Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Linke und Grüne fragen nach (II):

„Keine Veranlassung, gesetzgeberisch einzugreifen“

 

Mitte März hatten die Fraktion der Linken und der Grünen sich je mit einer kleinen Anfrage zur bAV an die großkoalitionäre Bundesregierung gewandt. Und die Regierung hat pflichtschuldig geantwortet. Heute: Die Antwort an Die Linke.

 

 

Unter dem Titel „Auswirkung der beitrags- und steuerfreien Entgeltumwandlung bei der bAV auf die Sozialversicherungen sowie die Finanzen des Bundes“ hatte Die Linke 27 Einzelfragen an die Bundesregierung gestellt, von denen die wichtigsten sich um die absolute und relative Höhe der jährlichen Beitragsausfälle in den Zweigen der Sozialversicherung seit 2002 und deren Wirkung auf die Beitragssätze sowie um die Ersparnis der Arbeitgeber bei den Sozialversicherungsbeiträgen drehen.

 

Gabriele Lösekrug-Möller (SPD)
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD)

Für die Bundesregierung antwortete Gabriele Lösekrug-Möller (SPD), parlamentarische Staatssekretärin im BMAS, ohne sich dabei auf jede, teils hypothetische Detailfrage der kleinen Anfrage einzulassen. LbAV dokumentiert die prägnantesten Auszüge der Antwort:

 

 

 

 

Grundsätzlich zur bAV:

 

Die Bundesregierung ist der Überzeugung, dass eine stabile Altersvorsorge nur in einem austarierten 3-Säulen-System mit Umlage- und Kapitaldeckungselementen organisiert werden kann. Die umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung ist und bleibt dabei die wichtigste Säule. Daneben bedarf es angesichts der demografischen Fakten aber der zusätzlichen kapitalgedeckten Altersvorsorge, um auch künftig ein Lebensstandard sicherndes Einkommen im Alter zu ermöglichen.“

 

 

Zu Ausfällen in der Sozialversicherung:

 

Die Bundesregierung hält auch weiterhin die Beitragsfreiheit für richtig und geboten. Es gilt, den positiven Trend bei der Entwicklung der bAV nicht zu gefährden.“

 

Die Auswirkungen der lnanspruchnahme der beitragsfreien Entgeltumwandlung auf das Beitragsaufkommen können nur geschätzt werden, da nicht zu verbeitragende Lohnbestandteile in den Finanzstatistiken der Sozialversicherung nicht erfasst sind. Ausgehend von im Jahr 2007 geschätzten Beitragsausfällen im Bereich von2 Mrd. Euro für die Sozialversicherung insgesamt […] dürfte die jährliche Minderung des gesamten Aufkommens in der gesetzlichen Sozialversicherung mittlerweile rund 3 Mrd. Euro betragen.“

 

Eine Mehrbelastung von Beschäftigten und Unternehmen in Folge der beitragsfreien Entgeltumwandlung ist nicht erkennbar.“

 

 

Zur Ersparnis des Arbeitgebers in der Sozialversicherung und der (Nicht-)Weitergabe an den Arbeitnehmer:

 

Die Verpflichtung zur Weitergabe des ersparten Anteils wäre […] eine Verpflichtung zu einem Arbeitgeberzuschuss. Gegen eine solche allgemeine, gesetzliche Verpflichtung sprechen weiterhin gute Argumente. Eine verbindliche finanzielle Beteiligung der Unternehmen an der bAV war und ist tarifliches Kerngeschäft. Es besteht keine Veranlassung, hier gesetzgeberisch einzugreifen.

 

Titelblatt der Antwort der Bundesregierung
Titelblatt der Antwort der Bundesregierung

Mit dem Anspruch auf Entgeltumwandlung gehen Belastungen für die Arbeitgeber einher, die dem eingesparten Arbeitgeberanteil an den Sozialversicherungsbeiträgen gegenüber stehen. So muss die Entgeltumwandlung vom Arbeitgeber verwaltungsmäßig abgewickelt werden. Außerdem müssen die Arbeitgeber für die Erfüllung der zugesagten Betriebsrente einstehen bzw. haften.

 

Gegen einen verbindlichen Arbeitgeberzuschuss spricht zudem, dass damit das Interesse vieler, insbesondere auch kleiner Arbeitgeber an der bAV verloren gehen und dem angestrebten weiteren Auf- und Ausbau der bAV auf freiwilliger Grundlage geschadet werden könnte.

 

Nicht zuletzt ist zu bedenken, dass ein auf Jahrzehnte angelegter Prozess, wie der Aufbau einer Betriebsrente, auf Planungssicherheit angewiesen ist. Diese ginge verloren, wenn ein seit mittlerweile fast 40 Jahren bestehender zentraler Bestandteil des Förderrechts der bAV geändert würde.“

 

Die Antwort der Staatssekretärin findet sich im Volltext hier.

 

 

Mit dem Rücken zur Wand“

 

Matthias W. Birkwald (Die Linke)
Matthias W. Birkwald (Die Linke)

Matthias W. Birkwald, rentenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Linken, hat die Antwort ausgewertet. Auch hier prägnante Auszüge:

 

Die Bundesregierung steht rentenpolitisch mit dem Rücken zur Wand. Das Leistungsniveau der gesetzlichen Rente wird in den nächsten Jahren unaufhaltsam in den Keller rauschen. Diesen Verfall der gesetzlichen Rente sollen – so die Theorie – die Bürgerinnen und Bürger selbst ausgleichen und fürs Alter sparen. Die Realität sieht aber völlig anders aus.“

 

Jetzt soll es nach dem Willen der Bundesregierung die bAV richten. […] Auch hier gehen den Sozialversicherungen jährlich drei Milliarden Euro verloren, der Rentenversicherung davon 1,5 Milliarden Euro. Mit einer Summe von 4,5 Milliarden Euro könnte die gesetzliche Rente jährlich um jeweils zusätzliche 1,8 Prozentpunkte steigen.“

 

Ursache für diese Kannibalisierung der gesetzlichen Rente durch die bAV ist die beitragsfreie Entgeltumwandlung. Diese drückt aber nicht nur auf die Kassenlage der gesetzlichen Rente; sie hat erhebliche sozialpolitische Folgen, nicht nur für jene, die sich an der Entgeltumwandlung beteiligen, sondern insbesondere für jene, die dies rechtlich oder finanziell nicht dürfen, wie Geringverdienende, Arbeitslose oder Rentnerinnen und Rentner: Ihre Rentenansprüche werden durch die beitragsfreie Entgeltumwandlung für immer geschmälert.“

 

Die Verantwortung für die bAV jetzt auf die Tarifparteien abzuschieben, wie es das BMAS derzeit mit seinem aktuellen Diskussionsvorschlag versucht, führt zu einer vollständige Enthaftung des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin hinsichtlich der Versorgungsleistungen („pay and forget“). […] Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber garantieren dann nur noch ihre Beitragszusage, aber nicht mehr spätere Leistungen. Durch die Entgeltumwandlung sparen sie in der Ansparphase ihren Anteil an den Sozialversicherungsbeiträgen ein. Dennoch sind sie bisher nicht verpflichtet, sich mit eigenen Beiträgen am Aufbau der bAV zu beteiligen. Selbst zur Einzahlung des von ihnen eingesparten Teils der Sozialbeiträge gibt es keine Pflicht. Auch müssen sich die Unternehmen im Gegensatz zu den Beschäftigten nicht an den Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen in der Auszahlungsphase der Betriebsrente beteiligen.“

 

Die gesamte Auswertung Birkwalds findet sich hier.

 

 

Unter der Schlagzeile „Chefs dürfen weiter sparen“ hat die Süddeutsche Zeitung die kleine Anfrage der Linken Anfang April aufgegriffen. Der Beitrag sieht die Ersparnis der Arbeitgeber offenbar nicht unkritisch, Zitat über die bAV:

 

Die Sache hat aber einen Haken: Die Arbeitgeber müssen sich daran nicht beteiligen, obwohl sie bei dieser Vorsorgeform viel Geld sparen.“

 

 

Fazit:

 

Verfolgt man die teil-öffentliche Diskussion, kann man bei bestimmten politischen Stoßrichtungen zuweilen fast den Eindruck gewinnen, als sei die Entgeltumwandlung im Speziellen und die bAV im Allgemeinen für die Arbeitgeber ein Bombengeschäft. Nun, was bringt ihnen die bAV in ihren verschiedenen Ausprägungen weit abseits ihres eigentlichen Kerngeschäftes vor allem? Als da wären – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – unkalkulierbare nationale und europäische Regulierung, ständig zunehmende Komplexität, jahrzehntelange Haftung für Performance, Beratung und Aufklärung, ausufernde Informationspflichten, Bilanzberührung, Insolvenzschutzbeiträge, Risiko- und Asset-Management-Anforderungen, Vertriebs-, Verwaltungs-, Aktuar- und Consultantkosten, wechselnde Rechtsprechungen, Anpassungsprüfungspflichten und Dynamisierungen und über allem schwebend ein politisch gewollter Niedrigzins, der mittlerweile Ausmaße erreicht, dass im deutschen Mittelstand die Sorge um Bankrotte infolge bilanzieller Überschuldung durch explodierende Pensionsrückstellungen um sich greift. Wäre all das nicht, so würde manch ein Arbeitgeber sicher gern auf die Ersparnis der Sozialversicherungsbeiträge verzichten.

 

Nun, ob des 17b-Sozialpartnermodell des BMAS je Realität wird, und ob es hier eine Wende bringt, bleibt abzuwarten. Doch derzeit läuft auf allen Ebenen noch der Trend gegen eine Gewinnung der Arbeitgeber für die bAV weiter. Gedankenspiele, hier zusätzliche gesetzliche Pflichten für die Arbeitgeber einzuführen (auch wenn sie aus der derzeitigen Opposition kommen), werden dazu führen, dass man irgendwann nur noch mit gesetzlichen Verpflichtungen etwas erreicht. Aber nicht mehr mit Commitment.

 

 

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

© Pascal Bazzazi – LEITERbAV – Die auf LEITERbAV veröffentlichten Inhalte und Werke unterliegen dem deutschen Urheberrecht. Keine Nutzung, Veränderung, Vervielfältigung oder Veröffentlichung (auch auszugsweise, auch in Pressespiegeln) außerhalb der Grenzen des Urheberrechts für eigene oder fremde Zwecke ohne vorherige schriftliche Genehmigung. Die Inhalte einschließlich der über Links gelieferten Inhalte stellen keinerlei Beratung dar, insbesondere keine Rechtsberatung, keine Steuerberatung und keine Anlageberatung. Alle Meinungsäußerungen geben ausschließlich die Meinung des verfassenden Redakteurs, freien Mitarbeiters oder externen Autors wieder.