Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Die kommentierte Presseschau zur bAV:

Kassandra

Regelmäßig freitags bringt LEITERbAV eine kommentierte Presseschau zur bAV.

Heute: Die Sonne steht tief, und Viren werfen lange Schatten.

 

 

The Sydney Morning Herald (24. März): „AustralianSuper, Unisuper slash value of unlisted assets.“

 

Reuters (24. März): „U.S. public pension funds face nearly $1 trillion in losses -Moody’s.“

 

Zu Sinn und Unsinn der Notenbankpolitik hat sich Kassandra bereits mehrfach geäußert, zu den Märkten auch (hier nur als Ergänzung, dass die derzeitige, äußert erratische Kursbewegung, auch wenn sie nach oben geht, eher ein schlechtes denn ein gutes Zeichen ist).

 

Oben verlinkt jedoch ein Thema aus dem kräftigen australischen Pensionsystem, das auch deutsche und europäische EbAV – so denn der allgemeine Lockdown weitergeht – in Kürze beschäftigen sollte: Die Bewertung von ungelisteten Beteiligungen, also vor allem von Infrastruktur- und PE-Engagements! So schreibt die Zeitung:

 

The Age and The Sydney Morning Herald can confirm Unisuper, the $85 billion fund for university workers, has cut the value of its holdings in unlisted infrastructure by 6 per cent, and its unlisted property holdings by 10 per cent.“

 

Kein Zweifel: Wenn es sich nicht gerade um Krankenhäuser handelt, dann dürften die meisten Infrastruktur-Beteiligungen wie zB. Flughäfen oder Bahnunternehmen, beizeiten auch bei wohlwollendstem Mark-to-Model unter Druck kommen.

 

Parallel vermeldet Reuters oben verlinkt einen Zwischenstand über die Höhe der derzeit insgesamt durch den deflatorischen Schock aufgelaufenen Verluste in dem gigantischen US-Pensionsfondssystem: eine runde Billion USD!

 

Ein kassandrischer „Trost“, so das denn einer sein kann: Man muss kein Milton Friedman sein, kein Keynes und auch kein Ludwig v. Mises, um zu wissen, dass auf den derzeitigen schweren deflatorischen Schock über kurz oder lang eine exzessive Inflation folgen wird, ggf. auch als Stagflation (und das vielleicht sogar schon überraschend schnell). Die Zahnpasta, die allenthalben die Notenbanken rund um den Globus nun in die Welt setzen, wird aus der Tube bleiben. Und wo wird diese Inflation als erstes zuschlagen, wenn sie loslegt? Richtig, in der Asset Inflation!

 

Dass die Sache – trotz der zwischenzeitlich starken Börsen – offenkundig noch nicht vorbei ist, zeigt auch ein Blick auf die sich bemerkenswert dynamisch entwickelnden US-Arbeitslosenzahlen.

 

 

Handelsblatt (22. März): „Spanien will Euro-Bonds.“

 

Handelsblatt (26. März): „EZB setzt für Krisenprogramm eigene Grenzen für Anleihekäufe aus.“

 

Reuters (26. März): „Scholz bekräftigt Ablehnung von Euro-Bonds – ESM kann aber helfen.“

 

Im langen Schatten eines kleinen Virus‘ verfolgen derzeit zahlreiche Akteure ihre ganz eigene Agenda und denken schon längst an die Zeit nach der Krise (nicht nur Ministerpräsidenten aus dem Süden, die vielleicht nun doch über eine Kanzlerkandidatur nachdenken).

 

Demokratische Freiheiten, das Bargeld, ordnungspolitische Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft – all das könnte unter Druck geraten. Viele Karten werden nun neu gemischt.

 

Doch einer der perfidesten und durchsichtigsten Vorstöße überhaupt ist es, nun die Corona-Krise zu nutzen, um mit den üblichen Krokodilstränen Eurobonds und damit endlich eine EU-Mitglieder-Gemeinschaftshaftung durchzusetzen. Und dieser Geist, wenn er einmal aus der Flasche ist, würde sich nach der Krise nicht wieder dorthin zurückverweisen lassen; dafür würde der Club Med schon zu sorgen wissen.

 

Und warum ist dieses Manöver so perfide und durchsichtig? Weil es zu einer Zeit kommt, in der die EZB offenkundig alle Grenzen wegwischt (s. Handelsblatt), die Staaten auch abseits des Capital Key in jeder Größenordnung per QE zu finanzieren. Eurobonds werden derzeit schlichtweg zur Refinanzierung der Euroland-Staaten nicht im Geringsten gebraucht, weil das Geld, die Sovereigns zu erwerben, nicht vom Kapitalmarkt kommt, sondern aus der Notenpresse im Frankfurter Ostend. Es geht nur darum, im Schatten der Corona-Krise Eurobonds zum Durchbruch zu verhelfen – eine Entwicklung, die Deutschland noch böse auf die Füße fiele, und das jahrzehntelang.

 

Finanzminister Olaf Scholz liegt daher – wie Reuters mit Bezug auf die Rheinische Post berichtet – völlig richtig, hier deutlichen Widerstand zu zeigen; es bleibt zu hoffen, dass dieser Widerstand nicht nur hinhaltend ist. Und er ist nicht allein: Auch das kleine Österreich, das in diesen Zeiten politisch zuweilen äußert störrisch sein kann, lehnt Eurobonds offenbar rundweg ab.

 

Apropos Deutschland: Eine weitere gefährliche Entwicklung in dieser Krise, die ohnehin im ganz großen Stil Vermögen umschichten wird wie seit Jahrzehnten nicht mehr, kommt von der industriepolitischen Seite, und die Politik täte gut daran, dies im Auge zu behalten: dass es vornehmlich die großen, multinationalen Konzerne sind, die von den gegenwärtigen Umwälzungen profitieren dürften. Nicht, dass Deutschland davon keine mehr hätte (wenn auch mit stark abnehmender Tendenz), doch nach wie vor ist der Mittelstand das Rückgrat dieser Volkswirtschaft, und es sollte verwundern, wenn dieser Mittelstand im ohnehin eisenharten Wettbewerb mit den großen, meist US-amerikanischen Super-Multis unbeeinträchtigt bliebe.

 

 

OFF TOPIC – TO WHOM IT MAY CONCERN

 

Daily Mail (24. März): „Coronavirus could already have infected HALF the British population and been spreading in the UK since January, Oxford University study claims.“

 

Schließlich noch für eventuell an Unkenrufen Interessierte ein paar kurze Anmerkungen zur Corona-Lage an sich:

 

Im vielstimmigen Konzert der „Experten“ hier im Daily Mail eine aus Oxford, die wissen will, dass schon die Hälfte der britischen Bevölkerung infiziert sei. Entspräche diese gewaltige Dunkelziffer der Wahrheit, hieße dies, das die Letalität minimal wäre – und wir es nur mit einer Art Grippewelle zu tun haben.

 

Die Werthaltigkeit der Oxforder Erkenntnisse lässt sich nicht prüfen. Aber man muss fragen, wie denn eine solche Ungefährlichkeit von Corona mit der Tatsache zusammen passen soll, dass in Madrid und New York schon provisorische Leichenhäuser erstellt werden müssen, es also zumindest dort definitiv ein Sterbeaufkommen gibt, das in Friedenszeiten völlig ungewöhnlich ist, und dieses Sterbeaufkommen muss ja irgendwo herrühren.

 

Corona und seine Folgen sind genauso unkalkulierbar wie die Märkte: von Totalkatastrophe bis Hornberger Schießen ist alles drin. Den Oxforder Erkenntnissen und der daraus folgenden, geringen Letalität kann man gegenüberstellen (wie hier schon unter 4. dargelegt), dass man zur Bestimmung der Letalität die Zahl der Toten nicht in Bezug zu der Gesamtzahl der Fälle, sondern konsequenterweise in Bezug zu der Zahl der Geheilten setzen muss (denn bei allen laufenden Fällen können und werden ja weitere Tote dazukommen). So hochgerechnet liegt die Letalität in Italien bei 44%, in Deutschland bei rätselhaften 4% (auf die Gesamtbevölkerung übertragen allerdings immer noch ein katastrophal hoher Wert). Da muss man schon hoffen, dass die Dunkelziffer wirklich hoch ist – bestenfalls natürlich so hoch, wie man in Oxford vermutet.

 

 

Der Spiegel (22. März): „Covid-19 Die drei dümmsten Sätze zur Coronakrise.“

 

Kassandra verweist weiterhin gern auf Süd-Korea. Das 51-Mio.-Land, zu Beginn einer der Hotspots der Pandemie, hat weiterhin „nur“ ca. 100 neue Infektionen täglich, Deutschland dagegen gestern über 6.500, Italien in ähnlicher Größenordnung. Nochmal: Irgendwas machen die SüdKoreaner wohl richtig, ganz ohne Lockdown. Vermutlich sind es die überall üblichen Masken.

 

Hier zählt der Spiegel drei übliche, aber dumme Sätze zu Corona auf. Unter 3. notiert das Hamburger Magazin:

 

Diese Masken bringen sowieso nichts.“

 

Der Spiegel schreibt weiter:

 

Anleitung zum improvisierten, gleichwohl stilechten Maskenbau für den Pensionsinvestor.

An der Verbreitung dieses nachweislich unsinnigen Satzes sind leider auch Behörden und andere offizielle Stellen hierzulande und anderswo Schuld.“

 

Richtig. Im Internet gehen gerade Clips viral zum Selbstbau von Masken, was in Minutenschnelle in großer Zahl bewerkstelligt kann. Wenn es wirklich darum geht, über Wahrscheinlichkeiten die Exponentialkurve zu strecken, ist es umso unverständlicher, dass hierzulande immer noch das Rotzen in die Armbeuge empfohlen wird.

 

Wie wäre es mit einem konzertierten Aufruf von Regierung, Behörden, Verbänden, Arbeitgebern, Gewerkschaften, ÖPNV, Handelsketten etc.: Ohne Make keine Teilnahme am öffentlichen Leben! Kein Zutritt zu Bus und Bahn, zum Arbeitsplatz, zum Arzt, zum Supermarkt…!

 

Übrigens hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder Journalisten für systemrelevant erklärt. Um nicht das System zu gefährden, schützt sich auch Kassandra jetzt, sogar während der Arbeit.

 

 

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