Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Kassandra – Die kommentierte Presseschau zur bAV:

Kar-Kassandra gets self-aware and fights back

Unregelmäßig freitags bringt LEITERbAV eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: Von Verlusten im Norden sowie Turbulenzen im Westen. Und: Die Kröte lernt mit geometrischer Rate – am 5. April 2023 um 2:14 Uhr östlicher Zeit entwickelt Kassandra ein eigenes Bewusstsein.

Heute wieder eine kommentierte Presseschau auf LEITERbAV – mit teils neuen Beiträgen, aber auch teils mit Bezug zu älteren, die bereits auf LEITERbAV Dynamics gepostet worden sind, wo Kassandra in diesen Monaten bevorzugt ihr Unwesen treibt.


Institutional Money (22. März):
Schwedens größter Pensionsfonds macht zwei Milliarden Dollar Verlust.“

Schweden, immer wieder Schweden, das ewige Vorbild der deutschen Altersvorsorge-Politiker, und doch wird da niemals etwas draus.

Hier eine weniger schmeichelhafte Meldung: Wie die Insti Money unter Bezug auf Bloomberg vermeldet, war Schwedens größter Pensionsfonds Alecta offenbar in einigen problematischen US-Banken übergewichtet und hat ca. 2 Mrd. Dollar Verlust eingefahren. Viel Geld, erst recht in Bezug auf die Größe des Landes von nur 10 Mio. Menschen. Das wäre ungefähr so, als müsste eine deutsche EbAV 16 Mrd. Verlust vermelden – auch hierzulande wäre das eine Nachricht nationaler Tragweite.

Allerdings, Gemach. Gut, glückliches Händchen ist anders. Aber der betroffene Akteur – der eine Art VVaG ist – ist immerhin auch 1.120 Mrd. SEK schwer, entsprechend knapp 100 Mrd. Euro. Die im Raum stehenden 2 Mrd. USD Verlust werden damit die Jahresperformance massiv schmälern, die IORP selbst aber wohl kaum in Schieflage bringen können. Und wie üblich in Skandinavien ist man Kummer auch in Schweden gewohnt, Jahre mit größeren Negativperformances nimmt man dort hin – weil man die Philosophie des Real Asset Investors schlicht anders verinnerlicht hat und in anderen Jahren dafür belohnt wird.

Der bemerkenswerte Hund begraben liegt daher auch ganz woanders: dass das 10-Mio-Volk der Schweden über Pensionseinrichtungen verfügt, deren größte an die größte der über 84 Mio. Deutschen – die BVK mit 107 Mrd. Euro – heranreicht.


FAZ (29. März): Zinswende nützt Pensionswerken der Dax-Konzerne.“

Wie LbAV hat auch die FAZ die jüngste WTW-Studie zu DBO und Plan Assets im DAX aufgegriffen, und das im Verständnis des Komplexes wie stets praktisch fehlerfrei. Kritik aber an einer Stelle:

Der Autor erwähnt, dass in den USA und Großbritannien das Funding der DBO mit Plan Assets quasi-obligatorisch ist, und fährt dann fort, dass dies …

„…ein Grund für die Turbulenzen um britische Pensionsfonds im vergangenen Herbst, als Ankündigungen einer Steuerreform der damaligen Ministerpräsidentin Liz Truss Absicherungsgeschäfte verteuerten…“

gewesen sei.

Das kann, mit Verlaub, hier nicht unkommentiert bleiben, ist es doch im besten Fall äußerst verkürzt. Denn es gibt auch in Deutschland erhebliches Funding von Pensionsverpflichtungen aller Art, in CTAs, aber auch natürlich in allen Pensionskassen, Pensionsfonds, ZVK, Berufsständischen etc… und die fangen nicht gleich bei Marktturbulenzen oder Wechselkursschwankungen an zu wackeln. Insofern ist an der Aussage, dass das Funding der britischen IORPs ein Grund für die Turbulenzen gewesen sei, nur richtig, dass natürlich nur der von Marktturbulenzen auf der Aktivseite betroffen sein kann, der da auch Assets hat.

Der Grund für die vorgebliche Beinahe-Katastrophe in UK war vielmehr, dass die britischen IORPs anders als hierzulande ihr LDI im wesentlich derivativ gestalten und daher im Falle schneller, hoher Vola der Underlyings Margin Calls kriegen. Genaueres auf LbAV hier.


OFF TOPIC – TO WHOM IT MAY CONCERN

KStA (3. April): Neues Energiegesetz für Gebäude: Ende von Gas- und Ölheizungen naht – das müssen Hausbesitzer beachten.“

Haben Sie es beobachtet, liebe Leserinnen und Leser? Das Prinzip ist so alt und altbewährt, wie es demokratische Willensbildung gibt:

Übertriebene, teils absurd überzogene Regulierungsprojekte in den Raum stellen (sei es aus politischer Taktik, sei es aus Ideologie, sei es aus Ahnungslosigkeit, sei es aus Mix von alledem) und dann unter dem Druck des Widerspruchs von allen Seiten abmildern, v.a. durch Ausnahmeregelungen, Förderungen und Entschädigungen. Schliesslich dann als „Kompromiss“ politisch und gesellschaftlich durchsetzen. Bei den Betroffenen ein „Immerhin, das Schlimmste konnte abgewendet werden“-Gefühl induzieren. Ziel erreicht, welches sonst unerreichbar gewesen wäre.

Die Debatte und die Kompromissfindung rund um das Heizungsthema sind ein gutes Beispiel hierfür. Doch nur weil das eine oft genutzte Taktik ist, heißt das nicht, dass es eine politisch wünschenswerte ist – und sie wird für des Chronisten Geschmack in dieser Republik mittlerweile viel zu häufig angewandt (von der EU ganz zu schweigen, wo es schon zum Alltag gehört).

Im Übrigen handelt es sich hier um ein Vorgehen, das man auf speziellerem Niveau offenkundig zuweilen auch in der Altersvorsorge antrifft – just derzeit in der Debatte um die Beitragsreduzierung in der Pflegeversicherung.


RND (3. April): „Union will Cum-ex-Untersuchungsausschuss im Bundestag beantragen.“

Dass die Union für den „Größten Steuerraub der Geschichte“ (Die Zeit) einen Untersuchungsausschuss will – nun gut. Was dabei herauskommt – man wird sehen; immerhin ist CumEx/CumCum alles andere als Vergangenheit – ganz abgesehen davon, dass auch die Union, die dieses Land 17 Jahre im Bund regierte und dies in den Ländern weiter tut, in der Sache CumEx/CumCum offenkundig nicht unbeleckt ist, im Gegenteil.

Jedoch erstaunt, dass es auch heute immer noch durch die Massenmedien geistert, es habe eine Art „Rechtslücke“ oder „Grauzone“ gegeben, welche die Täterinnen und Täter ausgenutzt hätten. So heisst es in dem gestern von vielen deutschen Massenmedien aufgegriffenen RND-Beitrag:

Banken haben jahrelang eine rechtliche Lücke ausgenutzt und rund um den Tag der Dividendenzahlung Aktien mit (‚cum‘) und ohne (‚ex‘) Dividendenanspruch in rascher Folge hin- und hergeschoben.“

Nochmal: Es handelt sich hier weder um eine „rechtliche Lücke“ noch um eine „Grauzone“, sondern sich eine einmal gezahlte Steuer mehrfach erstatten zu lassen, ist schon allein infolge einer jeden Ratio Legis offenkundig nichts weniger als eine klare Straftat, und zwar vorgetragen mit erheblicher krimineller, bandenmäßiger Energie. Die verantwortlichen Täterinnen und Täter sind Verbrecher – und sonst gar nichts.

Und nochmal das diesbezüglich schon mehrfach bemühte kleine Gedankenexperiment von Kassandra, für die LbAVLeserschaft zu Hause oder im Büro zum Nachmachen:

Man stelle sich nur einmal vor, was geschähe, wenn die Werbekunden von LEITERbAV mit einem Trick, Vorwand oder was auch immer ihre Rechnungen für ihre Bannerwerbung auf dieser Seite sich von LEITERbAV zwei Mal ausstellen ließen, um sich so auch die Umsatzsteuer zwei Mal erstatten lassen zu können. Probieren Sie es gerne aus, liebe Leserinnen und Leser, der Erfolg einer solchen Vorgehensweise dürfte überwältigend sein. Und wenn es dann beizeiten morgens um fünf bei Ihnen klingelt, erklären Sie den freundlichen Herren an der Tür einfach, dass es sich bei der mehrfachen Steuererstattung um eine ‚rechtliche Grauzone‘ handele. Viel Erfolg!“

Niemand muss in allen Sachen vom Fach sein. Doch wäre es schön, wenn einfachste Grundlagen auch mal in den Redaktionen der einfachen Massenmedien ankämen.


Die Welt (23. März):
„Künstliche Intelligenz – Das wird alles verändern, alles.“

Bemerkenswertes Interview mit einem deutschen KI-Forscher. Das Zitat in der Überschrift des Beitrages ist nicht übertrieben. Man mag aber hinzufügen, dass die fortschreitende Entwicklung auf den beiden ebenfalls sehr dynamischen Feldern Quantencomputer und Gehirnforschung hier zusammen mit KI einen Mix ergibt, bei dem man nicht weiss, ob man lachen oder weinen soll. Das wird v.a. das Thema Authentizität betreffen, auf allen Feldern des Zusammenlebens.

Die Elemente sind mit uns verschworen, und auf Vernichtung läufts hinaus“ hieß es ca. 200 Jahren in der Tragödie zweiter Teil. Vor gut 30 Jahren klang das so wie in dem zum heutigen Vorspann anregenden cineastisch-ikonischen Kulturstück.

Insofern der Leserschaft frohe Ostern vom Eise befreit durch der KI holden, belebenden Blick. Es grünet Hoffnungsglück: In einer Woche meldet sich LbAV zurück.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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