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Die kommentierte Presseschau zur bAV:

Kassandra

Unregelmäßig freitags – bringt LEITERbAV eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: Von wirren Schlussfolgerungen, Turbo-Modus – und wie die Politik sich ihre eigenen Zweitrundeneffekte schafft.

Und: Nahles back on Stage?

LEITERbAV (2. Dezember): „Kritik von Verbraucherschützern an Entgeltumwandlung: Ideologie statt Klarsicht?“

Hier in dieser Presseschau direkt zu Beginn ein Verweis auf einen eigenen Artikel, gestern erschienen auf LbAV. Autor Detlef Pohl hat dabei das Papier des vzbv, mit dem dieser vor der Entgeltumwandlung warnt, einer kritischen Würdigung unterzogen.

Und diese Kritik an dem Papier ist berechtigt. Hier nur das Wichtigste: Sie ist zu pauschal, da sie – bewusst oder unbewusst – auf die äußerst vielfältige bAV insgesamt ausstrahlt. Sie berücksichtigt zu wenig, dass in der realen Pensions-Welt da draußen Matching weit verbreitet ist. Und vor allem führt die Schlussfolgerung des Papiers in die völlige Irre. Ein Staatsfonds – das ist auf LbAV in der Tat schon regelmäßig ausführlich dargelegt worden – bedeutet am Ende nichts weiter als ein Race to the Bottom.

Gleichwohl will Kassandras hier einige Punkte aus der Argumentation der Verbraucherschützer hervorheben, die in der Tat ihre Berechtigung haben – und einen klaren Adressaten auch. Richtigerweise wird – trotz der erwähnt wirren Schlussfolgerung – kritisiert:

  • die steuerliche Förderung für den Arbeitnehmer ist auf eine simple Steuerstundung beschränkt.
  • die Doppelverbeitragung ist immer noch nicht komplett ausgemerzt.
  • die Portabilität könnte besser sein.
  • die Provisionen im Versicherungsvertrieb sind auch heute noch in der bAV nicht selten genauso hoch wie in der dritten Säule, zumindes abseits des Kollektivgeschäftes (Kassandra hat sich dessen gestern explizit nochmals auf dem Parkett versichert).

Und der Adressat dieser Probleme? Ist die Politik. Die genannten Punkte sollte sie anpassen (und viele weitere auch, 6a, BZML, boLZ, Garantien, AnlV etc…), das ist für uns auf dem Parkett allseits seit Jahren bekannt.Wann wird sie je wirklich verstehen, dass sie in diesen für die Altersvorsorge prekären Zeiten mit der bAV ein einzigartiges Instrument an der Hand hat? Eines, dass sich mit verhältnismäßig einfachen Maßnahmen in den Turbo-Modus trimmen ließe?

 

 

Man muss als Politiker schon auf den Kopf gefallen sein, die drängenden Herausforderungen in der Altersvorsorge den Staat mutterseelenallein angehen zu lassen, während nur in der bAV Verbündete bereit stehen, die Geld und Commitment mitbringen.“

 

 

Man muss als Politiker schon auf den Kopf gefallen sein – und das gilt für jedes Land der Welt i. A. und für Deutschland im Speziellen – die teils wirklich drängenden Herausforderungen in der Altersvorsorge den Staat mutterseelenallein angehen zu lassen, während nur in der bAV Verbündete bereit stehen, die Geld und Commitment mitbringen: je nach Gestaltung der Arbeitgeber bzw. Arbeitnehmer sowieso, bei Matching Contribution gleich beide und schließlich – wenn man die Anlage Richtung zeitgemäßer Real Assets steuert – sogar der Kapitalmarkt.

Und wo wir schon bei der Politik sind: Die bAV hat bei den Menschen in diesem Lande – gleich welcher politischen Couleur, gleich ob im Arbeitnehmer oder -geberlager – nach wie vor einen äußerst guten Ruf! Daran dürften auch einfach gestrickte vzbv-Papiere nichts ändern.

Fazit: Jeder Politiker, der in der bAV Zählbares vorweisen kann, der bedient sich nicht nur der genannten Verbündeten, um mehr und echte Nachhaltigkeit in die Altersvorsorge zu bringen. Sondern der bekommt erfahrungsgemäß noch mehr: gute Presse! Landauf. Landab.

 

tagesschau (28. November): „Gutscheine für Alltagshilfe geplant – Staatszuschuss für den Fensterputz.“

Doch ist die eben geäußerte Hoffnung berechtigt, die Politik könnte sich auf kluge Nachhaltigkeit fokussieren? Vermutlich eher nicht. Hier das bestdenkbare Negativbeispiel:

Alt- und Neu-BMAS Hubertus Heil hat – nach der „Respekt-Rente“ – schon wieder eine gute, wirklich nachhaltige Idee: Der Staat gibt Familien Gutscheine zur Bezahlung von Haushaltshilfen. Nur als erster Schritt sollen Familien mit Kindern, Alleinerziehende und die, die Angehörige pflegen, einen Bonus von bis zu 2000 Euro p.a. erhalten.

Im vorherigen Kommentar wurde die überschaubare Förderung der bAV bemängelt. Im Vergleich dazu ist es bemerkenswert, wie leicht und in welchen Größenordnungen der Politik das Geld von der Hand geht, wenn die Maßnahme nur verspricht, beim Wahlvolk gut anzukommen – eben weil das Staatsgeld direkt und kurzfristig beim Wähler landet und nicht in seiner langfristigen Vorsorge, wo er es nicht so schön unmittelbar spürt.

 

 

Was macht man als Politiker in einem Staat, der vor einer morbiden Multiproblemlage steht – zwischen Überalterung und maroden Sozialsystemen, zwischen Geldschwemme und Inflationsdruck und auch noch pandemiegeplagt – aus der es praktisch kein Entkommen gibt? Ganz einfach: Freibier für alle!“

 

Ab 2023 sollen die Heilschen Gutscheine unters Volk gebracht werden. Dann noch einen kleinen Time-Lag, bis das in der Breite funktioniert, und dann haben die Menschen noch etwas Zeit, bis zur BT-Wahl 2025 tief zu verinnerlichen, wem sie die schönen bunten Gutscheine zu verdanken haben. Gutes Timing.

Was macht man als Politiker in einem Staat, der vor einer morbiden Multiproblemlage steht – zwischen Überalterung und maroden Sozialsystemen, zwischen Geldschwemme und Inflationsdruck und auch noch pandemiegeplagt – aus der es praktisch kein Entkommen gibt? Ganz einfach: Freibier für alle!

Und wer sagt denn, dass es bei einem Bierchen bleiben muss? Man lasse die Inflation nur noch mehr Druck aufbauen, und das wird sie! Dann gibt es bald Forderungen nach Gutscheinen für Energie, für Mobilität, für Wohnen usw… Dann folgen die inflationären Zweitrundeneffekte – hier nicht von den Tarifparteien, sondern von der Politik mit lustigen Gutscheinen hausgemacht. Und schon wird man auch in der Inflation Gefangener des eigenen Handelns – wie man es in der damit ohnehin zusammenhängenden Geldpolitik schon lange ist.

Weiter so, und am Ende stehen Lebensmittelkarten.

 

EIOPA (1. Dezember): „EIOPA submits its advice on pensions tools to the European Commission.“

Die European Insurance and Occupational Pensions Authority (EIOPA) hat gestern ihre Empfehlung an die Europäische Kommission zu zwei Renteninstrumenten veröffentlicht, dem Pension Tracking System (PTS) und dem Renten-Dashboard. Die Beratung – Antwort auf ein Ersuchen der EU-Kommission um technische Beratung und Teil der Umsetzung des Aktionsplans zur Kapitalmarktunion – seien ein wichtiger Schritt, um das Bewusstsein der Bürger für ihr künftiges Renteneinkommen zu schärfen, die Überwachung der nationalen Rentensysteme zu verbessern und letztendlich ein Weg nach vorne bei der Schließung von Rentenlücken zu sein, ließ die für ihre Ambitioniertheit bekannte Behörde verlauten.

Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. aba-Chef Klaus Stiefermann und seit kurzem auch stellv. Vorsitzender der PensionsEurope, kommentierte, dass Rentenpolitik aus guten Gründen in die Zuständigkeit der EU-Mitgliedstaaten falle. Das gelte auch für die Entscheidung, was im nationalen Kontext als Altersversorgung angesehen wird. Aus Brüssel können daher nur Empfehlungen kommen. „Die Entscheidungen über die wichtigsten Gestaltungsparameter eines PTS muss den Mitgliedstaaten überlassen werden,“ stellte Stiefermann klar. Die Empfehlungen der EIOPA zeigten, dass man in Deutschland mit den Arbeiten an der Digitalen Rentenübersicht auf dem richtigen Weg sei. „Die Konsultation hat aber auch gezeigt, wie komplex solche Systeme sind, selbst in Ländern mit weniger Einwohnern und weniger komplexen Altersversorgungssystemen.“

Bezogen auf das diskutierte Renten-Dashboard ergänzte Stiefermann: „Der Nutzen der erhobenen Daten ist gegen die damit verbundenen Kosten abzuwägen. Ich glaube nicht, dass das alleinige Ziel, das Dashboard zu speisen, zusätzliche Datenmeldung für EbAV und für andere die Einführung eines gänzlich neuen Meldewesens rechtfertigt. Welche Tiefe braucht man für dieses angestrebte makroökonomische Instrument? Das Renten-Dashboard sollte das nutzen, was bereits in den Mitgliedstaaten verfügbar ist.“

Die historische Erfahrung mit EIOPA zeigt, dass Stiefermann mit seiner Skepsis gegenüber pan-europäischen Ambitionen in der bAV wohl richtig liegt. In der Tat ist es schon auf nationaler Ebene fast eine philosophische Frage, was als Altersvorsorge bzw. Altersvorsorgevermögen angesehen und bewertet werden kann. In der übersehbaren Vielfalt – und diese ist ausdrücklich etwas positives – europäischer Regulierungen und Vorsorgearten hier Einheitlichkeit in der Erfassung schaffen zu wollen, ist ein Unterfangen, dass am Ende bestenfalls zu Scheininformationen und Scheingenauigkeit führen kann. Und mit Blick auf den zugehörigen Aufwand muss wohl hier nicht erläutert werden, wer am Ende die Kosten dafür zu tragen hat.

 

OFF TOPIC – TOWHOM IT MAY CONCERN

BILD (1. Dezember): „Heisses Hauptstadt-Gerücht – Wird Nahles Gesundheitsministerin?

Wer die Lanz-Sendung vom vergangenen Dienstag gesehen hat, der hat sich die Augen gerieben (Kassandra hat es jedenfalls). Wie bitte? Andrea Nahles als Gesundheitsministerin? Die Frau, die sich aus der Politik völlig zurückgezogen hat, soll plötzlich Kandidatin für einen der derzeit kardinalen Posten im Kabinett sein?

Ist da was dran? Hat der Moderator hier Informationen, die es früh und als erster abzutesten galt? Oder hat er einfach stumpf im Blauen rumgestochert?

Andrea Nahles vor Ihrer Rede auf der aba-Jahrestagung im Mai 2015 in Berlin.
Foto: Brüss

Schwer zu sagen. However, wir alle haben Nahles auf dem Parkett als Arbeitsministerin kennengelernt. Vor allem unvergessen, dass sie – wie auch ihre parl. StS Yasmin Fahimi als dezidiert linke Politikerin – gegen alle Widerstände die in Deutschland längst überfällige rBZ durchgesetzt hat; und das samt dem schwer kommunizierbaren, aber wichtigem richtigem Verbot, diese mit einer Garantie ad absurdum führen zu dürfen. Das haben die beiden Frauen unternommen in dem Bewusstsein, damit auf der politischen Linken, also der eigenen Sphäre, eher wenige Blumentöpfe, sondern vielmehr simple Häme („Poker-Rente“) gewinnen zu können.

Kassandra jedenfalls erinnert sich gut auch an den Habitus, mit dem Nahles sich mit der bAV als Materie als auch dem Parkett persönlich auseinandergesetzt hat – und hat diesen als aufgeschlossen, uneitel und bodenständig empfunden (insb. im Vergleich zu ihrer aus Sicht des Chronisten intellektuell sichtlich weniger beeindruckenden, aber dafür umso „prächtiger“ auftretenden Vorgängerin).

Es mag viele in der LbAV-Leserschaft überraschen, aber es ist so: Nahles BMG wäre eine Personalie, die Kassandra – gerade in diesen auch politisch prekären Zeiten und gerade angesichts der denkbaren personellen Alternativen – uneingeschränkt begrüßen würde.

Zum Schluss: Das Heft ist frisch aus der Druckerei, mal wieder bildhübsch und nun im Versand. Ab Anfang der Woche sollten Sie es auf dem Tisch haben. Falls nein, bitte kurze Info an Redaktion@LbAV.de

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Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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