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Neulich in Münster – Schuldbeitritt zu Pensionsverpflichtungen und der § 4f EStG:

Mütter, Töchter, vGA

Innerhalb eines Konzerns kam es Umstrukturierungen bei den Pensionsverpflichtungen – in einer Phase, als der Zins schnell und massiv nachgab. Wie mit dem zusätzlichen Aufwand umzugehen sei, sahen Unternehmen und Betriebsprüfer unterschiedlich. Der Fall ging vor Gericht – und ist noch nicht abschließend geklärt, erläutert Claudia Veh.

Claudia Veh, KPMG.

Das Thema Schuldbeitritt/Schuldübernahme war bereits 2017 als Reaktion auf hierzu ergangene BFH-Rechtsprechung von der Finanzverwaltung in einem BMF-Schreiben neu geregelt worden (BMF-Schreiben vom 30. November 2017 – IV C 6 – S 2133/14/10001). Die „neue“ Handhabung impliziert u.a., dass übertragungsbedingte Aufwände des ursprünglich Pensionsverpflichteten, die über die aufgrund des Schuldbeitritts aufgelösten Rückstellungen hinausgehen, über 15 Jahre gleichmäßig als Betriebsausgaben zu verteilen sind (§ 4f Abs. 1 Satz 2 EStG). Die neue Handhabung gilt für Wirtschaftsjahre, die nach dem 28. November 2013 enden.

Im Herbst letzten Jahres hatte sich das FG Münster nun in zwei Verfahren mit einem Fall zu beschäftigen, bei dem es um einen Schuldbeitritt zu Pensionsverpflichtungen ging:

Der Sachverhalt: Schuldbeitritt zu Pensionen zwischen sich nahe stehenden Unternehmen

In einem Unternehmensverbund mit mehreren Unternehmen hatte eine Gesellschaft 2012 gegenüber vier anderen Unternehmen aus der Gruppe einen Schuldbeitritt zu deren Pensionsverpflichtungen erklärt.

Für den Schuldbeitritt entrichteten die Gesellschaften jeweils ein Entgelt an den Schuldbeitretenden, das aus drei Komponenten, basierend auf versicherungsmathematischen Barwerten und einem Risikozuschlag, bestand.

Weiter war geregelt, dass das Basisentgelt zwar grundsätzlich fest vereinbart ist, es jedoch rückwirkend angepasst werden kann, wenn sich Fehler bei der Ermittlung der Barwerte oder Zahlungsverpflichtungen ergeben und ein Partner eine Anpassung verlangt. Das sollte insb. dann der Fall sein, wenn sich das unterstellte Zinsniveau (durchschnittlicher Marktzinssatz der vergangenen sieben Jahre bei einer angenommenen Restlaufzeit von 15 Jahren gemäß § 253 Abs. 2 S. 2 HGB) im Rahmen eines 10-Jahres-Betrachtungszeitraums ab Vertragsunterzeichnung um mehr als 1%-Punkt verändert. Zum Stichtag 31. Dezember 2012 betrug der maßgebliche Zins 5,04%.

Aufgrund der nun nicht mehr vorliegenden Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme aus den Pensionsverpflichtungen lösten die vier Gesellschaften ihre Pensionsrückstellungen auf.

Nachträgliche Anpassung des Entgelts für den Schuldbeitritt auf Basis einer Prognose

Aufgrund der Zinsentwicklung (4,88% zum 31. Dezember 2013; prognostiziert 3,09% zum Stichtag 31. Dezember 2019) berechnete der Aktuar auf Basis eines Rechnungszinses von 3,09% einen zusätzlichen Aufwand von 1,7 Mio. Euro aus dem Schuldbeitritt. In Folge wurden die Entgelte für den Schuldbeitritt per Nachtrag im Oktober 2013 rückwirkend angepasst; die Beträge sollten bis zum 31. Dezember 2013 zu entrichten sein.

Betriebliche Veranlassung?

Bei einer Betriebsprüfung 2015 für das Jahr 2013 erkannte der Prüfer die zusätzlichen Basisentgelte für den Schuldbeitritt bei den Unternehmen nicht als Betriebsausgaben an, da der Zinssatz zum 31. Dezember 2014 sich nur auf 4,53% gegenüber dem Zinssatz zum 31. Dezember 2012 in Höhe von 5,04%, d.h. um weniger als 1%-Punkt vermindert hatte, also bestand seines Erachtens gem. vertraglicher Regelung keine Veranlassung zur Anpassung des Basisentgelts. Erst ab dem Jahr 2015 kämen aufgrund der tatsächlichen Zinssatzentwicklung (Differenz von 1,15%-Punkten gegenüber 2012) betriebsausgabenwirksame Erhöhungsbeträge in Betracht. Diese seien über 15 Jahre zu verteilen (§ 4f EStG).

Vor Gericht

Die Muttergesellschaft erhob Einspruch und klagte schließlich vor dem FG Münster, dass die zusätzlichen Basisentgelte bei den Organgesellschaften im Jahr 2013 Betriebsausgaben darstellen: Es sei nicht erforderlich, dass der Zins sich tatsächlich um 1%-Punkt reduziert, es genüge, wenn es entsprechende Prognosen gibt. Zudem sei nicht allein auf die Zinsänderung abzustellen, was die Formulierung „insbesondere“ zeige. Der Betriebsausgabenabzug sei auch nicht über 15 Jahre zu strecken, da die Regelung des § 4f EStG im Jahr 2012 noch nicht anwendbar war (§ 52 Abs. 8 EStG).

Die Finanzverwaltung hingegen war der Meinung, für die Anwendung des § 4f EStG komme es nicht auf das Datum des Vertragsabschlusses an, sondern auf das Jahr, in dem die Aufwendungen entstanden sind. Zudem sei die Klausel im Vertrag nicht hinreichend klar formuliert, so war nicht klar geregelt, wann genau ein „Fehler“ vorliegen sollte. Deswegen wären die zusätzlich entrichteten Basisentgelte eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA).

Entscheidung: keine vGA und keine Anwendung des §4f EStG

Das FG war jedoch anderer Meinung (Urteil vom 26. Oktober 2022 – IV R 27/22): Die zusätzlichen Basisentgelte stellen Betriebsausgaben dar; die betriebliche Veranlassung sei klar gegeben. Demzufolge liege keine vGA vor.

Es handele sich bei den Gesellschaften zwar um Schwestergesellschaften, mithin um sich nahe stehende Einheiten. Doch die schuldbeitretende Gesellschaft hatte einen vertraglichen Anspruch auf nachträgliche Korrektur des Basisentgelts. Entgegen der Meinung der Betriebsprüfung konnte durchaus auf eine objektive Prognose des Zinssatzes abgestellt werden. Das erfordere auch das umsichtige Handeln eines gewissenhaften Geschäftsleiters.

Zudem hatte der Zins zum 31. Dezember 2019 nicht – wie prognostiziert – 3,09%, sondern nur 1,97% betragen, d.h. die referenzierte Prognose war sogar eher vorsichtig gewesen.

Entscheidend war aber auch, dass die nachträgliche Änderung des Basisentgelts auch zulasten des Schuldbeitretenden hätte ausfallen können. Es lag also eine ausgewogene Verteilung von Risiken und Chancen vor.

Auf dem Markt in Münster sind sich die Parteien jedenfalls nicht einig geworden.

Eine Verteilung nach § 4f EStG kommt nach Sicht des Gerichts nicht in Betracht, denn die Vorschrift ist gemäß § 52 Abs. 12c EStG in der Fassung des AIFM-StAnpG vom 18. Dezember 2013 (jetzt: § 52 Abs. 8 Satz 1 EStG) erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 28. November 2013 enden. Nach Auffassung des Senats spricht der Wortlaut dieser Reglung dafür, dass die jeweilige Verpflichtungsübertragung (hier der Schuldbeitritt) in dem nach dem 28. November 2013 endenden Wirtschaftsjahr stattgefunden haben muss. Das ist vorliegend nicht der Fall. Die Schuldbeitritte sind durch die Verträge aus Oktober 2012 erklärt worden. Die Verträge aus Oktober 2013 enthielten lediglich nachträgliche Entgelterhöhungen und keine eigenen Schuldbeitritte.

Die Revision wurde zugelassen, wovon die Finanzverwaltung Gebrauch gemacht hat (I R 48/22)

Paralleler Fall

Zeitgleich wurde vor dem 11. Senat des FG Münster (Urteil vom 19. September 2022 – 11 K 2928/19 F) der bezogen auf die Konzernmutter analoge Sachverhalt verhandelt. Ebenfalls war 2012 ein Schuldbeitritt zu den bei der Konzernmutter bestehenden Pensionsverpflichtungen erklärt und in 2013 das Basisentgelt rückwirkend angepasst worden; und ebenfalls hatte die Konzernmutter das zusätzliche zu entrichtende Entgelt in Höhe von rund 300.000 Euro sofort als Betriebsausgaben abgezogen und nicht über 15 Jahre verteilt. Das Gericht hatte auch hier der Konzernmutter Recht gegeben. Und auch in diesem Fall wurde Revision eingelegt (IV R 27/22).

Es bleibt also abzuwarten, wie der BFH die Anwendung des § 4f EStG zeitlich abgrenzt.

Die Autorin ist Aktuarin und 
Director 
Deal Advisory Pensions
 in der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
.

Von ihr und anderen Autorinnen und Autoren der KPMG sind zwischenzeitlich bereits auf LEITERbAV erschienen:

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Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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