Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Demnächst in München:

Ist danach davor oder danach?

Wenn neue Richttafeln erscheinen, müssen auch Rückstellungen neu berechnet werden. Unstrittig: Der Unterschiedsbetrag muss verteilt werden. Doch unklar ist die Lage, wenn es um Stichtage geht. Hier wird höchstrichterlich entschieden werden müssen.

 

Nach dem BAG in Erfurt ist der BFH in München wohl das Gericht, dessen Entscheidungen den stärksten Einfluss auf die bAV haben. Und wie das BAG hat auch der BFH durchaus einen ganz eigenen Kopf (was angesichts des zuweilen klar entgegenstehenden Willens des demokratisch legitimierten Gesetzgebers zuweilen etwas irritieren kann). Immerhin sieht sich das BMF derzeit veranlasst, allzu weit gehenden Gedankenspielen des BFH per BMF-Schreiben (noch im Entwurfsstadium) einen Riegel vorzuschieben.

 

Nun ist erneut ein bAV-affines Verfahren in München anhängig, doch ist dies von mehr technischer denn politischer Natur:

 

In dem Verfahren Az I R 68/16 geht es um die Höhe einer Pensionsrückstellung, die am ersten Bilanzstichtag nach Erscheinen neuer biometrischer Rechnungsgrundlagen erstmals gebildet wird. In der Vorinstanz hatte das FG Thüringen am 17. August 2016 (3 K 228/14) entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung entschieden.

 

Die Wurzeln der Angelegenheit reichen weit zurück: Am 6. Juli 2005 wurden die Heubeck-Richttafeln 2005 G veröffentlicht. Sie ersetzten die bisher für die Bewertung von Pensionsrückstellungen verwendeten Richttafeln 1998. Vor allem durch die höhere eingerechnete Lebenserwartung kam es in vielen Fällen zu einer Erhöhung der steuerlichen und handelsrechtlichen Pensionsrückstellungen. Handelsrechtlich konnte, steuerlich musste die jeweilige Erhöhung auf mehrere Jahre verteilt werden.

 

 

Klartext im Gesetz – eigentlich, denn…

 

Thomas Hagemann. Mercer.

Wie Thomas Hagemann, Chefaktuar von Mercer, gegenüber LEITERbAV betont, ergibt sich die steuerliche Verteilung schon aus dem Gesetz. Denn nach § 6a Abs. 4 Satz 2 EStG darf eine Zuführung, die auf der erstmaligen Anwendung neuer oder geänderter biometrischer Rechnungsgrundlagen beruht, der Pensionsrückstellung nur auf mindestens drei Wirtschaftsjahre gleichmäßig verteilt zugeführt werden.

 

Die Anwendung dieser Regelung wurde für den Übergang auf die Heubeck-Richttafeln 2005 G im BMF-Schreiben vom 16. Dezember 2005 näher erläutert. Der zu verteilende Unterschiedsbetrag zwischen den Pensionsrückstellungen nach alten und nach neuen Tafeln ist nach Auffassung der Finanzverwaltung am Ende des Wirtschaftsjahres zu ermitteln, in dem die neuen Richttafeln erstmals angewendet werden. Von diesem Betrag darf im Übergangsjahr nur ein Drittel berücksichtigt werden, die beiden anderen Drittel sind in den beiden Folgejahren zuzuführen. Werden in einem Folgejahr neue Zusagen erteilt, so sind diese sofort nach den neuen Richttafeln zu bewerten.

 

 

…der Teufel steckt im Rückstellungs-Detail

 

Wie Hagemann erläutert, entzündete sich der Rechtsstreit nun an einem für den betreffenden Fall bedeutsamen Detail: In Randnummer 5 des BMF-Schreibens vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass die Verteilungsregelung auch für Versorgungszusagen gilt, die im Übergangsjahr erteilt wurden – unabhängig davon, ob sie vor oder nach Erscheinen der neuen Tafeln erteilt wurden. Diese Sichtweise ergibt sich aus der Vereinfachung, dass der Unterschiedsbetrag am Ende des Übergangsjahres und nicht etwa zum 6. Juli 2005, dem Erscheinen der neuen Tafeln, ermittelt werden sollte.

 

Der Kläger hat nun eine Pensionszusage an einen Gesellschafter-Geschäftsführer im November 2005 erteilt, also nach Erscheinen der neuen Richttafeln. Er vertritt die Auffassung, dass für diese Zusage gar kein Unterschiedsbetrag existiere, der auf drei Jahre zu verteilen wäre. Diese Zusage, die im November 2005 erteilt wurde, solle also genauso behandelt werden, wie eine Zusage, die im Jahr 2006 oder später erteilt wurde.

 

Das FG Thüringen hat dem Kläger Recht gegeben. Es schreibt: „Bei einer erstmaligen Bildung einer Pensionsrückstellung existiert ein ‚Unterschiedsbetrag‘ iSd § 6a Abs. 4 S. 2 EStG schlichtweg nicht“. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung – der nächste Richttafelwechsel kommt bestimmt – wurde Revision zugelassen und offenbar auch eingelegt. Nun also muss der BFH entscheiden.

 

Mercers Hagemann hält die Thüringer Entscheidung grundsätzlich für richtig: „Bedeutung hat die Entscheidung insbesondere bei hohen Zusagen, die nach Erscheinen neuer Richttafeln erteilt wurden. Es kann nicht verlangt werden, dass hierfür ein Teil der Erstrückstellung auf drei Jahre zu verteilen ist.“

 

In den meisten Fällen sei aber die im BMF-Schreiben dargelegte vereinfachte Sichtweise für die Praxis zu begrüßen. Sie erfordere lediglich eine Vergleichsbewertung zum ersten Bilanzstichtag nach Erscheinen der neuen Richttafeln, wobei alle dann vorhandenen Zusagen unabhängig vom Zusagedatum einbezogen werden, so Hagemann weiter, aber „es kann nicht gefordert werden, dass diese Vereinfachung auch in den Fällen genutzt werden muss, in denen, wie im vorliegenden Fall, eine herausragende Zusage zwischen Erscheinen der neuen Tafeln und dem ersten folgenden Bilanzstichtag erteilt wird.“

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

© Pascal Bazzazi – LEITERbAV – Die auf LEITERbAV veröffentlichten Inhalte und Werke unterliegen dem deutschen Urheberrecht. Keine Nutzung, Veränderung, Vervielfältigung oder Veröffentlichung (auch auszugsweise, auch in Pressespiegeln) außerhalb der Grenzen des Urheberrechts für eigene oder fremde Zwecke ohne vorherige schriftliche Genehmigung. Die Inhalte einschließlich der über Links gelieferten Inhalte stellen keinerlei Beratung dar, insbesondere keine Rechtsberatung, keine Steuerberatung und keine Anlageberatung. Alle Meinungsäußerungen geben ausschließlich die Meinung des verfassenden Redakteurs, freien Mitarbeiters oder externen Autors wieder.