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Zollkodex heute in der Anhörung:

Lohnsteuerfreie Dotierung von Pensionskassen vor Erweiterung

 

Vermutlich kann noch für dieses Jahr mit einer Änderung der für Pensionskassen im Hinblick auf die steuerliche Dotierung wichtigen Vorschrift des Paragrafen 19 Einkommensteuergesetz (EStG) gerechnet werden.

 

 

Der Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Zollkodexanpassungsgesetz) befindet sich derzeit im Gesetzgebungsverfahren. Am 7. November war der Entwurf erstmals im Bundesrat, am heutigen 24. November soll die Anhörung im BT-Finanzausschuss erfolgen.

 

 

Angemessene Kapitalausstattung – unvorhersehbare Verluste – Änderung der Verhältnisse

 

Geht es im Kern um andere Dinge, sollen gleichwohl mit diesem Gesetz auch lohnsteuerliche Änderungen vorgenommen werden. Unter anderem soll die in Paragraf 19 EStG geregelte lohnsteuerliche Behandlung von Finanzierungsleistungen zur Altersvorsorge von Arbeitnehmern eine Änderung erfahren. Damit wird zwar einerseits nun klar geregelt, dass künftig nur noch Zahlungen an eine EbAV zur erstmaligen Bereitstellung der Kapitalausstattung zur Erfüllung der Solvabilitätsvorschriften nach Paragraf 53c beziehungsweise 114 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) steuerfrei bleiben.

 

Andererseits – und dies ist das Wesentlichere – sind künftig zwei Arten von Zahlungen des Arbeitgebers an eine Pensionskasse vom Arbeitnehmer nicht als Lohn zu versteuern: Erstens Zahlungen zur Wiederherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung nach unvorhersehbaren Verlusten und zweitens Zahlungen zur Finanzierung der Verstärkung der Rechnungsgrundlagen auf Grund einer unvorhersehbaren und nicht nur vorübergehenden Änderung der Verhältnisse. Dabei dürfen die Sonderzahlungen aber nicht zu einer Absenkung des laufenden Beitrags führen oder die Sonderzahlungen durch die Absenkung des laufenden Beitrags ausgelöst werden.

 

Georg Thurnes, Chefaktuar der Aon Hewitt und Verantwortlicher Aktuar mehrerer Pensionskassen, kommentiert gegenüber LbAV:

 

Im Ergebnis werden damit nunmehr auch für Pensionskassen für bestimmte, klar abgegrenzte Sachverhalte Regelungen zur steuerfreien Dotierung geschaffen, die den für Pensionsfonds schon vorhandenen Sonderregelungen nachempfunden sind.“

 

Ähnlich der bestehenden Regelung für Zahlungen an Pensionsfonds in der Rentenbezugszeit aufgrund von Paragraf 112 Abs. 1a VAG sind mit der Neuregelung unter anderem planmäßig sachgerechte Finanzierungen gemeint, die sich ex post als nicht auskömmlich erweisen. Ursachen für Nachschusserfordernisse können in zum Finanzierungszeitpunkt nicht erwarteten Veränderungen der biometrischen Rechenannahmen und des Rechnungszinses liegen.

 

Dass die Rechnungsgrundlagen in der abgelaufenen Finanzierungszeit planmäßig als auskömmlich galten, wird unseres Erachtens im Fall von regulierten Pensionskassen durch die Genehmigung der Rechnungsgrundlagen sowie die laufende Beaufsichtigung durch die Aufsichtsbehörde sichergestellt“, so Thurnes weiter, „und für die Versicherten führen Nachschusszahlungen der Arbeitgeber zur Reservierung mit auskömmlichen Rechnungsgrundlagen nicht zu erhöhten Anwartschaften oder Ansprüchen, so dass solchen Zahlungen aus Sicht der Berechtigten kein Zuflusscharakter zukommt. Dies fügt sich in den übergeordneten Regelungsgedanken der aktuell geltenden Vorschrift neben Sanierungsgeldern, Umstellungen von Finanzierungsverfahren et cetera nahtlos ein.“

 

 

Gesetzesbegründung: Bedeckungsgrad von 115 Prozent

 

Als angemessene Kapitalausstattung soll insoweit nach den Ausführungen in der Gesetzesbegründung eine Bedeckung der Solvabilitätsspanne von 100 Prozent bis hin zu einem Bedeckungsgrad von 115 Prozent reichen, um den Unternehmen etwas Handlungsspielraum zu verschaffen, weitere Verluste abzufedern. Als unvorhersehbare Verluste gelten diejenigen, welche die Unternehmen nicht zu vertreten haben. Thurnes zufolge ist hierbei etwa an einen hohen Abschreibungsbedarf infolge eines Einbruchs an den Kapitalmärkten gedacht, wie er etwa in der Finanzkrise des Jahres 2008 zu beobachten war.

 

 

Animation, Risiken zu vermeiden?

 

In der Praxis gab es bislang kaum praktikable Wege, um eine Pensionskasse mit zusätzlichen Mitteln auszustatten, ohne dass dies bei den Versicherten zu grundsätzlich lohnsteuerpflichtigen Einkünften geführt hätte. Nur wenn durch Fehlbeträge die Verlustrücklage (teilweise) aufgebraucht wurde, gab es nach Paragraf 19 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG die Möglichkeit, zur Wiederherstellung der aufsichtsrechtlichen Solvabilitätsanforderungen lohnsteuerfreie Einzahlungen in die Verlustrücklage vorzunehmen. Diese Möglichkeit wurde nun weiter präzisiert, indem als zusätzliche Voraussetzung für die Lohnsteuerfreiheit der Einzahlung unvorhersehbare Verluste als Ursache für die zusätzliche Zuwendung der Arbeitgeber genannt werden. Hinsichtlich dieser Änderung, dass zwar die erstmalige Bereitstellung von Eigenmitteln durch die Arbeitgeber lohnsteuerfrei ist, die Wiederauffüllung der Eigenmittel nach Inanspruchnahme aber unter engere Voraussetzungen gestellt wird, gibt Thurnes zu bedenken:

 

Das Eigenkapital dient dazu, Risiken abzufangen, die eine Pensionskasse zum Beispiel in der Kapitalanlage eingehen muss. Realisieren sich aber diese Risiken, so wird künftig die Möglichkeit zur lohnsteuerfreien Wiederauffüllung der Eigenmittel erschwert. Damit werden Anreize gesetzt, Risiken, die beispielsweise bei Investments in Infrastrukturvorhaben volkswirtschaftlich durchaus gewünscht sind, noch stärker zu vermeiden.“

 

Trotz der nun vorgesehenen Verschärfung der Voraussetzungen für lohnsteuerfreie Zuwendungen galt in der Praxis auch bisher schon, dass Nachschüsse zur Wiederherstellung der notwendigen Solvabilität nur in Einzelfällen als lohnsteuerfrei anerkannt wurden und seitens der Finanzbehörden intensiv hinterfragt wurde, ob womöglich lohnsteuerpflichtige Beiträge durch Zuwendungen in die Verlustrücklage substituiert werden. Thurnes dazu: „Die Formulierung der 'unvorhersehbaren Verluste' soll scheinbar dieser Substitution lohnsteuerpflichtiger Beiträge entgegenwirken.“ Positiv zu werten sei die in der Gesetzesbegründung genannte Größenordnung von 115 Prozent, die eine etwas großzügigere Zuwendungsmöglichkeit über die Wiederherstellung der Mindestanforderungen an die Solvabilität hinaus bedeutete.

 

Hilfreich ist auch die nun vorgesehene Möglichkeit, nicht nur im Falle nicht erfüllter Solvabilitätsanforderungen, sondern auch zur Finanzierung von Verstärkungen der Rechnungsgrundlagen lohnsteuerfreie Einzahlungen an eine Pensionskasse zu leisten. Ein zusätzlicher Mittelbedarf wegen der Verstärkung der biometrischen Rechnungsgrundlagen, einer Absenkung des Rechnungszinses oder einer Erhöhung der Verwaltungskostensätze könnte somit über lohnsteuerfreie Zuwendungen abgedeckt werden. Dies war bislang nur dann möglich, wenn durch eine notwendige Verstärkung der Rechnungsgrundlagen ein Fehlbetrag und somit eine Verminderung der Eigenmittel aufgetreten ist, die anschließend durch die Wiederauffüllung auf die aufsichtsrechtliche Solvabilitätsanforderung womöglich lohnsteuerfrei behoben werden konnte. Auch hier will der Gesetzgeber über die Voraussetzung, dass die Verstärkung der Rechnungsgrundlagen auf Grund einer unvorhersehbaren und nicht nur vorübergehenden Änderung der Verhältnisse erfolgt, offenbar sicherstellen, dass der Ersatz ansonsten lohnsteuerpflichtiger Beiträge durch Zahlungen zur Verstärkung der Rechnungsgrundlagen ausgeschlossen ist. Der letztgenannte Fall könnte beispielsweise dann eintreten, wenn die Beitragshöhe systematisch und absehbar zu gering respektive mit nicht ausreichend vorsichtigen Rechnungsgrundlagen festgelegt ist, so dass im Zeitablauf Verstärkungen der Rechnungsgrundlagen und somit Nachreservierungen der Deckungsrückstellungen mit hoher Wahrscheinlichkeit erforderlich werden.

 

 

Wir müssen reden“: Gesprächsbedarf wird zunehmen

 

Thurnes prognostiziert, dass es damit künftig regelmäßig zu Diskussions- und Abstimmungsbedarf mit der Finanzbehörde zu der Fragestellung kommen dürfte, ob und bis zu welchem Zeitpunkt ein Verlust unvorhersehbar war und ob man nicht womöglich schon zu einem früheren Zeitpunkt mit höheren Beitragszahlungen auf sich abzeichnende Verstärkungserfordernisse reagiert haben könnte. „Die geplante Regelung stellt keinen Automatismus dar, dass ein zusätzlicher Mittelbedarf im Zuge einer Rechnungsgrundlagenverstärkung immer durch lohnsteuerfreie Einzahlungen ausgeglichen werden kann. Jeder Sachverhalt wird sicherlich der Einzelfallprüfung unterliegen und sollte daher sorgfältig vorbereitet werden. Regelmäßig wird dabei auch eine verbindliche Vorabauskunft des zuständigen Betriebsstättenfinanzamts ratsam sein“, empfiehlt Thurnes. Bedauerlich an der Voraussetzung, dass die Sonderzahlung der Arbeitgeber nicht zur Absenkung von laufenden Beiträgen führen dürfe, sei, so Thurnes weiter, dass diejenigen Arbeitgeber, die bei bestimmten leistungsbezogenen Versorgungszusagen seit der Finanzkrise pflichtbewusst die lohnsteuerpflichtigen Beiträge erhöht haben, keine oder nur eine sehr eingeschränkte Möglichkeit erhalten, diese Erhöhungen teilweise wieder zurück zu nehmen, wenn eine lohnsteuerfreie Sonderzahlung geleistet wird. Arbeitgeber vor diesem Hintergrund zu einer aufsichtsrechtlich durchaus gewünschten Einzahlung zu bewegen, dürfte damit schwierig bleiben. Zudem werden auch die Arbeitnehmer solcher Arbeitgeber klar benachteiligt, denn ihnen werden weiterhin eigentlich nicht sachgerechte Lohnsteuern belastet.

 

Das BMF erklärte gegenüber Leiter-bAV.de, dass das Gesetz am 3. Dezember im Finanzausschuss weiter beraten werden soll.

 

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