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Felix Hufeld im Interview (II):

„Ich kann nicht allzu viel Hoffnung machen.“

Aufsichtsrecht und Niedrigzins – Lebensversicherer und Solvency II: Felix Hufeld, Chef der BaFin-Versicherungsaufsicht, spricht mit Leiter-bAV.de über alle wichtigen Themen der bAV. Teil II eines mehrteiligen Interviews.

Herr Hufeld, wie bewerten Sie die Rufe aus der Wirtschaft nach einem eigenen Aufsichtsrecht für EbAV? Und was halten Sie von einem eigenen BaFin-Fachbeirat bAV?

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Felix Hufeld. Foto: BaFin
Felix Hufeld. Foto: BaFin

nach einem eigenen Aufsichtsrecht für EbAV ist natürlich der Gesetzgeber und nicht die BaFin. Doch kann ich denen, die danach rufen, nicht allzu viel Hoffnung machen. Die derzeitigen Planungen zur Umsetzung von Solvency II sehen vor, dass es bei einem eigenen Abschnitt für EbAV im Versicherungsaufsichtsgesetz bleibt. Ein eigenes Aufsichtsgesetz speziell für EbAV ist nicht vorgesehen. Dies liegt schlicht und einfach daran, dass viele Vorschriften für EbAV und Versicherungsunternehmen in gleicher Weise gelten. Dazu gehören beispielsweise die Vorschriften zur Gründung von Unternehmen, zur Geeignetheit von Vorständen, zu Bestandsübertragungen sowie zum Recht kleinerer Vereine et cetera. Ein eigenes Aufsichtsgesetz würde in weiten Teilen zu einer Duplizierung der Vorschriften führen. Ein Umschwenken hin zu einem eigenen EbAV-Aufsichtsgesetz könnte ich mir nur dann vorstellen, wenn sich die künftige EbAV-Richtlinie sehr stark von Solvency II unterscheiden würde.

Was Ihre Frage zu einem „BaFin-Fachbeirat bAV“ angeht: Sowohl im Fachbeirat als auch im Versicherungsbeirat der BaFin sind bereits Repräsentanten der bAV oder von EbAV vertreten. Darüber hinaus führt die BaFin regelmäßig und anlassbezogen Gespräche mit den verschiedenen Fachvereinigungen der aba und anderen Interessenvertretungen der bAV. Es ist daher bereits jetzt gewährleistet, dass die Vertreter der bAV beziehungsweise der EbAV ihre Expertise in die BaFin einbringen können.

 

Zum Niedrigzins: Macht Ihnen die nicht enden wollende Niedrigzinsphase Sorgen, und wie lange halten die deutschen Lebensversicherer und EbAV diesen noch aus?

Aus den uns regelmäßig vorzulegenden Prognoserechnungen und Stresstests der Lebensversicherer wissen wir, dass die Unternehmen ihre vertraglichen Verpflichtungen kurz- bis mittelfristig erfüllen können. Für Pensionskassen gilt im Grunde genommen das Gleiche, auch wenn sie aufgrund der längeren Laufzeit der Verträge eine lang anhaltende Niedrigzinsphase stärker treffen würde. Anlass zur Sorge besteht daher weder für die Versicherten noch für die Aufsichtsbehörde. Gleichwohl gilt es, die Risikotragfähigkeit der Unternehmen zu erhalten und weiter zu stärken. Hierzu wird die Bundesregierung unter Einbeziehung der BaFin die gesetzgeberischen Handlungsmöglichkeiten prüfen und zu gegebener Zeit Vorschläge unterbreiten. Dass die Aufsicht darüber hinaus mit den Unternehmen in engem Kontakt steht und ihr bestehendes umfangreiches Aufsichtsinstrumentarium anwendet, ist selbstverständlich.

Aus meiner Sicht sind die Zeiten üppiger Überschussbeteiligung zunächst einmal vorbei. Die Stärkung der Sicherheitsmargen hat eindeutig Vorrang, um so sicherzustellen, dass die Unternehmen die zugesagten Leistungen auch langfristig erbringen können.

Pensionsfonds sind von der Niedrigzinsphase weniger stark betroffen, da sie nur in sehr geringem Umfang Leistungen langfristig garantieren. So gibt beispielsweise bei nicht-versicherungsförmigen Pensionsplänen die Garantie nicht der Pensionsfonds selbst, sondern der Arbeitgeber. Dieser muss dem Pensionsfonds im Bedarfsfall zusätzliches Kapital zur Verfügung stellen, wenn infolge niedriger Zinsen die ursprüngliche Kalkulation nicht mehr aufgeht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Niedrigzinsphase keine Auswirkungen auf diesen Durchführungsweg der bAV hat. Bei versicherungsförmiger Durchführung etwa dürften die in Aussicht gestellten Leistungen sinken.

 

Wie bewerten Sie derzeit die Wahrscheinlichkeit, dass der Rechnungszins für LVU auf 1,50 oder 1,25 Prozent abgesenkt werden muss?

Über den Höchstrechnungszins entscheidet nach entsprechender Prüfung das Bundesfinanzministerium.

 

Wo wir schon bei den Lebensversicherern sind: Die ersten Überlegungen zu Solvency II stammen aus den neunziger Jahren. Mittlerweile ist die Rede von einem Inkrafttreten 2017, und zuweilen hört man im Markt Stimmen, die die 30er Jahre für realistischer halten. Außerdem droht das Regime, dass mit der Maxime gestartet war, starre Regeln durch glasklare markt- und realitätsnahe Bewertungen zu ersetzen, durch geplante formalistische Hilfskonstruktionen – antizyklische Prämie, Matching Adjustment –zu einem reinen Formelwerk zu verkommen. Mal unter uns: Wird das überhaupt noch was?

Ich habe daran keinen Zweifel. Es hat nie Grund zu der Annahme gegeben, dass Solvency II endgültig nicht zustande kommt. Auch im letzten Jahr nicht, als klar wurde, dass wegen des Long Term Guarantee Tests eine Verschiebung des Startbeginns erforderlich sein würde. Solvency-II-Bashing ist ja derzeit „in“, aber so dramatisch, wie die Situation dabei gern dargestellt wird, ist sie in Wirklichkeit nicht. An dem neuen Aufsichtsregime wird seit zehn Jahren ernsthaft gearbeitet. Das mag Manchen wie ein langer Zeitraum erscheinen. Wenn man jedoch den Umfang des Projekts betrachtet und sich bewusst macht, wie aufwändig das Verfahren mit öffentlichen Konsultationen und mehreren Quantitativen Impact Studies ist, wird jedoch jedem klar, wie komplex die Herausforderung ist.

Der neue Starttermin für Solvency II ist noch nicht endgültig festgelegt. 2016 bleibt weiterhin ein realistisches Ziel. Um dieses Ziel zu erreichen, brauchen wir auch Maßnahmen, die die den Übergang auf das neue Regime für das bestehende Geschäft unterstützen. Für das Neugeschäft gilt Solvency II aber von Anfang an in vollem Umfang.

Im Übrigen geht es bei Solvency II um weit mehr als lediglich um neue quantitative Regelungen. Mindestens ebenso wichtig wie die geänderten Solvabilitätsanforderungen und Prinzipien für die Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen sind die erhöhten qualitativen Anforderungen, die Solvency II aufstellt. Diese prinzipienbasierten Regelungen zielen darauf, die Geschäftsorganisation der Unternehmen, insbesondere des Risiko- und Kapitalmanagements, zu verbessern. Neue Berichts- und Offenlegungspflichten ergänzen das neue Aufsichtsregime. Außerdem wird die Aufsicht über Versicherungsgruppen gestärkt. Auch die Anforderungen an Versicherungsgruppen erschöpfen sich nicht in einer Einhaltung von Solvabilitätsanforderungen auf Gruppenebene, sondern umfassen qualitative Regelungen.

 

 

Ende des zweiten Teils des Interviews.

Der erste Teil findet sich hier.

Der dritte Teil findet sich hier.

Der vierte und letzte Teil findet sich hier.

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Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

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