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Kleine Anfrage der AfD zu Pensionskassen (II):

Sieben, vier und sechsunddreissig

Die AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag hatte von der Bundesregierung Auskunft zur Lage im Pensionskassenwesen vor allem unter dem Gesichtspunkt des Aufsichtswesens erfragt. Die nun vorliegende Antwort aktualisiert den Blick auf die Dinge, lässt aber auch einige aktuelle und absehbare bAV-Aufsichts-Baustellen aus – weil danach nicht gefragt wurde.

 

Ulrike Schielke-Ziesing, AfD-Bundestagsfraktion.

Die BaFin hat inzwischen Anträge von sieben weiterer Pensionskassen auf Kürzung des Rentenfaktors für künftige Beiträge genehmigt. Wie aus einer Antwort der Bundesregierung (19/18362) auf die auf LbAV bereits vermeldete Kleine Anfrage der AfD-Fraktion (19/17688) um deren MdB Ulrike Schielke-Ziesing weiter hervorgeht, werden derzeit Anträge vier weiterer Pensionskassen von der Aufsicht geprüft. Wenig überraschend stehen nach Ansicht der Bundesregierung die Pensionskassen in einem langanhaltenden Niedrigzinsumfeld vor besonderen Herausforderungen, die Zinsgarantien mittel- und langfristig zu erfüllen. Doch der Reihe nach:

 

Der Maßnahmen-Blumenstrauß seit 2014

 

Auf die Fragen nach ihren Schlussfolgerungen aus der Situation, nach dem Zusammenhang mit dem Dauerniedrigzins, nach einer Mitverantwortung für diese Entwicklung und nach etwaigen Plänen zur Stützung der Pensionskassen bejaht die Regierung wie erwähnt die „besonderen Herausforderungen“ (und führt hier beispielhaft die Steuerberater-PK an) und verweist im Übrigen auf die Einführung der (jüngst angepassten) ZZR von 2011 (die Pensionskassen nur teilweise betrifft), das LVRG von 2014, die verbesserten Nachschussmöglichkeiten von 2014, die neue Option eines weiteren Gründungsstocks bei VVaG von 2019 sowie auf das Werben der BaFin bei Arbeitgebern um Nachdotierungen zu den Pensionskassen (zu denen sie bekanntlich niemanden zwingen kann).

 

Eine Frage des Timings

 

Zu den AfD-Fragen nach den verwendeten Sterbetafeln der DSV-PK und dem Umgang mit der ansteigenden Lebenserwartung verweist die Regierung auf die diesbezügliche Arbeit der Aufsicht und auf Verstärkungen der Rückstellungen der Kassen.

 

Zu dem Timing des Verbots des Neugeschäftes der Kölner PK und der Caritas PK (die beide auf dem Weg ihrer Sanierung offenbar gut vorankommen) sowie der Steuerberater-PK (zu dem vielaktigen Bonner Drama der derzeit jüngste s. hier) durch die BaFin fasst sich die Bundesregierung knapp:

 

Der Untersagung des Neugeschäfts geht eine Kette von aufsichtlichen Prüfungen und Maßnahmen voraus, d.h. die BaFin wird bereits lange vor einer Untersagung tätig.“

 

Genau hingucken bei dem Future Service

 

Die Zahl der Kassen, die im Bestand den Future Service gekürzt hatten, lag im Frühjahr 2018 bei 27, bis zum Sommer 2018 traten zwei weitere hinzu.

 

Auf die nun erfolgte Frage der AfD nach weiteren Fällen nennt die Bundesregierung die Zahl 7 (wobei einige dieser Kassen schon 2018 genannt worden, also das Instrument offenbar erneut angewandt haben). Die Bundesregierung nennt die Kassen namentlich:

 

  • Deutsche Steuerberater-Versicherung – Pensionskasse des steuerberatenden Berufs VVaG

  • Hannoversche Alterskasse VVaG

  • Hannoversche Pensionskasse VVaG

  • Kölner Pensionskasse VVaG

  • Pensionskasse der Genossenschaftsorganisation VVaG

  • Pensionskasse der Hamburger Hochbahn Aktiengesellschaft – VVaG

  • Pensionskasse Deutscher Eisenbahnen und Straßenbahnen VVaG

 

und berichtet von vier noch laufenden Anträgen. Man beachte: Die Kürzung des Future Service in Absprache mit der BaFin (muss „erforderlich, angemessen und geeignet“ sein) ist – spätestens seit der BVV das Instrument 2016 durchexerziert hat – eine angesichts dieser Niedrigzinsphase durchaus vertretbare, zuweilen sogar dringend anzuratende Maßnahme zur Stärkung einer Kasse. Es wäre ein Fehler, aus der Tatsache, dass sich auf der Liste der über 30 Kassen auch die bekannten Sanierungsfälle finden, abzuleiten, dass die anderen Kassen, die sich der Maßnahme bedient haben, ebenfalls in Schieflage seien – im Gegenteil dient die Maßnahme dazu, gerade kein Sanierungsfall zu werden.

 

Nach Informationen von LEITERbAV ist es nicht einmal so, dass die Kassen, die sich mittels Kürzungen im Future Service gestärkt haben, deckungsgleich mit denen sind, die unter intensivierter Aufsicht stehen. Explizit gilt das bspw. für die Hannoversche Alterskasse VVaG.

 

Die meistgestellte Aufsichtsfrage

 

Apropos: Stand März 2020 stehen 36 Pensionskassen unter intensivierter Aufsicht der BaFin. Das ist eine mehr oder weniger stabile Größenordnung: Auf der Jahreskonferenz der Versicherungsaufsicht 2019 im vergangen Oktober waren es noch deren 31, im Sommer 2018 lag die Zahl bei 45.

 

Passable Renditen

 

Auf Fragen der AfD nach dem Anlageerfolg teilt die Regierung mit, dass in den Jahren 2017 und 2018 die laufende Bruttoverzinsung der Kapitalanlagen im Branchendurchschnitt 3,7 bzw. 3,0 Prozent betrug. Der durchschnittliche Rechnungszins der Pensionskassen lag bei 3,0 Prozent bzw. 2,9 Prozent.

 

Die beste Strategie

 

Zum Schluss gibt die Bundesregierung sogar noch eine Art Bekenntnis ab:

 

Neben der gesetzlichen Rentenversicherung bleibt die kapitalgedeckte zusätzliche Altersvorsorge – auch in der derzeitigen Niedrigzinsphase – als zweite und dritte Säule der Alterssicherung unverzichtbar. Altersvorsorge ist ein sehr langfristiger Prozess. Gerade weil die systembedingten Vor- und Nachteile von umlagefinanzierter und kapitalgedeckter Vorsorge im Zeitverlauf jeweils unterschiedlich stark ausgeprägt sein können, ist vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung ein ausgewogener Mix die beste Strategie. An dieser grundlegenden Erkenntnis ändert auch das aktuell niedrige Zinsumfeld nichts.“

 

Am Rande noch, wie LEITERbAV schon bei der Anfrage der AfD angemerkt hatte: Die absehbar größte Akut-Baustelle in dem Durchführungsweg Pensionskasse, nämlich die mutmaßliche Absicht der BaFin, regulierten Pensionskassen praktisch systematisch im Neugeschäft nur noch 0,25% Rechnungszins zu genehmigen, kommt in der Kleinen Anfrage nicht vor – und vermutlich wird sich die Bundesregierung zu diesem heißen Eisen auf diesem Wege auch nicht äußern, wenn sie nicht danach parlamentarisch gefragt wird. Analoges gilt für den Vorschlag des GdV, die gesetzliche Beitragsgarantie bei Riester und BZML auf 80 Prozent zu senken, für die gegenwärtigen Erleichterungen der BaFin im Aufsichtsalltag sowie für die kommenden, möglicherweise schweren Herausforderungen namens Ma-Go und ORA.

 

Die Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der AfD findet sich hier.

 

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