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EbAV-II-RL in Bundestag und Bundesrat (III):

Mit unterschiedlichem Blick auf die Dinge

Die EbAV-II-Richtlinie dreht weiter ihre parlamentarischen Runden. Bis 19. Januar muss die gesetzgeberische Umsetzung stehen. Nun wurden die Verbände im Finanzausschuss des Bundestages gehört – und nicht nur die. Für LEITERbAVwar Detlef Pohl dabei und dokumentiert einige der Statements.

 

Abgeordnete im Finanzausschuss in der gestrigen Anhoerung. Foto: Pohl.

Berlin-Mitte, gestern vormittag: Öffentliche Anhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages zur EbAV-II-Richtlinie 2016/2341. Geladen in das Paul-Löbe-Haus hatte Bettina Stark-Watzinger (FDP), die Vorsitzende des Ausschusses. Als Sachverständige dabei die prägnantesten Stakeholder: aba, BaFin, BDA, DGB, GDV, VFPK sowie der Bund der Versicherten (BdV). Ebenfalls geladen die Menschenrechtsorganisation Fian (FoodFirst Informations-& Aktions-Netzwerk), die vor allem auf ESG-Fragen einging.

 

Die gestrige Anhörung folgte auf die neuliche Stellungnahme des Bundesrates, die auf den Empfehlungen seiner Ausschüsse basierte.

 

Der federführende Finanzausschuss des Deutschen Bundestags hatte erstmals am 17. Oktober über den Gesetzentwurf (Drucksachennummer 19/4673 ) zur Umsetzung der EbAV-II-RL beraten.

 

Gestern nun also erneut der BT-Finanzausschuss am Zuge. „Die Richtlinie gibt wichtige Impulse für die Bewältigung von Herausforderungen wie zum Beispiel dem Niedrigzinsumfeld oder dem demographischen Wandel“, hatte die Bundesregierung vorgegeben. Mit dem Gesetz soll unter anderem ein besserer Schutz von Versorgungsanwärtern und Versorgungsempfängern durchgesetzt werden. Unter anderem sollen diese besser informiert werden. Außerdem wird der Ausbau des Risikomanagements der Pensionskassen und Pensionsfonds geregelt. Einrichtungen der bAV müssen sich in Zukunft auch intensiver mit den Risiken auseinandersetzen, denen sie ausgesetzt sind oder sein können und mit der Frage, wie mit diesen Risiken umzugehen ist.

 

 

aba: deutliche Worte

 

Georg Thurnes, Aon.

Deutlich auf der Finanzausschuss-Anhörung wurde aba-Vorstand Georg Thurnes, im Zivilleben Chefaktuar von AonDer vorliegende Gesetzentwurf öffnet EIOPA die Hintertür für die Einführung Solvency-II-analoger Methoden in Risikomanagement, Berichtsanforderungen und Aufsichtspraxis. Genau das wollte der EU-Gesetzgeber nicht. Dem sollte der deutsche Gesetzgeber dann auch Rechnung tragen“, so Thurnes. Die Regelungen in den Paragrafen 329 VAG, 43a VAG und 294 VAG sollten daher im Hinblick auf EbAV im Sinne einer EU-Mindestharmonisierung gefasst werden, fordert die aba. Andernfalls werde die im Gesetzentwurf vorgesehene „1:1-Umsetzung“ faktisch zu einer EU-Vollharmonisierung durch EIOPA führen, was der Grundidee der EbAV II-RL eindeutig widerspreche. „Dies muss verhindert werden“, so Thurnes weiter.

 

Die Regelung zur Zusammenarbeit mit EIOPA in Paragraf 329 VAG sieht nicht einmal vor, dass national durch die zuständigen Ministerien BMF oder BMAS oder gar parlamentarisch überprüft werden kann, welche EIOPA-Standards und wie diese – auch im Hinblick auf das deutsche Arbeits- und Sozialrecht – für die Regulierung deutscher EbAV angemessen genutzt werden. „Will man die bAV, wie durch das BRSG angestrebt, wirklich stärken, dann müssen Überregulierung und unpassende Regulierung für Pensionskassen und Pensionsfonds vermieden werden“, erklärt Thurnes. Die langjährige aba-Forderung, ein eigenständiges Aufsichtsrecht für EbAV in Deutschland zu schaffen, werde nicht aufgegriffen. Nun sollte wenigstens eine für die EbAV angemessene Zielsetzung der Beaufsichtigung formuliert und die aufsichtsrechtlichen Regelungen angemessen gefasst werden.

 

Blick vom Kanzleramt zum Paul-Loebe-Haus. Im Hintergrund der Fernsehturm. Foto: Deutscher Bundestag, Stephan Erfurt.

 

Sinnvoll sei es, die bAV-typische Dreiecksbeziehung zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und EbAV, die Rolle tarifvertraglicher Regelungen und die Einbindung in nationales Arbeits- und Sozialrecht stärker zu berücksichtigen. Die Aufsichtsmethoden müssen für EbAV angemessen bleiben. Eine verpflichtende Umsetzung von Solvency-II-analogen Methoden in Risikomanagement und Aufsichtspraxis müsse vermieden werden. Dies betreffe insbesondere die Regelungen über eigene Risikobeurteilung, Stresstests und Berichtspflichten. Ein effizientes EbAV-Management mit den Trägerunternehmen müsse weiterhin möglich bleiben, schloss Thurnes.

 

 

BDA und DGB im Schulterschluss

 

Ähnlich kritisch äußerten sich BDA und DGB in ungewöhnlich einheitlicher Diktion. Der Gesetzentwurf berücksichtige die Anforderungen des deutschen Betriebsrentenrechts bei der Aufsicht „nicht angemessen“. Angemahnt wird Anpassungsbedarf vor allem in drei Punkten:

 

1. Die bislang fehlende Abgrenzung von EbAV zu Lebensversicherern sei entsprechend der RL ins Gesetz aufzunehmen und die Rolle tariflicher Regelungen und der soziale Charakter der EbAV ebenfalls zu fixieren.

 

2. Die Rolle der Sozialpartner bei Governance-Vorschriften müsse sichergestellt und mindestens Paragraf 294 VAG entsprechend angepasst werden.

 

3. Die EIOPA-Bestrebungen zur Vollharmonisierung bei der bAV-Aufsicht seien „zu begrenzen“. „Der nationale Gesetzgeber droht sonst zunehmend die Hoheit über das Aufsichtsrecht der bAV zu verlieren“, heißt es in der Stellungnahme. Paragraf 329 VAG soll so ergänzt werden, dass die Zusammenarbeit von BaFin und EIOPA mit dem Ziel einer Mindestharmonisierung unter Berücksichtigung der nationalen Standards im Arbeits- und Sozialrecht zu erfolgen hat.

 

Florian Swyter, BDA.

Änderungsbedarf bestehe laut BDA-Experte Florian Swyter auch bei den viel zu scharfen Vorgaben zu Informationspflichten, Vergütungsregelungen und Bestandsübertragungen, die ohne Not über die Vorgaben der RL hinausgehen. Auch beim Risikocontrolling der EbAV verlangt die BDA Korrekturen. „Auf ein zwingend ‚unabhängiges Risikocontrolling‘, wie nach Paragraf 234c Absatz 4 VAG-E durch Bezugnahme auf Paragraf 26 Absatz 8 S. 1 VAG gefordert, sollte verzichtet werden.“ Vielmehr müsse es ausreichen, wenn ein wirksames Risikocontrolling mit festgelegten Berichtswegen und -dokumentationen sowie dem vier-Augen-Prinzip zu implementieren ist.

 

Erst Ende Oktober hatten BDA und DGB in einem gemeinsamen Schreiben an die zuständigen Berichterstatter, das sich hier findet, Seit an Seit ihre Bedenken an der geplanten Umsetzung der Richtlinie geäußert.

 

Der GdV forderte in der Anhörung längere Übergangsfristen für die kommenden Informationspflichten der Unternehmen. Mindestens 18 Monate Zeit sollte für die technische Umsetzung eingeräumt werden. Außerdem sei es für Direktversicherungen wichtig, keine doppelten oder widersprüchlichen Informationspflichten einzuführen.

 

 

BaFin betont ihre Rolle in der EIOPA

 

Einigkeit unter den Verbänden bestand in der Anhörung darin, dass der Gesetzentwurf noch in einigen Punkten nachgebessert werden muss. Das kam auch in den Stellungnahmen zum Ausdruck: „Entwurf bleibt auf halber Strecke stehen“ (BdV), „vertane Chance für ein eigenständiges EbAV-Aufsichtsrecht“ (BDA) oder „Anpassungen an praktische Erfordernisse dringend geboten“ (VFPK). Allerdings gingen die Änderungswünsche zum Teil deutlich auseinander. Obwohl die Anhörung sich formal nur auf Fragen bezog, die die Abgeordneten den Verbänden stellten, und die Antworten zum Teil sehr diplomatisch ausfielen, gab es zwischen den Zeilen durchaus Kontroverses zu erkennen.

 

Die gab es auch im Verhältnis zur Aufsicht. Denn während aba, BDA und VFPK unmissverständlich auf nationale Aufsicht der EbAV durch die für Arbeit und Steuerrecht zuständigen Ministerien und durch das Parlament pochten, sah BaFin-Exekutivdirektor Frank Grund dazu keinen Grund. Er pochte auf 1:1-Umsetzung der Richtlinie, besseres Risikomanagement und größere Informationspflichten. „EIOPA-Forderungen müssten stets mit dem deutschen Arbeitsrecht abgeprüft werden“, entgegnete Thurnes.

 

Frank Grund, BaFin. Foto: Frank Beer.

Die Sorgen von aba und VFPK teilte Grund nicht. Die Leitlinien der EIOPA seien nötig, und die BaFin stelle sicher, dass es nur eine Mindestharmonisierung gebe. Man sei als Behörde in den einschlägigen Arbeitsgruppen ebenso vertreten wie er, Grund, persönlich im Entscheidungsgremium. Es käme zu keinem Automatismus der Übernahme von EIOPA-Entscheidungen. Die hohe Zahl der Zustimmung zu EIOPA-Leitlinien (98,99 Prozent) ergebe sich auch deswegen, weil die BaFin im Vorfeld neuer Regelungen und Rechtsakte gegenüber EIOPA „zustimmungsfähig verhandelt“, was dann zu „soft law“ führe – unter Parlamentsvorbehalt. Daher sieht Grund „keinen Handlungsbedarf für eine einzuschränkende Zuständigkeit der BaFin in Sachen EbAV“.

 

Rechtsakte von EIOPA müssen parlamentarisch kontrolliert und am besten mit einer Haltelinie versehen werden“, widersprach Swyter. Im Übrigen sehe die RL harte Eigenkapitalregeln wie für die Lebensversicherer bewusst nicht vor.

 

Kontroversen gibt es auch in anderen Punkten. Die erweiterten Informationspflichten für Versorgungsberechtigte etwa müssten laut BdV „noch nachgearbeitet“ werden, weil es ein Durcheinander in den Kundeninformationen der zweiten und dritten Vorsorgeschichten gebe. „Es wäre richtig, die Transparenz in der bAV an die bei den privaten Verträgen anzupassen“, so BdV- Vorstandssprecher Axel Kleinlein. Die BDA hält hier, wie oben erwähnt, weniger (Bürokratie) für mehr.

 

Kritikwürdig sei außerdem, so der BdV (und auch aba, VFPK und BDA), dass die Details zu den verschärften Informationspflichten erst später in einer Verordnung geregelt werden. Laut Gesetzentwurf müssen künftig nach § 234 o VAG-E Pensionskassen ihre Versorgungsanwärter während der Anwartschaftsphase regelmäßig – mindestens alle zwölf Monate – mit einer Renteninformation über den Stand ihres Versorgungsverhältnisses unterrichten.

 

Ein weiterer Kritikpunkt des BdV richtet sich an die Transparenz der Unternehmen. Auch die Anbieter der bAV sollten Klartext reden und ähnlich wie die Lebensversicherer jährlich ihre Unternehmenslage unter dem Blickwinkel der Solvabilität offenlegen. „Die Solvabilitätsberichte der Lebensversicherer haben sich bewährt. Für die Einrichtungen der bAV sollten sie auch eingeführt werden“, fordert Kleinlein. Damit sei „ein schärferer Blick auf das Eigenkapital“ möglich.

 

 

Stellungnahmen im Netz und wie es nun weitergeht

 

Die im Vorfeld der Anhörung aktualisierten Stellungnahmen der Verbände zum Gesetzentwurf finden sich hier.

 

Der Gesetzentwurf dürfte in Kürze vom Finanzausschuss beraten werden und mit einer entsprechenden Empfehlung an das Plenum gehen. Der Bundestag will das Gesetz schon am 30. November beschließen. Es muss dann nur noch am 14. Dezember durch den Bundesrat und könnte am 1. Januar in Kraft treten. Damit läge man im Zeitplan, denn die EbAV-II-RL muss spätestens am 19. Januar 2019 in deutsches Recht umgesetzt sein. Sonst drohen Sanktionen.

 

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