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Nahles vor der aba:

Königsweg bAV

 

Gestern in Berlin. Die Ministerin spricht vor der aba, registriert deren neues Modell und erläutert das eigene, das sich nun flexibler zeigt. Dabei geht sie auch auf die Assekuranz zu.

 

Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) sieht sich trotz umfassender Kritik und zahlreicher offener Fragen mit ihren Ideen zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung über ein sozialpartnerschaftliches Modell auf dem richtigen Weg. Sie weiß aber auch, dass es neuer finanzieller Anreize bedarf, um die Stagnation in der bAV zu überwinden. Sie suche hier den Schulterschluss mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), sagte Nahles gestern auf der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (aba) in Berlin.

 

Bei allen Fragen der Altersvorsorge sitze das Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit im Boot, so Nahles weiter. Ja, die staatliche Förderung der bAV müsse verbessert werden, sagte die Ministerin, und „es muss ein Schulterschluss gelingen.“ Schließlich sei „die bAV für die meisten Beschäftigten der Königsweg“, wenn es darum gehe, zusätzlich vorzusorgen.

 

Andrea Nahles vor ihrer Rede auf der aba-Jahrestagung im Mai 2015 in Berlin. Foto: Brüss
Andrea Nahles vor ihrer Rede auf der aba-Jahrestagung im Mai 2015 in Berlin.
Foto: Brüss

 

Nahles fühlt sich hier ein wenig allein gelassen in dem Bemühen, die im Koalitionsvertrag versprochene Stärkung der bAV insbesondere bei kleinen und mittelgroßen Betrieben umzusetzen. Auch betonte sie (die bereits auf der letztjährigen aba-Jahrestagung die Branche zur Ideengebung aufgefordert hatte), dass es keinen konzeptionellen Vorschlag gegeben habe, bis eben das BMAS im Oktober einen gemacht habe. Es sei im übrigen leicht, einen bestehenden Vorschlag zu kritisieren und zu zerreden. Doch auch die Initiative des Sozialpartnermodells will nicht zuletzt zu Input auffordern, so die Ministerin.

 

 

Direktversicherung im Boot

 

Die Arbeitsministerin dankte dem aba-Vorstandsvorsitzenden Heribert Karch ausdrücklich für das anlässlich der Jahrestagung vorgelegte aba-Zulagenmodell, das wesentliche Bestandteile der Sozialpartnermodells des BMAS (Enthaftung des Arbeitgebers bei Absicherung der Ansprüche der Arbeitnehmer) eingebaut hat. Dabei sieht sie sich mit ihrem Modell aber weiterhin auf dem richtigen Reformkurs, denn: „Der beste Weg führt über die Tarifparteien.“ Über die konkrete Ausgestaltung könne man reden: „Da bin ich offen“, sagte Nahles. Auch sei nicht zwingend, dass allein der Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) die Haftung für die Betriebsrentenansprüche übernehme. Auch hier solle es Wettbewerb geben, und so seien andere Mechanismen – wie etwa Protektor – denkbar. Ohnehin scheint sich das BMAS in seinen Reformgedanken auf die Assekuranz zuzubewegen, signalisierte Nahles doch Entgegenkommen bei der Einbindung auch bestehender Versorgungsträger durch die geplanten neuen gemeinsamen Einrichtungen der Tarifpartner. So soll das Sozialpartnermodell nicht mehr nur auf tarifliche Pensionskassen und Pensionsfonds fokussiert sein, sondern auch die Mandatierung externer Vehikel – neben Pensionskasse und -fonds nannte Nahles auch die Direktversicherung – als Dienstleister der tariflichen EbAV zulassen. Ausdrücklich erwähnte Nahles hier die Metall-Rente als Beispiel.

 

Andrea Nahles spricht auf der aba-Jahrestagung im Mai 2015 in Berlin. Foto: aba
Andrea Nahles spricht auf der aba-Jahrestagung im Mai 2015 in Berlin.
Foto: aba

 

Bezüglich des Referentenentwurfs zur Mobilitätsrichtlinie kündigte Nahles an, dass sich das Kabinett mit diesem am 27. Juni befassen werde.

 

 

Karch fordert „rentenpolitischen Halbzeitgipfel“

 

Karch, der auf der Tagung vor über 800 Teilnehmern erstmals das von der aba entwickelte bAV-Reformmodell im Einzelnen erläuterte, sagte, man müsse prüfen, welche Chancen in den Vorschlägen des BMAS lägen. „Die toxischen Elemente müssen aber raus.“ Karch forderte einen Rentengipfel, der zur „Halbzeit des bis 2030 laufenden Reformprozesses“ die Weichen stelle, wie es denn danach weiter gehen solle. „Wir brauchen Weitsicht über das Jahr 2030 hinaus“, betonte Karch, der darauf verwies, dass das BMAS im kommenden Jahr in den langfristigen Projektionen des Rentenversicherungsberichts erstmals über diesen Horizont werde blicken müssen. Dass sich Nahles auch für finanzielle Verbesserungen bei der bAV einsetzen wolle, nahm er zufrieden zur Kenntnis, ist seine Wunschliste doch ehrgeizig: So müssten die Sonderlasten in der Kranken- und Pflegeversicherung beim Rentenbezug beseitigt werden. Auch die Anrechnung von Betriebsrenten auf die Grundsicherung gehöre abgeschafft, sagte Karch. „Solch eine Verstopfung im System können wir nicht weiter tragen.“ Zudem plädiert die aba wie gestern berichtet für ein staatlich gefördertes Zulagensystem (staatliches Fördervolumen 33 Prozent; maximal 240 Euro im Jahr bei 720 Euro Zulage) insbesondere für Geringverdiener und eine Ausweitung des steuerlichen Dotierungsrahmens (Aufhebung der Begrenzung im Paragrafen 3 Nr. 63 EStG). Im übrigen äußerte Karch erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der nächste Woche startenden HBS-Konsultation der EIOPA.

 

 

BDA: Kein Opting-out

 

Angesichts des anhaltenden Niedrigzinsumfelds sprach sich auch Alexander Gunkel, Mitglied der Hauptgeschäftsführung bei der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA), für einen höheren Dotierungsrahmen aus. Gunkel erteilte zugleich Vorschlägen eine Absage, ein obligatorisches Betriebsrentensystem oder ein verpflichtendes Opting-Out-Modell einzuführen. Nahles hatte zuvor gesagt, sie könne Sorgen wegen einer angeblichen Zwangsrente auch bei möglichen AVE nicht verstehen. Schließlich säßen die Arbeitgeber stets mit am Verhandlungstisch und könnten eine Einführung so stets verhindern.

 

 

Versicherer begrüßen Reformvorschläge der aba, sehen aber Diskussionsbedarf

 

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) begrüßte den Vorstoß der aba für einen neuen Schub in der bAV: „Es ist gemeinsames Ziel, die Verbreitung der bAV zu verbessern. Hierbei sind insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen sowie Arbeitnehmer mit geringeren Einkommen in den Blick zu nehmen“, erklärte der GDV in Berlin. Die neuen Vorschläge würden viele wichtige Ansatzpunkte aufgreifen, „müssen im Einzelnen aber noch diskutiert werden“. Richtig sei, dass die bAV für Arbeitgeber einfacher und für Arbeitnehmer attraktiver werden müsse. Der Vorschlag, den steuerlichen Dotierungsrahmen anzupassen, trage beidem Rechnung. Für die Arbeitgeber würde es so leichter, Versorgungszusagen auf nur einen Durchführungsweg zu konzentrieren. Dies würde auch den Aufwand verringern, erklärte der GDV, der aber zugleich davor warnte, bestehende gut funktionierende bAV-Versorgungseinrichtungen zu gefährden. Auch die Schaffung von Tariffonds müsse kritisch gesehen werden, weil diese die bAV an vielen Stellen wieder komplexer machen könnten.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

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