dauerhafte Mitarbeiterbindung sorgen?

 

Die Lurse-Studie erscheint nur alle drei Jahre. Auszüge gibt es hier.

 

Bei Interesse an detaillierteren Ergebnissen können sich Leser von LEITERbAV an Elke Tausch (elke.tausch@lurse.de) wenden.

 

UPDATE am 6. Mai 2020: Zwischenzeitlich gibt es von Wills Towers Watson eine Studie mit ähnlichem Erkenntnisinteresse, aber globalem Fokus:

 

WILLIS TOWERS WATSON (6.5.20): Finanzielle Sorgen von Mitarbeitern schaden Unternehmen…

 

 


 

Kassandra bei der Arbeit.

SONDER-KASSANDRA

 

In diesen Tagen fallweise bei aktuellem Anlass am Ende der Artikel kurze Kassandrische Zwischenrufe. Heute: keine ruhige Hand! When will you ever learn?!

 

Erst die Fed vergangene Woche, dann die EZB, nun heute mitten in der Nacht (MEZ) wieder die Fed mit der ganz großen Bazooka. When will you ever learn?! Erneut: Ihr verplempert das letzte bisschen an trockenem Pulver, das Ihr überhaupt noch habt. Dow schon gestern Nacht vorbörslich tief im Minus, Gold zieht an. Sicher nicht ganz die Reaktion, die Ihr Euch erhofft habt, oder?!

 

Für viel Geld habt Ihr nun den Märkten eines verschafft: einen Erkenntnisgewinn. Jetzt wissen die Märkte: Ihr habt kein Rezept, keinen Plan, keine Strategie und keine ruhige Hand – sondern nur Panik. Jetzt wissen die Märkte: Der, auf den man ganz am Ende gesetzt hat, der weiß auch nicht weiter.

 

Weiter gilt wie am Freitag geunkt: Ihr könntet für einen minimalen Bruchteil des nun eingesetzten, schönen Zentralbankgeldes Aktien kaufen und damit einen echten Effekt erzielen. Denn dann würden die Märkte erkennen, dass es nicht lohnt, in Panik und Verkaufsrausch zu verfallen. Weil am Ende einer steht, der sukzessive kauft. Zwar in kleinen Schritten, aber sukzessive. Und unbeirrt. Dem das fallende Messer egal ist. Der tiefe Taschen hat. Der jede Lage, in der sich die Investoren voreilig glatt stellen oder short gehen, gnadenlos ausnutzt. Der sich selber nie glattstellt. Der immer weiter akkumuliert, immer weiter und immer weiter. Und dass man selber als Verkäufer am Ende ohne Aktien dastehen wird.

 

Das würde wirken. Mit wenig Geld. When will you ever learn?

 

Baz

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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