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19. Handelsblatt Jahrestagung bAV (VI):

Internationale Konzerne bleiben in Deckung

Das BRSG soll zwar die bAV vorwiegend in nationalen KMU ankurbeln, doch auf der HB-bAV-Tagung bezogen auch Pensionsverantwortliche von internationalen Großkonzernen Stellung. LbAVAutor Detlef Pohl dokumentiert Auszüge aus der Podiumsdiskussion.

 

Die Großindustrie stand und steht nicht im politischen Fokus der bAV-Reform, und das merkte man auch auf der Handelsblatt-Tagung. Gleich eingangs seines Statements bemerkte Hans Dieter Ohlrogge zum BRSG: „Das Gesetz ist gerade erst in Kraft getreten, und wir beschäftigen uns damit, können aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nichts Konkretes sagen.“ Der Vorstandschef der IBM Deutschland Pensionskasse und des IBM Deutschland Pensionsfonds erinnerte daran, dass die bAV traditionell eine freiwillige und vom Arbeitgeber finanzierte Sozialleistung sei. Die reine Beitragszusage (rBZ) sei ein „Versorgungswerk der Zukunft“.

 

Hans Ohlrogge, IBM …

Einige Aspekte des BRSG wie der bAV-Förderbetrag für Geringverdiener seien für IBM weniger interessant. Dennoch hat der Ohlrogge bei einer kürzlich veröffentlichten Umfrage von LEITERbAV dem SPM gute Chancen eingeräumt. Bei sinnvoller Risikostreuung der Investments vereine die echte Beitragszusage Sicherheit und Rendite. „Sie nutzt daher den Mitarbeitern mehr als die alten Zusagemodelle mit zwangsweise spärlicher Rendite im Niedrigzinsumfeld“, so Ohlrogge in der LbAV-Umfrage.

 

Anleger sollten sich gegenwärtig auf alle künftigen Markt-Szenarien einstellen“, merkte der Experte auf der HB-Tagung an. Auf lange Sicht blieben Realwerte die beste Anlageform. Hier gelte es, „Erträge zu erzielen, solange es möglich ist“, und zugleich „Overlays auszubauen, die Absicherung zu verstärken“.

 

 

Deutsche Post: Geringverdiener-Förderung kaum nutzbar

 

… Benedikt Engbroks, Deutsche Post DHL …

Die Deutsche Post DHL Group strebe an, „die Entgeltumwandlung weiterhin konzernweit einheitlich anzubieten, künftig auch wieder mit Riester-Förderung“, sagte Benedikt Engbroks, Leiter Pensions des Konzerns, auf der Tagung. Die Geringverdiener-Förderung sei kaum nutzbar. Mit dieser Aussage überraschte der bAV-Chef des DAX-Unternehmens das Fachpublikum angesichts der Lohnstruktur bei Brief- und Paketzustellern. „Da die Deutsche Post ihre arbeitgeberfinanzierte Altersversorgung als Direktzusagen durchführt, müsste ein komplett neues System her, um die neue Förderung für unsere Beschäftigten zu nutzen, da Direktzusagen leider nicht förderfähig sind“, so seine Begründung.

 

Statt Opting-out bei womöglich zu niedrigen Beiträgen hält Engbroks ein attraktives Gesamtmodell unter Nutzung aller verfügbaren Fördermöglichkeiten für sinnvoller. „Opting-out als Minimalkompromiss erhöht zwar die Zahl der Beschäftigten mit bAV-Ansprüchen, bringt dem Einzelnen aber kaum mehr Alterseinkommen“, befürchtet Engbroks.

 

Der Bonner Logistiker gehört zu den Großkonzernen, die in der jüngeren Vergangenheit mehrfach das günstige Kapitalmarktumfeld genutzt und Pensionsverbindlichkeiten im Umfang von mehreren Milliarden Euro mittels Anleihen ausfinanziert hat.

 

Zahlreiche seiner bAV-Verpflichtungen basieren noch auf leistungsorientierten Direktzusagen. Als Anlagestrategie hatte sich die Post auf eine kontrollierte Offensive geeicht. Der wertgesicherte Teil werde grob zu 25 Prozent in Aktien, zu 35 Prozent in Staatsanleihen und 40 Prozent in Credits investiert – alles jeweils mit globaler Ausrichtung.

 

 

Bayer: Betriebliches Opting-out interessant

 

… Claudia Picker, Bayer …

Bei Bayer sind in der bAV die Durchführungswege Pensionskasse und Direktzusage gleichgewichtet, berichtete Claudia Picker in Berlin. „Bei uns gilt überwiegend der Chemie-Tarifvertrag, und da stehen im Sommer Tarifverhandlungen an“, blickte die Leiterin Compensation & Benefits Deutschland der Bayer AG voraus. Es gäbe schon den Tarifvertrag „Einmalzahlungen und Altersvorsorge“, in dem die Weitergabe eingesparter SV-Beiträge bereits geregelt sei. Ob hier überhaupt Anpassungen für die Zukunft erforderlich sind, sei noch nicht geklärt. Ein Opting-out „halte ich persönlich für interessant“, sagte Picker in der Podiumsdiskussion. „Der neue Tarifvertrag sollte Öffnungsklauseln für entsprechende betriebliche Regelungen vorsehen, um den Betrieben größtmöglichen Spielraum zu lassen.“

 

Ein Drittel der Bayer-Belegschaft habe zudem bereits eine betriebliche Riester-Vorsorge, die nun durch die Abschaffung der Doppelverbeitragung deutlich attraktiver wird. Eine Geringverdiener-Förderung käme allenfalls für Teilzeitkräfte in Betracht. Bayer stünde zu seinen beitragsorientierten Leistungszusagen. Insofern sei das Sozialpartnermodell noch kein großes Thema, berichtete Picker.

 

 

Continental: Wir warten international auf eine echte Beitragszusage

 

… Burkhard Klare, Continental …

Wir denken über die Umsetzung des BRSG nach, vielfach scheint es aber keine zusätzliche Option zu sein“, schätzt Burkhard Klare die Lage für sein Haus ein. Derzeit bediene man vier Tarifbereiche mit Pensionskasse und Direktzusage, letztere sogar mit Garantiezins, erklärte der Leiter Compensations & Benefits Deutschland der Continental AG. Mit einem konzerneinheitlichen Modell der Entgeltumwandlung „geben wir als Firma schon seit Jahren 15 Prozent des Umwandlungsbetrages als Zuschuss an die Versorgungseinrichtung weiter“, so der bAV-Verantwortliche für die deutschen Konzerngesellschaften.

 

Insofern fehle es an Argumenten für die Umstellung des bAV-Systems von Continental auf die neue BRSG-Möglichkeiten. „Wir warten auch international auf echte Beitragszusagen“, betonte Klare. Nur so sei 100 Prozent Kapitaldeckung bei den Rentenanwartschaften zu erreichen, was im Interesse der Arbeitnehmer läge.

 

 

Diskussion: Splitting der Kapitalanlagen?

 

Auf die Frage von Moderator Heribert Karch nach möglichen Splittings der Kapitalanlage in individuelle und kollektive Teile beim SPM bekräftigten alle Podiumsteilnehmer, dass es für solche Entscheidungen noch viel zu früh sei. „Fraglich ist derzeit, welcher Sicherungsbeitrag, mit dem ja die faktische Enthaftung des Arbeitgebers möglich sein soll, eine angemessene Risikovermeidungsprämie darstellt“, so Klare. Er sei sich zudem nicht sicher, „ob die Enthaftung endgültig bleibt, weil das BAG mitunter erfinderisch ist“.

 

… und die ganze Runde mit Moderator Heribert Karch auf dem Podium. Alle Fotos: Gust / Euroforum.

 

Bei guten Inhalten in den kommenden Tarifverträgen zum BRSG „ist zusätzliche Verbreitung auch in internationalen Konzernen denkbar“, blickte Bayer-Frau Pickler voraus. Engbroks bekräftigte das auch für DPDHL: „Es ist nun Sache der Sozialpartner, mit Hilfe der verschiedenen Fördermöglichkeiten der bAV einen neuen Schub zu geben.“ Für IBM sei mit dem BRSG „mehr Ertrag das Programm“, so Ohlrogge. Zwar sei das Vertrauen in Realwerte seit dem Platzen der New-Economy-Blase in der Bevölkerung angekratzt, doch gerade international agierende Unternehmen zeigten seit Jahrzehnten, wie erfolgreiche bAV aussieht. Mit dem SPM ergäbe sich ein breiteres Experimentierfeld zur Pufferung von Anlagerisiken gerade bei jungen Arbeitnehmern, doch für Details sei es angesichts fehlender Tarifverträge viel zu früh.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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