Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Die kommentierte Presseschau zur bAV:

Kassandra

Regelmäßig freitags bringt LEITERbAV eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: Von Einigung in Brüssel und Taxonomie ante portas, von Preisen zu gewinnen, von Stellschrauben, von Selbstentlarvung und von einer Quintessenz …

 

Angesichts der Nachrichtendichte ist die Presseschau auch heute eher ein Ansammlung von News denn eine Kommentarsammlung.

 

 

Sven Giegold (5. Dezember): „Durchbruch für nachhaltige Investments – Ministerrat und Europaparlament einigen sich auf Klassifizierung.“

 

Offizielle Informationen jetzt schon zu bekommen, ist nicht einfach, doch Einzelheiten finden sich bereits bei einem in der Angelegenheit sehr ambitionierten Politiker, der auf unserem Parkett kein völlig Unbekannter ist: dem grünen MdEP Sven Giegold.

 

Wie Giegold berichtet, haben sich EP und Ministerrat gestern vormittag auf einen Kompromiss in der Taxonomie-Verordnung zu nachhaltigen Investments geeinigt. Einzelheiten laut Giegold:

 

Als nachhaltig soll gelten, wer einerseits einen positiven Beitrag leistet zum Klimaschutz, ohne gleichzeitig in anderen Bereichen der Umwelt zu schaden (Do-no-harm-Prinzip). Die Klassifizierung soll prinzipiell für alle Finanzprodukte gelten, es gelte aber comply or explain – also entweder anwenden oder aber kommunizieren, dass man dies nicht tue.

 

Bemerkenswert: Kohle werde explizit aus nachhaltigen Finanzprodukten ausgeschlossen, wie Giegold berichtet, und da zudem die Umweltschutzstandards sehr hoch seien, werde Atomkraft sich nicht qualifizieren können und damit de-facto ebenfalls aus nachhaltigen Finanzprodukten ausgeschlossen, so der MdEP weiter. Angesichts der Haltung Frankreichs darf man das wohl eine Überraschung nennen. Andererseits kann es durchaus sein, dass Frankreich die diesbezügliche Investoren-Taxonomie angesichts seiner Staatsversorger am Ende schlicht egal ist.

 

Zurück zu Giegolds Bericht: Die genauen Schwellenwerte für die Definition von Nachhaltigkeit werde die Kommission noch ausarbeiten, diesen müssten Ministerrat und EU-Parlament dann noch zustimmen.

 

Giegold selbst spricht von einem „Meilenstein für nachhaltige Finanzmärkte“ und einem „riesigen grünen Erfolg unserer langjährigen Arbeit für nachhaltige Finanzmärkte“. Viele Christdemokraten in Berlin und Brüssel hätten sich lange grundsätzlich skeptisch gegenüber der europäischen Regeln für nachhaltige Finanzprodukte gezeigt.

 

Giegold ist optimistisch: Die neuen Regeln würden private Investitionen in eine grüne Ökonomie freisetzen und verbilligen. Für Förderbanken wie EIB und KfW würden die Regeln den neuen Maßstab für ihre Investitionen setzen. Selbst die EZB habe angekündigt, die neuen Regeln anzuwenden. Umweltschädliche Investments würden sich verteuern. Die Klassifizierung schiebe auch Greenwashing den Riegel vor, und die Do-no-harm-Prinzipien stellten sicher, dass nachhaltige Finanzprodukte auf die Einhaltung von Menschenrechten geprüft würden. „Der Finanzsektor wird so einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass Europa die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreicht“, so Giegold abschließend.

 

 

 

Deutscher bAV-Preis (5. Dezember): „Bewerbungsfrist verlängert.“

 

Erst letzte Woche hatte Kassandra angesichts der Berichterstattung zur Jury-Besetzung des „Deutschen ESG Pension Awards“ appelliert, dass diejenigen Akteure, die sich angesprochen fühlen, an dem Award bzw. entsprechend an dem Deutschen bAV-Preis – bei beiden ist LEITERbAV Medienpartner – teilnehmen mögen.

 

Nun hat der Deutsche bAV-Preis angesichts des stets bei allen auf dem Parkett eng getackteten Jahresendes seine Bewerbungsfrist verlängert – vom 31. Dezember 2019 auf den 16. Januar 2020.

 

Der Grund für den erwähnten Appell Kassandras sei hier wiederholt:

 

Die bAV – als 2nd pillar für jede Industrienation der Erde im Kampf gegen Altersarmut unverzichtbar – ist auch in Deutschland unter massivem Druck: Niedrigzins eskaliert, Regulierung nicht minder, Märkte ohnehin außer Rand und Band – und eine Governance, die unstet ist, Komplexität akkumuliert, nur schwer vom Fleck kommt und nun auf eine Politik trifft, die Heil zunehmend in primitivem Staats-Aktionismus sucht.

 

Das Positive: Auf der anderen Seite massenhaft deutsche Unternehmen, die sich immer noch und aller Unbill zum Trotz in der bAV engagieren, vorangehen, innovativ sind und bemerkenswerte Strukturen aufgebaut haben und weiter aufbauen, um ihren Beschäftigten eine zusätzliche Altersversorgung zu verschaffen.

 

Diese Gute gilt es zu unterstreichen. Gilt es zu betonen. In der Arbeitnehmerschaft. In der Öffentlichkeit. Gegenüber der Politik. Und dazu leisten die beiden Wettbewerbe einen kleinen Beitrag. Also, an alle die sich angesprochen fühlen: Teilnehmen! Bitte!

 

 

aba (3. Dezember): „Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung durch den Gesundheitsausschuss am 9. Dezember zu dem Gesetzentwurf zur Einführung eines Freibetrages in der GKV zur Förderung der bAV.“

 

Heute findet ein Pressegespräch der aba zu der derzeit erfolgenden Milderung der „Doppelverbeitragung“ statt (über das LbAV am Montag berichten wird), am 9. Dezember wird es eine öffentliche Anhörung des BT-Gesundheitsausschuss zu der Causa geben. Die Stellungnahme der aba für den Ausschuss ist bereits verfügbar.

 

Klar ist schon jetzt: Selbst diese Minimalmaßnahme der Politik wird – wie alles, was im tief verästelten System der deutschen Altersvorsorge stattfindet – technisch nicht einfach, wie sich …

 

 

 

VBL (5. Dezember): „Entlastung bei Krankenkassenbeiträgen“

 

hier in der Erklärung der VBL zeigt. Das Gesetz soll bekanntlich am 1. Januar 2020 in Kraft treten. Dem steht politisch wenig entgegen, auch der Bundesrat hat schon seine Zustimmung signalisiert. Anfang 2020 also? Die VBL ist skeptisch, nur ein Beispiel:

 

Im bisherigen Meldeverfahren zwischen den Krankenkassen und den Versorgungseinrichtungen ist die Meldung eines Freibetrags nicht vorgesehen. Das Verfahren müsste erst angepasst und anschließend von allen betroffenen Versorgungsträgern technisch umgesetzt werden. Das bedarf einer gewissen Vorlaufzeit.

 

Wird das Gesetz wie geplant beschlossen, kann die VBL die Berücksichtigung des Freibetrags bei ihren Betriebsrenten erst dann vornehmen, wenn alle Fragen und Vorgaben zum Meldeverfahren geklärt sind. Eine Umsetzung bis zum geplanten Inkrafttreten des Gesetzes Anfang des Jahres 2020 ist vor diesem Hintergrund nicht möglich.“

 

Man bedenke: Die Abschaffung der Doppelverbeitragung bei privat fortgeführten Pensionskassen-Zusagen war einfach gedacht. Die Einführung des 15%-AG-Zuschusses auch für den Bestand ebenfalls. Es kam anders. Und warum? Weil in der deutschen bAV gar nichts einfach ist. Wer hier eine Stellschraube anfasst – und sei sie noch so klein – fasst unbewusst Dutzende andere mit an. Und in der Causa Freibetrag drängt sich – derzeit noch schemenhaft – ein diesbezügliches Déjà-vu auf.

 

 

 

Kommission Verlässlicher Generationenvertrag (im Dezember): „Rechtsgutachten zu den verfassungsmäßigen Grenzen für ein Obligatorium und von Opting-Out-Modellen in der zusätzlichen Altersvorsorge.“

 

Frisch veröffentlicht und oben verlinkt das Gutachten des Prof. Heinz-Dietrich Steinmeyer (Westfälische Wilhelms-Universität Münster) zu den verfassungsmäßigen Grenzen für ein Obligatorium und von Opting-Out-Modellen in der zusätzlichen Altersvorsorge. Ergebnis: Opting-Out geht. Obligatorium auch.

 

Spätestens seit der Eurokrise sollte jedem klar sein, dass das deutsche Verfassungsgericht sich im frühen 21. Jahrhundert dem Willen der Politik in diesem Land auch in prekären Fragen praktisch nicht mehr entgegenstellt. Das Gutachten gibt einen Hinweis darauf, dass dies auch in der Frage des obligatorischen Staatsfonds nicht anders wäre. Das heißt also in der Praxis: Verfassungsrechtlich korrekt erst die Währung zerstören und dann verfassungsrechtlich korrekt die Menschen zwingen, gleichwohl in dieser sterbenden Währung unter Staatsaufsicht vorzusorgen! Das passt wunderbar in den Stil der Governance der Bundesrepublik Deutschland der Gegenwart.

 

Für Kassandra entlarvt sich das Gutachten ohnehin in einem einzigen Satz:

 

Eine Erfassung von Beamten sollte eher nicht erfolgen, da die Beamtenversorgung in ihrer gegenwärtigen Form Elemente der Basissicherung und Elemente der Zusatzversorgung umfasst.“

 

An dieser Stelle hat Kassandra eigentlich aufgehört zu lesen, es sich dann aber doch angetan. Später heißt es ausführlicher zu den Beamten:

 

Die Beamtenversorgung in ihrer gegenwärtigen Form umfasst Elemente der Basissicherung und Elemente der Zusatzversorgung. Das bedeutet, dass hier das Ziel einer angemessenen Alterssicherung auch ohne eine kapitalgedeckte Zusatzversorgung erreicht wird.

 

Das aber bedeutet, dass eine Verpflichtung zum Abschluss einer zusätzlichen kapitalgedeckten Altersvorsorge weder geeignet noch erforderlich ist, ein Obligatorium also mit Art. 2 Abs. 1 GG nicht vereinbar wäre. Auch ein Opting-Out würde hier auf Bedenken stoßen, da Zweifel bestehen, ob dieser weniger tiefe Eingriff hier erforderlich wäre.“

 

Man sieht: Wenn nur genug Steuermittel in einen Sektor der Altersvorsoge fließen, um dort die betreffenden unvergleichlich besser zu versorgen als diejenigen, die mit Masse die Mittel dafür aufbringen, dann muss dieser Sektor nach der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland von irgendwelchen Zwangsmaßnahmen verschont bleiben.

 

Nach der gleichen Logik bleiben dann also auch verschont: Ex-Minister, Staatssekretäre, MdB und Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

 

 

 

Zurich (3. Dezember): „Geldanlage: Nachhaltigkeit ja – aber nur solange die Rendite stimmt.“

 

Die Zurich hat für die repräsentative Studie „Nachhaltigkeit 2019“ 1.000 Deutsche ab 18 Jahren sowie zusätzlich 500 Deutsche zwischen 18 und 35 Jahren befragen lassen und gibt damit eine guten Einblick in die Stimmungslage aus dem Dreieck Rendite, Sicherheit und Nachhaltigkeit.

 

Nach Ansicht Kassandras die wichtigste Quintessenz:

 

Im direkten Produktvergleich würde die jüngere Generation nur auf nachhaltige Produkte setzen, wenn bei der Rendite nicht verzichtet werden muss.“

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Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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